Einem Schweizer Bürger kann die Staatsbürgerschaft grundsätzlich nicht aberkannt werden. Doch während des Zweiten Weltkriegs wurde sie mehreren Dutzend Schweizern aberkannt, die für das Nazi-Regime gearbeitet und gekämpft hatten. Auch in den Gesetzen der Nachkriegszeit besteht eine ähnliche Norm, die jedoch nie angewandt wurde.
Als die Behörden bemerkten, dass Schweizer Bürger für den Islamischen Staat im Mittleren Osten tätig waren, erinnerten sie sich an den Artikel 42 im Bundesgesetz über das Bürgerrecht von 2014, der lautet: „Das Staatssekretariat für Migration (SEM) kann mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons einer Doppelbürgerin oder einem Doppelbürger das Schweizer, Kantons- und Gemeindebürgerrecht entziehen, wenn ihr oder sein Verhalten den Interessen oder dem Ansehen der Schweiz erheblich nachteilig ist.“
Der erste Schweizer Doppelbürger, dem das Staatssekretariat 2019 die Schweizer Staatsbürgerschaft entzogen hatte, war vom Bundesstrafgericht zu einer Haftstrafe verurteilt worden, da er Propaganda für den Islamischen Staat (IS) gemacht und Kämpfer rekrutiert hatte. Inzwischen ist erstmals einer Schweizerin die Staatsbürgerschaft entzogen worden. Es handelt sich um eine schweizerisch-französische Doppelbürgerin. Die Frau hat im Jahr 2016 mit ihren zwei Töchtern, ohne das Wissen der zwei Väter, die Schweiz verlassen, um zum IS in Syrien zu gelangen. Dort heiratete sie einen Kämpfer des IS, der inzwischen gestorben ist und von dem sie eine dritte Tochter gebar. Die Schweizerin mit ihren drei Kindern soll sich in einem Internierungslager in Syrien befinden.
Der Entzug der Schweizer Bürgerrechts ist ein schwerwiegender und heikler Akt. Es scheint festzustehen, dass die Frau eine Sympathisantin des IS ist, doch in diesem Zusammenhang ist wichtiger, dass es sich nicht um eine Kämpferin des IS handelt und keine Beweise vorliegen, dass sie als Terroristin bezeichnet werden kann. Diese Frau ist in der französischen Schweiz aufgewachsen, hat dort ihr bisheriges Leben verbracht und zwei Töchter geboren. Sie hat deshalb nicht gleich enge Beziehungen zu Frankreich, dem Land ihres ersten Passes. Die Schweiz ist ihr eigentliches Land, hier hat sie sich auch radikalisiert. Aus diesen Gründen sollte der zitierte Artikel 42 des Bürgerrechtsgesetzes in diesem Fall nicht angewandt werden.
Karin Keller-Sutter, die Vorsteherin des Polizei- und Justizdepartements hat gesagt, dass die Töchter, die Schweizerinnen sind, in die Schweiz zurückkehren könnten. Nach Angaben der Behörden sei es nicht möglich gewesen, die Mädchen in die Schweiz zurückzuführen, denn deren Mutter war nicht bereit, ihre Kinder ohne sie zurückreisen zu lassen. Der schweizerische Vorschlag ist meiner Meinung nach tückisch und heuchlerisch. Weshalb das so ist, kann einfach erklärt werden: Hätte die Mutter eingewilligt, die Mädchen allein in unser Land reisen zu lassen, wäre dann nicht gesagt worden: „Was ist das für eine Mutter, die sich von den Kindern trennt?“ Der Bundesrat sollte den Entscheid des Staatssekretariats für Migration überdenken und korrigieren, denn er beschädigt nicht nur allzu leichtfertig die Einheit der Familie, sondern auch die Bedeutung des Schweizer Bürgerrechts.