Noch dauert es fast sieben Wochen, bis Wählerinnen und Wähler in Iowa anlässlich von lokalen Parteitreffen im kleinen Kreise („caucuses“) erstmals für einen republikanischen Bewerber um den Einzug ins Weisse Haus stimmen werden. Doch das hindert die einzelnen Kandidaten nicht daran, irgendwo im Lande, meist im Rahmen eines gesponserten Anlasses, vor die Fernsehkameras der Nation zu treten und für sich zu werben.
TV-Debatten sind willkommene Gratiswerbung, „Engros“-Politik, und weniger aufwändig als die „Detail“-Politik, bei der es gilt, Wähler um Wähler einzeln zu überzeugen. Noch sollen bis Ende März 2012 vierzehn weitere Debatten unter den republikanischen Möchte-gern-Präsidenten folgen – eine wahre Inflation. Vor der Wahl 2008 hatte die Republikanische Partei lediglich 19 Fernsehdebatten abgehalten, während sich die Demokraten mit 16 öffentlichen Gesprächsrunden begnügten.
"Die Realität" - der schlimmste Feind
Für die Fernsehstationen, vor allem die Nachrichtenkanäle unter ihnen, sind Debatten billiges Programmfutter. Sie erlauben ihnen auch, sich als Förderer des demokratischen Dialogs brüsten zu können, eines Dialogs, der sonst am knallhart auf Kommerz bedachten amerikanischen Fernsehen vom Aussterben bedroht ist.
Die jüngste Debatte, die am vergangenen Wochenende am Wofford College in Spartanburg (South Carolina) über die Bühne ging und welche die Fernsehgesellschaft CBS sponserte, war zum zweiten Mal dem Thema Aussenpolitik gewidmet. Erneut zeigte sich, was dem Fernsehsatiriker Jon Stewart zufolge der schlimmste Feind der republikanischen Präsidentschaftskandidaten ist: „die Realität“. Stewart verfolgt in seiner „Daily Show“ auf Comedy Central den Wahlkampf unter der Rubrik „Indecision 2012“ und lässt keine Gelegenheit aus, die Bewerberinnen und Bewerber auf eine Art zu entlarven, wie das die übrigen Medien kaum mehr wagen.
Feindbild Iran
Entweder wagen sie es nicht, weil sie, wie der Fernsehsender Fox News, die Republikaner fast fraglos unterstützen oder weil sie, wie Amerikas grosse Zeitungen, auf mitunter fast komische Art auf Fairness und Ausgeglichenheit fixiert sind. Über Kandidaten wie den egomanischen Donald Trump oder die publizitätssüchtige Sarah Palin haben sie noch als ernst zu nehmende Bewerber berichtet, nachdem Jon Stewart die beiden schon längst als „amtlich beglaubigte Verrückte“ karikiert hatte.
Wer ein richtiger Republikaner sein will, wirft dem Präsidenten vor, in der Aussenpolitik und hier vor allem bei der Wahrung amerikanischer Sicherheitsinteressen zu versagen. Mitt Romney, Umfragen zufolge der führende Kandidat, konnte sich zum Beispiel auf dem Podium in Spartanburg die Bemerkung nicht verkneifen, wer nächstes Jahr einen Demokraten wähle, stimme für einen Iran mit Atomwaffen. „Falls wir Barack Obama wieder wählen, wird der Iran eine Atombombe haben“, sagte der Ex-Gouverneur von Massachusetts: „Und wenn Sie Mitt Romney wählen, wird der Iran keine Atombombe haben,“
Wie seine Konkurrenten Rick Perry, Newt Gingrich, Herman Cain und Jon Huntsman befürwortet Mitt Romney einen militärischen Angriff auf die Islamische Republik, falls es keinen anderen Weg gibt, die Iraner zu stoppen. „Es gibt eine Anzahl gangbarer Wege, was den Iran betrifft, und einige Wege, die in die Irre führen. Die Regierung (Barack Obamas) hat alle gangbaren Wege verfehlt“, sagte Newt Gingrich während der Debatte: „Man muss alles unternehmen, was notwendig ist, um die nukleare Kapazität des Iran zu zerstören.“
Auslandshilfe auf Null
Der texanische Gouverneur Rick Perry fügte noch bei, dass er auch einen Luftangriff der Israelis auf iranische Atomanlagen unterstützen würde – wohl ein Indiz dafür, dass die Republikaner hoffen, bei der Wahl 2012 den Demokraten in einigen Staaten jüdische Wählerstimmen abjagen zu können, wie unlängst bei einer Zwischenwahl zum Kongress in New York City, wo es einem (christlichen) Republikaner überraschend gelang, einen (jüdischen) Demokraten zu besiegen. Das Argument des Wahlsiegers: Barack Obama lasse es an Überzeugung und Standhaftigkeit bei der Unterstützung Israels und dessen Sicherheit mangeln.
