Private Kryptowährungen sind ein neues Phänomen in der Finanzwelt. Das Neue daran ist, dass sie «krypto» sind, somit verborgen bzw. versteckt. Private, also nicht staatliche Währungen, hat es schon immer gegeben, z. B. die schweizerische WIR-Währung, die in Teilen des Gewerbes verwendet wird zur Abwicklung von Zahlungen zwischen Unternehmen, die regelmässig im Geschäftsverkehr stehen und sich kennen. WIR wird nur innerhalb der Schweiz verwendet.
Kryptowährungen sind digital und global
Völlig anders ist das bei den privaten Kryptowährungen, die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden schiessen. Sie sind erstens dank der Internetwelt grenzüberschreitend und damit international. Sie dienen zweitens als Zahlungsmittel, zur Aufbewahrung von Vermögenswerten und werden drittens im Börsenhandel zur Spekulation eingesetzt. In kurzer Zeit haben sie wirtschaftlich eine Bedeutung erlangt, die aufhorchen lässt. Die grösste Kryptowährung Bitcoin hat bereits eine Marktkapitalisierung von USD 800 Milliarden, eine Grössenordnung, die dem jährlichen BIP der Schweiz entspricht.
Kryptowährungen unterlaufen die Zentralbanken
Kryptowährungen gefährden das staatliche Geldmonopol der Zentralbanken. Staatlich etabliertes Geld wie Dollar, Euro, Yuan, Schweizerfranken hat nun plötzlich Konkurrenz. Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit sind für Zentralbanken wichtige Instrumente zur Steuerung der Zins- und Währungspolitik. Die unkontrollierte Ausweitung der internationalen Geldflüsse durch Kryptowährungen führt zur Erosion der Souveränität der staatlichen Geldpolitik.
Auch ohne Kryptowährungen ist die enge Zusammenarbeit und Koordination unter den Zentralbanken aus geldpolitischen Gründen und wegen der Stabilität der Zahlungs- und Verrechnungssysteme wichtig. Diese Aufgabe obliegt der Bank der Zentralbanken, der Bank für Internationalen Zahlungsverkehr (BIZ). In deren Verwaltungsrat sind die Spitzen der nationalen Zentralbanken vertreten. Die BIZ hat 60 Mitglieder, darunter die Schweiz, die EZB, das US-amerikanische Federal Reserve System, die Chinesische Volksbank, die Bank of Japan und die Zentralbanken vieler anderer grosser Volkswirtschaften.
Weil die Nachfrage nach privaten Kryptowährungen zunimmt, planen die Zentralbanken eigene digitale Währungen. Damit wollen sie der Erosion des Notenbankmonopols entgegenwirken. Die EU im Verbund mit der EZB will die Führungsrolle übernehmen, spürt aber Widerstand einzelner Mitgliedsländer. Besonders innovativ ist die schwedische Zentralbank, die Sveriges Riksbank. Es zeichnet sich jedoch ab, dass China den westlichen Zentralbanken den Rang ablaufen wird.
Chinesische Volksbank plant Coup für Winter Olympiade 2022
China will seine digitale Währung während der Winter Olympiade 2022 einführen. Das ist marketingmässig clever und innovativ. Im Softwarebereich galt einst der Grundsatz: «Never be the first». Es wird sich zeigen, ob der Vorstoss für die Einführung der digitalen chinesischen Währung erfolgreich oder zum Rohrkrepierer wird. Bei Erfolg dürfte der Yuan die Vorherrschaft des US-Dollar gefährden.
Schwächen von Kryptowährungen
Kryptowährungen werden oft für illegale Aktivitäten eingesetzt. Dies ist auch der Fall bei staatlichen Währungen, trotz Überwachung durch Strafbehörden und andere staatliche Instanzen. Die Gesetzgebung über Geldwäscherei, Terrorismusbekämpfung und Cyberkriminalität unterliegt einer elementaren Fehlüberlegung: Geldflüsse bis in alle Verästelungen des privaten und des unternehmerischen Lebens nachzuverfolgen, ist nur in einem diktatorischen Polizeistaat perfekt möglich. Kein Problem für China, aber schwierig in einer Demokratie. Private Kryptowährungen sind digital und grenzüberschreitend. Die Überwachung der Geldflüsse wird faktisch zur Mission Impossible.
