Hilti war aus Liechtenstein angereist, Goddio aus Frankreich. Hilti gehört zur gleichnamigen Firma Hilti, die weltweit führend in technologischen Produkten für die Bauindustrie ist. Goddio war zu diesem Zeitpunkt auf dem Wege, einer der führenden Unterwasser-Archäologen zu werden.
Fasziniert von Goddios Erzählungen
Und Goddio erzählte von seinen Tauchgängen in den Tiefen des Meeres vor den Philippinen, vom Fund der spanischen Galeone «San Diego», die 1600 dort gesunken war. Goddio sprach auch von seinem Traum, das versunkene Alexandria vor Ägypten zu finden … Die Amerikaner, die seine Expeditionen auf den Philippinen finanziell unterstützt hatten, trauten der Sache nicht so recht und wollten das ägyptische Abenteuer nicht finanzieren.
Michael Hilti dagegen war fasziniert von diesen Visionen, von diesen kulturellen Tiefgängen … und er finanzierte mit der neugegründeten Hilti-Foundation vorerst einmal eine fünfwöchige Tauchexpedition, deren Ausgang zunächst noch ungewiss war.
Zwanzig Jahre zwischen Nil und Mittelmeer
«Als es losging, sass ich in Liechtenstein und wartete ungeduldig auf Nachrichten von Franck Goddio aus Ägypten», erinnert er sich. «Während drei Wochen hörten wir erst mal gar nichts. In der fünften Woche ist Goddio aber auf erste Funde gestossen». Noch am Eröffnungstag der Ausstellung erzählt Michael Hilti in der Remise des Museums Rietberg voller Begeisterung von der Insel Antirhodos, die Goddio damals vor Alexandria entdeckt hatte.
Kleopatra soll seinerzeit dort mit Marc Anton gelebt haben. Hilti verlängerte die finanzielle Unterstützung für das archäologische Unterfangen – nun über zwanzig Jahre. Während dieser Zeit ist Michael Hilti auch immer mal wieder ins Gebiet zwischen Nil und Mittelmeer gereist, freilich ohne selbst zu tauchen.
Überwinder der Todes
Was bei dieser Expedition dort in der Bucht von Abukir, nordöstlich von Alexandria, gefunden wurde, hat die Erwartungen der Archäologen übertroffen. Heute weiss man, dass die versunkenen Städte Kult-Orte waren, an denen dem ägyptischen Gott Osiris gehuldigt wurde. Osiris gilt als Überwinder des Todes und steht sinnbildlich für das ewige Leben und den Kreislauf der Natur. Ihm zu Ehren feierten die Ägypter jährlich die Osiris-Mysterien, unter anderem in einer Bootsprozession zwischen den versunkenen, von Franck Goddio entdeckten Städten Thonis-Herakleion und Kanopus. Erdbeben und Überschwemmungen hatten später die Städte mit ihren Kunstwerken im Meer versinken lassen.
Begeisterter Amateur
Michael Hilti, der die archäologischen Arbeiten – zumeist von Liechtenstein aus – seit Jahren begleitet, winkt ab, wenn man auch ihn bereits als ägyptologischen Fachmann bezeichnet. «Nein, nein … sagen wir lieber ‘begeisterter Amateur’». Ganz einfach sei es aber wirklich auch nicht gewesen. «Am Anfang sind wir immer mal wieder von anderen Archäologen angegriffen worden. Sie trauten der Sache nicht. Aber wir haben mit den ägyptischen Ministerien und dem Supreme Council for Antiquities eng zusammengearbeitet und hatten auch ägyptische Archäologen in unserem Team. Das Tauchgebiet war ausserdem noch militärisches Sperrgebiet», sagt Hilti. «Damit hatte man aber – von der ägyptischen Beobachtung mal abgesehen – seine Ruhe beim Tauchen …»
Nebenan steht Franck Goddio. Seit mehr als dreissig Jahren taucht er schon. Ein bisschen wie ein Fisch sei er schon geworden, meint er lachend, denn insgesamt sind da schon ein paar Jahre zusammengekommen, die er – wie ein Fisch – unter Wasser verbracht hat. Und es sollen noch mehr werden. «Wie viel noch geborgen wird, das ist auch eine Frage der Relevanz», meint Michael Hilti einschränkend.
«Osiris» – exklusiv in Zürich
Überglücklich ist nun auch Albert Lutz, der Direktor des Museums Rietberg, dass er zeigen kann, was inzwischen aus dem Mittelmeer gehoben wurde. Rund 300 Exponate sind es. «Das ist etwas Einzigartiges, das es in dieser Grösse und Bedeutung bis jetzt noch nie in Zürich zu sehen gab», schwärmt er. «Es ist das bislang grösste und aufwändigste Ausstellungsprojekt unseres Museums».
Entsprechend stolz ist er, dass «Osiris» – nach Paris und London – im gesamten deutschsprachigen Raum exklusiv nur in Zürich gezeigt wird. Schliesslich hat Lutz drei Jahre an den Vorbereitungen gearbeitet. Ein grosser Teil davon bezog sich auch auf die Sponsorensuche.
Schätze, die jahrhundertelang tief im Meer lagen
Aber jetzt ist die Ausstellung eröffnet, und tief unten im Museum liegen Schätze, die zuvor jahrhundertelang tief unten im Meer waren. Es ist auch hier schummrig und etwas geheimnisvoll und die einzelnen Stücke erzählen von Welten, die längst untergegangen sind, von Menschen, die diese fein gearbeiteten Schmuckstücke getragen haben und von Objekten, die der Götterverehrung dienten. Aber gezeigt werden auch ein lebensgrosser Stier oder die wohlgeformte Statue der Arsinoë, der Mutter Alexanders des Grossen, im verführerisch durchsichtigen Gewand. Alles in vollendeter Schönheit.
Der Zufall, der Michael Hilti und Franck Goddio vor Jahren in den USA zusammengeführt hatte und die archäologischen Funde erst ermöglicht hat, erweist sich im Nachhinein als Sternstunde, die etwas Licht in die nach wie vor geheimnisvolle Geschichte des alten Ägypten bringt, aber noch lang nicht alle Rätsel gelöst hat.
Museum Rietberg Zürich, «Osiris», bis 16. Juli 2017