Der Oberste Führer des Iran überrascht mit einer Art Friedensplan für Palästina. Israeli und Palästinenser sollten über einen gemeinsamen Staat abstimmen. Khamenei könnte sehr wohl wissen, wie unrealistisch sein Vorschlag ist.
Dass der Iran seit der Islamischen Revolution 1979 es mit zwei Hauptfeinden zu tun habe – den USA und Israel – hat sich seitdem mehr als zur Genüge herumgesprochen. Diese immer wieder aufs Neue beschworene Feindschaft gegenüber den ehemals eng mit dem Schah-Regime verbündeten Staaten war denn auch der Hintergrund zum Atomstreit mit dem Iran, dem nach zähen Verhandlungen abgeschlossenen Atom-Abkommen und wenig später dessen Aufkündigung durch den damaligen US-Präsidenten Donald Trump.
In Israel wurde immer wieder vor dem Iran gewarnt: Teheran tue alles, um sich gegenüber Israel stark zu machen, es unterstütze antiisraelische und antijüdische Organisationen weltweit und besonders in Ländern des Nahen und Mittleren Ostens, so die «Hamas» im Gazastreifen und dem Westjordanland oder den «Hizbullah» im Libanon.
Wink mit der Atombombe
Dabei bestritt der Iran immer wieder, dass er an der Atombombe arbeite, Militärs organisierten aber hin und wieder Manöver, bei denen das Hauptziel das israelische Atomzentrum von Dimona sein sollte. Selbst wenn Teheran nicht offen damit drohen wollte, so war dies doch ein Wink mit der Atombombe.
Iranische Politiker meldeten sich nicht so oft und erst recht nicht klar zu Wort. Aber von führenden Militärs kamen dann doch immer wieder Sprüche, dass «der kleine Teufel» (wie Israel neben dem «grossen Teufel» USA genannt wird) sich vorsehen solle. Allein zu Beginn des Gazakrieges zwischen Israel und der «Hamas» war aus Militärkreisen in der iranischen Hauptstadt zu hören, Israel «nähere sich hier gefährlich der roten Linie» und die libanesische «Hizbullah» begann, entlang der Grenze mit Israel vereinzelte Angriffe durchzuführen – ganz im Sinne ihrer Paten in Teheran: Die von Iran gegründete, ausgebildete und bewaffnete Miliz wollte offensichtlich nicht nur der «Hamas» helfen, sondern auch Iran, dessen Aussenminister Amir-Abdollahian in den letzten Monaten wiederholt Libanon und die Südgrenze nach Israel hin besucht hatte – und das sicher nicht aus touristischer Neugier.
Iran will Israel nicht «ins Meer treiben»
Nun aber dies: Ajatollah Khamenei, der Oberste Führer des Iran, erklärte in Teheran, er wolle Klarheit schaffen: Immer wieder werde behauptet, Iran wolle «Israel ins Meer treiben». Dies stimme überhaupt nicht. Er selbst habe dies auch In der Tat nie behauptet, im Gegenteil: Er habe einen Plan entwickelt, der der Demokratisierung in der Region dienlich sei: Palästinenser wie Israelis sollten frei über ihren künftigen Staat abstimmen können. Wobei klar sei, dass Zugewanderte wieder in ihre Ursprungsländer zurückkehren sollten.
In der Tat hatte Khamenei vor nicht allzu langer Zeit von freien Wahlen in Palästina gesprochen. Aber er hatte nicht von der «Zweistaatenlösung» gesprochen, wie sie 1947 von der Uno beschlossen wurde und die heute noch als einzige völkerrechtlich denkbare Lösung gilt. Was Khamenei nun als einzige denkbare Lösung anpreist, ist eine «Einstaatenlösung», wie sie von allen Betroffenen abgelehnt werden dürfte: Israel wird sich nicht auflösen, und Palästinenser von der Couleur islamistischer Radikaler träumen auch nicht von einem gemeinsamen Staat mit arabischen Palästinensern (unter ihnen Muslime verschiedener Ausrichtung) sowie Christen der unterschiedlichsten Denominationen – und natürlich mit Juden.
Die iranische Tageszeitung «Hamshahri» («Mitbürger») hat mit der Veröffentlichung der Erklärung des «Obersten Führers» sicher einen mutigen Schritt unternommen, denn solche Dinge wurden in Iran nicht in der Öffentlichkeit diskutiert. Selbst wenn einst für rund 500 Jahre ein friedliches Miteinander in Palästina herrschte – wie Khamenei es nun fordert – die Vergangenheit lässt sich nicht zurückholen. Die letzten (fast) zwei Monate dürften dies deutlich genug bewiesen haben.