Dem Komitee „progresuisse“ gehören namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft an. Angeführt wird es von der frühren Bundesrätin Doris Leuthard. Unter den 62 Mitgliedern befinden sich auch Ex-Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer, alt Bundesrat Josef Deiss und der frühere FDP-Präsident Philipp Müller. Weiter werden im Komitee die Rektoren der Universitäten Bern, Zürich und St. Gallen aufgeführt sowie weitere Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft. Ein gutes Dutzend Mitglieder von National- und Ständerat aus verschiedensten Parteien sind ebenfalls mit an Bord. Dabei ist auch unser Autor Daniel Woker, früherer Schweizer Botschafter in Singapur und Kuweit. Er hat den untenstehenden Beitrag verfasst.
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Bislang wurde das Feld der aktuellen Europadebatte in der Schweiz den verschiedensten Akteuren überlassen, welche aus Partikularinteressen das Rahmenabkommen verteufeln. Ohne es wirklich zu kennen. Oder auch, und öfter, weil sie ihre speziellen Interessen monetärer Art in Gefahr sehen. Und in besorgter vaterländischer Manier einen angeblichen Souveränitätsverlust anprangern. Wir haben hier über einen solchen, weiteren Millionärsclub unter den schweizerischen Europagegnern berichtet.
Kein Souveränitätsverlust
Souveränität verliert die Schweiz durch ein enges und vertrauensvolles Verhältnis zur EU keine, im Gegenteil. Den grossen Herausforderungen unserer Zeit kann der Staat Schweiz – vom Klima über zukünftige Pandemiebekämpfung bis zum Verhältnis mit China – nur im Verbund mit gleichgesinnten Partnern entgegentreten. Geteilte Souveränität bringt mehr reale Unabhängigkeit als nationalstaatlicher Nachvollzug.
Breite Palette
Das InstA sieht einheitliche Regeln für eine breite Palette der Zusammenarbeit der Schweiz mit den Mitgliedstaaten der EU vor. Eine Zusammenarbeit, welche der Schweiz den Status eines gleichberechtigten Teilnehmers am europäischen Binnenmarkt erlaubt hat. Und nicht nur, mit grossem papierenen Aufwand verbundene Zollerleichterungen. Wie das Anfang der 1970er Jahre für die Schweiz der Fall war; und heute wieder für Grossbritannien, welches nun plötzlich merkt, dass schottischer Lachs viel mehr Zeit für den Weg auf den Kontinent braucht als vor dem Brexit.
Kein vernünftiger Wirtschaftsexperte, keine aufmerksame Bürgerin und kein aufmerksamer Bürger bestreitet heute, dass der europäische Binnenmarkt der Schweiz wirtschaftliche Sicherheit und auch zusätzlichen Wohlstand gebracht hat. Wenn dieses Nahverhältnis mit der EU durch leichtfertiges Zeuseln der schweizerischen Europaskeptiker – zusätzlich zur traditionellen, beinharten Gegnerschaft der Rechten – nun unterminiert wird, drohen sehr reale Gefahren für wichtige Teile der schweizerischen Wirtschaft.
Medizinalprodukte
Aktuelles Beispiel liefert die blühende schweizerische Medizinalindustrie. Ein bilaterales Abkommen der Schweiz mit der EU, welches ihr problemlosen Zugang zum Binnenmarkt erlaubt hat, läuft Ende Mai aus. In einem alarmierenden Brief an den Bundesrat macht die entsprechende Branchenorganisation auf die potentiellen Schäden aufmerksam, welche beim Wegfallen dieser Übereinkunft der Schweiz drohen. Medizinalprodukte aus Mexiko hätten leichteren Zugang zu Europa als solche aus der Schweiz. Weil die EU aus durchaus einsehbaren Gründen fordert, die breite Palette schweizerischer Sonderlösungen einheitlichen Regelungen zu unterstellen. Was durchaus auch der schweizerischen Seite entgegenkommen wird. Die einzelnen Branchen könnten sich so an einem allgemeingültigen Rahmen orientieren.
Rahmen
Diese Rahmen, in Form des InstA, aufrechtzuerhalten und auszubauen, dafür steht nun „progresuisse“ ein. Nach eigenem Bekunden will sich die Organisation „zugunsten der gesamten Gesellschaft für einen mehrheitsfähigen Rahmenvertrag und eine starke und konstruktive Beziehung mit der EU“ einsetzen. Sie will „eine substanzielle und offene Debatte über die Tragweite des Rahmenabkommens und die Zukunft der europäischen Partnerschaft schaffen und sich daran konstruktiv und progressiv beteiligen.“ Dies, weil wir „ein klares Bekenntnis des Bundesrates zu einem Rahmenabkommen brauchen, mit Klärung seiner Tragweite, damit sich 'progresuisse' hinter den Bundesrat stellen kann.“
Die wahren Unternehmer
Geht man die Liste der Gründungsmitglieder von „progresuisse“ durch („progresuisse“ – Für eine offene, erfolgreiche und vernetzte Schweiz.), wird offensichtlich, wo das Gros der schweizerischen Wirtschaft – und speziell der darin zentralen, kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) – ihre wahren Interessen sieht.
Weil sie eine Klärung unseres Verhältnisses zur EU dringend brauchen, stehen sie für das InstA ein. Was immer Livia Leu aus Brüssel mitbringt, so müsste der Bundesrat jetzt und unmissverständlich, bestärkt durch den zivilgesellschaftlichen Rückhalt von „progresuisse“ endlich tätig werden, um den Schweizerinnen und Schweizern zu erklären, welch grundlegende Interessen hier auf dem Spiel stehen.