Das iranische Innenministerium hat am 25. Mai die Namen der Präsidentschaftskandidaten offiziell bekanntgegeben: Sie lauten Amir Hossein Ghazizadeh-Hashemi, Abdolnasser Hemmati, Saeed Jalili, Mohsen Mehr-Alizadeh, Ebrahim Raissi, Mohsen Rezaie und Alireza Zakani.
Als aussichtsreichster Kandidat gilt Ebrahim Raissi, derzeit iranischer Justizchef und enger Vertrauter des Staatsoberhaupts Ayatollah Ali Khamenei. Raissi wird wegen seiner Mitgliedschaft in dem „Vierer-Komitee“, das für die Massenhinrichtungen von Tausenden politischen Gefangenen im Sommer 1988 mitverantwortlich ist, im Iran „Blutrichter“ genannt.
Unter den abgelehnten Bewerbern – Frauen dürfen im islamischen Gottesstaat nicht Präsidentin werden – sorgt besonders ein Name für Verwunderung: Ali Larijani. Der langjährige Parlamentspräsident und erfahrene Diplomat wäre nach Meinung der meisten Experten und Expertinnen der nächste Präsident des Iran geworden. Denn er verkörpert das politische Mischwesen, das von wesentlichen Teilen der Hardliner und Reformer erwünscht ist: Er gehört zum religiösen Adel, vertritt bei wichtigen innen- und aussenpolitischen Fragen immer wieder gemässigte Positionen und geniesst dennoch das volle Vertrauen von Staatsoberhaupt Khamenei. Nicht Präsident Hassan Rouhani, sondern Ali Larijani war es, der in Khameneis Auftrag das kürzlich beschlossene und umstrittene 25-jährige Abkommen mit China erarbeitet hat.
Erst Präsident, dann Führer?
Die Disqualifizierung Larijanis weist darauf hin, dass der ultrakonservative Wächterrat den Weg für den Wahlsieg Ebrahim Raissis ebnen will. Der konservative Geistliche war bei den Präsidentschaftswahlen 2017 wichtigster Herausforderer von Präsident Hassan Rouhani. Er galt als Favorit des Revolutionsführers, der Revolutionsgarde und der radikalsten Strömungen in der Islamischen Republik.
Diesmal sind Raissis Konkurrenten farb- und chancenlose Politiker. Sehr wahrscheinlich werden einige von ihnen zu seinen Gunsten auf ihre Kandidatur verzichten.
Mit der Übernahme der Regierungsgeschäfte hätte Raissi die wichtigste Hürde für die Nachfolge Khameneis genommen. Seit langem wird er in den Machtzirkeln als künftiges Staatsoberhaupt gehandelt. Ihm fehlt aber Erfahrung als politischer Entscheidungsträger.
Boykott-Aufrufe
Ex-Präsident Mahmoud Ahmadinedschad hatte ebenfalls kandidiert und gedroht, die Wahl im Falle seiner Ablehnung zu boykottieren.
Damit würde er sich der Mehrheit der Iraner und Iranerinnen anschliessen, die bei den letzten Wahlen zu Hause blieben und auch jetzt in den sozialen Netzwerken ihren Boykott signalisiert haben.
Die durch Sanktionen und Vetternwirtschaft ruinierte iranische Wirtschaft, die mangelnde Bereitschaft der Machthaber, politische und gesellschaftliche Freiheiten zuzulassen, zum Himmel schreiende Korruption und die Mitmischung des Regimes in regionalen Konflikten – während nach offiziellen Angaben die breite Masse der Iraner immer mehr verarmt – sorgen für Politikverdrossenheit.
Berichten zufolge hat Präsident Rouhani in einem Brief Khamenei gebeten, die Entscheidung des Wächterrates zu revidieren und andere Kandidaten zuzulassen. Doch selbst wenn ein einflussreicher Reformer zugelassen und am 18. Juni die Wahlen gewinnen würde, kann er nicht mehr anrichten als seine Vorgänger – deren Bilanz in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Umwelt sehr ernüchternd ist.
Nach der Verfassung steht der Oberste Rechtsgelehrte – seit 1989 Khamenei – über dem Präsidenten und kann seine Pläne torpedieren oder ihm andere aufzwingen.
Mohammad Khatami, Präsident des Iran von 1997 bis 2005, nannte den Präsidenten der Islamischen Republik „Tadarokchi“ – Buchführer oder Organisator des Obersten Rechtsgelehrten.
Mit freundlicher Genehmigung Iran Journal