Wobei Rick Perry noch Terrain gut zu machen hatte: Er hatte in der vorletzten Fernsehdebatte gefordert, die USA sollten jedes Jahr die Beträge ihrer Auslandhilfe auf Null stellen, d.h. deren Auszahlung jeweils vom vorangehenden Wohlverhalten der Empfänger abhängig machen - auch im Falle Israels, das von Washington jährlich rund drei Milliarden Dollar Unterstützung bezieht. Der Vorschlag sorgte in Israel-nahen Kreisen für aufgeregte Proteste. Für weniger Empörung sorgte indes die Einschätzung des Gouverneurs, was die Zukunft Chinas betrifft: „Die kommunistische Regierung in Peking wird auf dem Scheiterhaufen der Geschichte enden, wenn sie ihr Benehmen nicht zum Positiven ändert.“
„Das Dümmste, was ich je gehört habe“
Die New York Times überliess es einem Brigadegeneral im Ruhestand, in einem Meinungsbeitrag die kriegerische Rhetorik der Republikaner punkto Iran zu zerpflücken. „Diese Argumente sind problematisch, weil sie die besten Ratschläge führender amerikanischer Sicherheitsexperten entweder schlicht ignorieren oder ausdrücklich zurückweisen“ schrieb General John H. Johns und zitierte den früheren Admiral und Kongressabgeordneten Joe Sestak.
Der Demokrat aus Pennsylvania habe vor zwei Monaten davor gewarnt, eine Militäraktion gegen den Iran, egal ob am Boden oder aus der Luft, würde die Folgen des Einmarsches in den Irak wie ein Kinderspiel aussehen lassen, was die Auswirkungen auf die Sicherheit der Vereinigten Staaten betreffe. General Johns erinnerte auch an die Einschätzung Meir Dagans, des früheren Chefs des israelischen Auslandgeheimdienstes Mossad, der festgestellt hat, ein Angriff auf den Iran würde in der Region einen Krieg auslösen und die Argumente für ein militärisches Eingreifen seien „das Dümmste, was ich je gehört habe“.
Als wäre die Bejahung eines Krieges mit dem Iran nicht Ausdruck patriotischer Gesinnung genug, entblödeten sich einzelne republikanische Kandidaten in South Carolina auch nicht, dem „waterboarding“ - einer Foltermethode, die das Ertrinken simuliert - das Wort zu reden. Herman Cain, der wegen sexueller Eskapaden ins Gerede gekommener Pizza-Unternehmer, und die sich ansonsten so christlich gebende Michele Bachmann verneinten ausdrücklich, dass „waterboarding“ von Gefangenen Folter sei, wenn es darum gehe, Informationen zu erhalten. Andere Kandidaten wie Mitt Romney oder Newt Gingrich äusserten sich zwar nicht zum Thema, was Kommentatoren aber als stillschweigende Zustimmung zu Folter interpretierten.
Zügelung chauvinistischer Instinkte empfohlen
Immerhin gingen zwei Republikaner, der Abgeordnete Ron Paul sowie der frühere Gouverneur und Diplomat Jon Huntsman Jr., auf dem Podium mit der Einschätzung ihres Parteikollegen John McCain einig, der seinerzeit als Kriegsgefangener in Vietnam gefoltert worden war. Auf Twitter schrieb McCain nach der „enttäuschenden“ Fernsehdebatte in Spartanburg: „Waterboarding ist Folter.“ Ron Paul bemerkte, die „verstärkte Verhörmethode“ sei ausserdem illegal, unmoralisch, unzivilisiert und nutzlos.
Indes argumentierte der Mormone Jon Huntsman, „waterboarding“ und andere Foltermethoden würden Amerikas Ansehen in der Welt gefährden: „Wir verlieren die Fähigkeit, Werte zu projizieren, von denen viele Leute weltweit noch immer annehmen, dass die Vereinigten Staaten für sie einstehen.“ Noch also leben die Vernunft und der gesunde Menschenverstand, obwohl die republikanischen Bewerber solchen Regungen während der bisherigen TV-Debatten nur wenig Platz eingeräumt haben. Oder wie General John H. Johns rät: „Kandidaten sollten ihre nationalistischen und chauvinistischen Impulse zügeln und ihre Weltsicht mit etwas Reflexion und rationalem Denken anreichern.“