Auf ein wirtschaftliches Schlamassel folgt ein politisches. Da die Wirtschaft die Basis eines Gemeinwesens ist, bestimmt ihr Zustand die Art, in der es regiert wird. Seit dem Zweiten Weltkrieg läuft in Europa alles, was das Etikett Demokratie trägt, unter gut und schön. Kleine Flecken auf der weissen Weste wie die Diktaturen von Salazar in Portugal, Franco in Spanien und das Obristenregime in Griechenland wurden übersehen, denn es herrschte ja auch Kalter Krieg. Und seit dem Beginn des schönen Traums einer Europäischen Union mit gemeinsamer Währung wurde sowieso alles, was dem in der Realität im Weg stehen könnte, geflissentlich ausgeblendet.
Korrupt, verlogen, unfähig
Erst ab 1974, nach dem Zusammenbruch der Militärjunta, herrscht in Griechenland so etwas wie Demokratie. Genauer eine Clan- und Vetternwirtschaft, in der korrupt die Pfründe verteilt wurden und sich die ewig gleichen familiär geführten Parteien an der Macht abwechselten. 2001 schummelte sich Griechenland mit gefälschten Bilanzen in den Euro. Die dadurch sprudelnden Subventionen und die fatale Möglichkeit, zu lächerlich niedrigen Zinsen Kredite aufnehmen zu können, bildeten die Basis für die Fortsetzung der Pfründenverteilung nach der Devise: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s ungeniert. Bis spätestens vor zwei Jahren jedem klar wurde, ausser den Eurokraten und vielen Wirtschaftskoryphäen, dass Griechenland bankrott ist. Restlos, endgültig und unrettbar. Der richtige Moment für: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Es geht immer schlimmer
Stattdessen wurden Multimilliarden an Steuergeldern, vor allem aus Deutschland und Frankreich, in den bankrotten Staat gepumpt. Auch vom Pleitekandidaten Spanien. Griechenland braucht inzwischen monatlich mindestens 3 Milliarden Euro, um lediglich die Zinsen der Schulden zu bezahlen. Da sich das Land seit fünf Jahren in einer Rezession befindet, also die Wirtschaftsleistung kontinuierlich schrumpft, die Arbeitslosenzahlen in den Himmel schiessen, die Steuereinnahmen sinken, braucht es sogar neue Kredite, um lediglich die Zinsen der alten zu begleichen. Aber es gibt doch Hoffnung, schliesslich wurden in den letzten zwei Jahren gewaltige Anstrengungen unternommen. Gespart, verschlankt, entbürokratisiert, reformiert. Ach ja?
Die Bilanz
Es wurde zum Beispiel mutig eine Krisen-Grundsteuer eingeführt. Sie sollte vom Strommonopolisten PPC eingezogen, säumigen Zahlern einfach der Saft abgestellt werden. Aber man wollte ja auch die Wähler nicht verärgern, also wurde die Umsetzung des Gesetzes verzögert, dann die Bezahlung aufgeschoben oder einfach stillschweigend gestrichen. Die 2010 grossartig angekündigte Gesamtsteuerreform wurde immer wieder verschoben, jüngst auf Juni 2012. Am 20. April sollte die Regierung einen Plan für die Sanierung der maroden griechischen Banken vorlegen. Verschoben. Privatisierungen? Mangels handlungsfähiger Regierung auf Eis gelegt. Nennenswerte Entlassungen beim aufgeblähten Staatsapparat mit mehr als einer Million Angestellten (Griechenland hat eine arbeitsfähige Bevölkerung von knapp 5 Millionen): Pustekuchen. Aufräumen im Steuerchaos: Alleine im Mai sanken die Einkünfte der Finanzämter um 15 Prozent. Überproportional im Vergleich zum Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um minus 6,2 Prozent.
Der Witz vom Wachstum
Wachstum braucht Investitionen. Investitionen brauchen ein entsprechendes Umfeld. Jede Woche schliessen 1000 Geschäfte, Griechenlands Industrie liess im Februar 40 Prozent ihrer Kapazitäten ungenutzt, die Regierungen haben in den letzten zwei Jahren kaum eines der vielen Hindernisse für Investitionen abgebaut. Auf der Rangliste «Doing Business» der Weltbank belegt Griechenland inzwischen Platz 100, noch hinter Jemen. Neben Bürokratie schreckt Korruption Investoren ab. Laut dem «Korruptionsindex» von Transparency International liegt Griechenland inzwischen auf Platz 80, im Jahr 2008 war es noch Platz 57. Wie die «Welt» berichtet, wurden Anfang Mai zwei leitende Beamte des Ministeriums für «Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit» verhaftet. Sie verlangten 300 000 Euro Schmiergeld für die Auszahlung von 3 Millionen EU-Fördergeldern.
Der Scherz von Neuwahlen
Inzwischen vegetiert Griechenland unter einer handlungsunfähigen Pseudoregierung dahin. Dieses unsägliche Desaster sollen nun am 17. Juni Neuwahlen richten. Wenn das Land nicht vorher völlig im Chaos versinkt. Denn nachdem Demokratie à la Griechenland dieses Schlamassel angerichtet hat, ist ja nur logisch, dass demokratische Neuwahlen alles zum Besseren wenden werden. Dabei hat der griechische Staatspräsident laut Verfassung Notstandsbefugnisse und ist auch Oberbefehlshaber der Armee. Die braucht es sowieso, wenn die Umstellung von Euro auf Drachme durchgeführt wird. Schon wenn der sich bereits entwickelnde Bank Run weiter Fahrt aufnimmt. Aber Gottseibeiuns, das wäre doch nicht demokratisch. Na und?