Die libysche Einheitsregierung, die in der Hauptstadt Tripolis tagt, erhält mehr und mehr Unterstützung. Dieses „Government of National Accord“ (GNA) wird international unterstützt. Provisorischer Regierungschef ist Fayez al-Sarradsch.
Auch aus libyschen Kreisen erhält die tripolitanische Regierung (die Regierung in Tripolis) immer mehr Unterstützung. Doch das libysche Parlament, das in Tobruk tagt, hat die Einheitsregierung noch immer nicht legitimiert. Lange Zeit gab es in Libyen zwei verfeindete Regierungen, eine in Tripolis und eine in Tobruk.
Ins andere Lager gewechselt
General Khalifa Haftar, der Oberkommandierende der Tobruk-Truppen, will sich nach wie vor nicht dem Verteidigungsminister der Einheitsregierung in Tripolis unterstellen.
Doch am vergangenen Samstag haben zwei Kommandanten, die mit ihren Einheiten bisher Haftar unterstützt hatten, sich öffentlich an einer Pressekonferenz von ihm losgesagt und sind ins andere Lager geschwenkt. Bei diesen Zwei handelt es sich um die Kommandanten der "anti-terroristischen Sondereinheiten" und der "militärischen Informationsbrigade". Anwesend an der Pressekonferenz war auch al-Mahdi al-Bargathi, der Verteidigungsminister der Einheitsregierung.
Wer befreit die Stadt Sirte?
Sowohl die Truppen von General Haftar als auch jene der Einheitsregierung befinden sich in einem Wettlauf um die Eroberung der Stadt Sirte. Sie ist die Hochburg der Milizen des „Islamischen Staats“ (IS). Haftars Truppen nähern sich von Osten her der Stadt, jene der Einheitsregierung von Westen her. Auf Seiten der Truppen der Einheitsregierung kämpfen auch Milizen der Städte Misrata und Adschdabiya.
Sie alle gehörten früher zum Milizbündnis "Morgenröte Libyens". Dieses hatte sich hinter das Parlament von Tripolis gestellt. Doch es gibt immer noch Teile dieses Bündnisses, die sich nicht entschliessen können, die Einheitsregierung zu unterstützen. Dies dürften in erster Linie ideologisch fixierte Minderheiten sein, die zu den Muslimbrüdern halten.
Allerdings haben sich die meisten Milizen rund um Tripolis hinter die Einheitsregierung gestellt und ihren Verteidigungsminister anerkannt. Aus diesem Grund konnten die tripolitanischen Kräfte den Vormarsch Richtung Osten - Richtung Sirte - beginnen. Inzwischen melden die Truppen, sie hätten die Luftbasis von al-Gordabiya, 15 Kilometer südlich von Sirte vom „Islamischen Staat“ „befreit“.
Hilfe ja, aber keine Intervention aus Europa
Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Truppen der Einheitsregierung von Sondertruppen aus den USA, aus Frankreich, Italien und aus Grossbritannien unterstützt werden. Doch diese befinden sich nicht "offiziell" in Libyen.
Wie heikel die Frage der "fremden Stiefel" in Libyen ist, zeigen die jüngsten Reden von Fayez al-Sarradsch dem Chef der Einheitsregierung in Tripolis. Er erklärte am Sonntag:
"Es ist wahr, wir brauchen die Hilfe der internationalen Gemeinschaft im Kampf gegen den Terrorismus. Es ist auch wahr, dass wir bereits Hilfe erhalten haben. Doch wir reden hier über eine internationale Intervention, und die Präsenz ausländischer Infanterie (ground troops) ist gegen unsere Prinzipien. Wir brauchen eher Satellitenbilder, Information, technische Hilfe - nicht Bombardierungen. Wir hoffen, dass der Krieg gegen den Terrorismus dazu beitragen wird, Libyen zu vereinigen. Es wird aber lange Zeit dauern, und die internationale Gemeinschaft weiss das."
Die Zentralbank auf Seiten der Einheitsregierung
Auf der anderen Seite – von Osten her - versuchen die Truppen General Haftars die Stadt Sirte zu erobern. Haftar wurde bisher von Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützt. Doch wie weit Haftar von dieser Unterstützung profitieren kann, ist unklar. Sollten die Truppen der tripolitanischen Einheitsregierung Sirte befreien, wird das die Position der Einheitsregierung erheblich stärken – und umgekehrt.
Wichtig ist, dass sich die Libysche Zentralbank und die Libysche Erdölgesellschaft auf die Seite der Einheitsregierung geschlagen haben. Das hat zur Folge, dass Gelder, die nach Libyen fliessen, künftig der Einheitsregierung zugute kommen.
Die Pläne der Einheitsregierung
Der Chef der Einheitsregierung ist offenbar einer massiven westlichen Intervention in Libyen – so, wie sie damals gegen Ghadhafi stattfand - abgeneigt. Stattdessen scheint ihm ein langsames, vorsichtiges Vorgehen vorzuschweben. Sein Ziel ist es, die libyschen Kräfte unter einer Führung zu vereinen und so gegen den IS vorzugehen.
Die westlichen Verteidigungsminister hatten vorgesehen, dass eventuell französische, italienische, britische und vielleicht auch amerikanische Tuppeneinheiten in Libyen eingreifen könnten. Allerdings erst dann, wenn die Einheitsregierung in Tripolis legal eingesetzt ist und nach einer solchen ausländischen Truppenpräsenz verlangt.
Doch dieses Konzept scheint al-Sarradsch abzulehnen. Er will selbst das Szepter übernehmen und entscheiden, wie die Bemühungen um die Einheit Libyens geführt wird. Der Kampf gegen den IS soll dazu dienen, die unzähligen bewaffneten Gruppen und Milizen in Libyen und eine gemeinsame Führung zu bringen. Dies wird, wie al-Sarradsch einräumt, „lange dauern“.