Regulierung wird zunehmen
Kryptowährungen sind neu und regulatorisch bis heute in einer grauen Zone. Verschiedene US-Regierungsstellen befassten sich mit dem Thema und konnten sich nicht entscheiden, wie Kryptowährungen zu klassieren sind. Die Wertschriftenbehörde SEC nimmt sich zurzeit der Kryptobörse Coinbase an. Sie will typisch US-amerikanisch auf einer Case-to-case-Basis entscheiden. Es scheint, dass die SEC das Ruder übernommen hat und Kryptowährungen der komplizierten Wertschriftengesetzgebung unterstellt. Dieser Trend dürfte sich in den meisten Staaten fortsetzen.
China schreitet bei der Regulierung voran
China ist entschlossen, rigoros gegen private Kryptowährungen durchzugreifen. Alle Transaktionen mit Kryptowährungen wurden kurzerhand verboten. Die chinesische Zentralbank und zahlreiche andere Regierungsstellen haben in China ansässigen Personen sogar untersagt, ausländische Krypto-Börsen zu benutzen. Die Risken von Kryptowährungen und des virtuellen Handels seien zu gross.
Ist die FINMA zu lasch?
Viele Schweizer Banken offerieren Krypto-Vermögenswerte im Rahmen der Vermögensverwaltung und Anlageberatung. Die Finma hat Bewilligungen für Banken erteilt z. B. für die Crypto Finance (Brokerage) AG, die auf Krypto-Handel spezialisiert ist. Auf internationalen Druck der Softlaw-Organisation Financial Action Task Force verschärft die Finma Schritt für Schritt die Krypto-Regeln. Ist die FINMA noch immer zu nachsichtig? Der riesige Liquiditätsüberschuss verbunden mit dem Anlagenotstand veranlasst viele Anleger Krypto-Werte zu kaufen. Risiken werden unter den Tisch gekehrt.
Steigende Nachfrage in Entwicklungsländern
Die Nachfrage nach privaten Kryptowährungen scheint nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit zuzunehmen. In Staaten ohne funktionierendes Banken- und Zahlungssystem ist die Nachfrage in der breiten Bevölkerung stark zunehmend.
In São Paulo legen z. B. Zahnärzte ihre monatlichen Ersparnisse in einen an der Börse gehandelten Fonds an, der aus einem Korb von Krypto-Währungen besteht.
Im von hoher Arbeitslosigkeit und Inflation geplagten Nigeria, das unter einem grossen Währungs-Schwarzmarkt leidet und Kapitalkontrollen kennt, sind Zahlungen über private Kryptowährungen zunehmend populär, weil staatliche Funktionen versagen.
Das arme El Salvador hat als erstes Land Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt. Wertvernichtende Inflation, fehlender Wohlstand, Arbeitslosigkeit, unzuverlässige Verwaltungen sowie trübe persönliche Aussichten sind in Entwicklungsländern ein wichtiger Faktor für das weitere Wachstum von Kryptowährungen.
Internationale Zahlungsflüsse
Die westlichen Zentralbanken zögern, staatliche digitale Währungen einzuführen. Nationale und internationale Geldflüsse müssen besser kontrolliert werden, um Geldwäsche, Terrorismusgefahr und Cyberkriminalität in den Griff zu bekommen. Das weltweite Wachstum von privaten Kryptowährungen und damit die Zunahme von unkontrollierten Zahlungsströmen ist eine Gefahr für die Stabilität der Finanzsysteme. Steuerlich werden die Staaten bald merken, dass die umstrittenen Vorschläge der OECD keine nachhaltige Lösung bringen. Vor allem generieren sie nicht die Einnahmen, die nötig sind, um die riesigen Schuldenberge abzubauen. Eine Mikrosteuer auf dem riesigen und wachsenden Zahlungsverkehr wird sich früher oder später aufdrängen.