Offizielle Stellen in Saudi-Arabien haben bekannt gegeben, dass 32 Schiiten, unter ihnen ein Afghane und ein Iraner, der Rest von ihnen Saudis, vor ein Sondergericht gestellt werden sollen. Sie seien angeklagt, als Spione für Iran gewirkt zu haben und Hochverrat gegenüber dem saudischen König verübt zu haben.
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Zu den Vorwürfen gehört auch, sie hätten die iranischen Geheimdienste kontaktiert und mit ihnen über verschlüsselte E-mails korrespondiert und dabei wichtige Geheimnisse militärischer Art verraten. Die Angeklagten hätten auch versucht, saudische Beamte zur Mitarbeit in ihrem Spionagering anzuwerben.
Ein anderer Anklagepunkt lautet, sie hätten verbotene Bücher besessen, die dazu geeignet seien, das Königreich zu schädigen. Vorgeworfen wird ihnen auch, die Unruhen zwischen 2011 und 2013 in den schiitischen Landesteilen gefördert zu haben. Ausserdem hätten sie versucht, die wirtschaftlichen Interessen Saudi-Arabiens zu schädigen, Glaubensauseinandersetzungen im Königreich anzuheizen und generell den Zusammenhalt des Königreiches zu zerstören.
Unklare Motive der Regierung
Die Mehrzahl der Angeklagten stammt aus al-Hasa, der grössten Provinz in den schiitischen Landesteilen. Dort befinden sich auch die wichtigsten Erdölvorkommen des Königreiches. Unter den Angeklagten sollen sich, wie die Agentur Reuter feststellte, ein älterer Universitätsprofessor, ein Kinderarzt, ein Bankier und zwei Geistliche befinden. Es handle sich, nach den Angaben ihrer Landsleute in der Schiitenprovinz, um unpolitische Personen, die bislang nicht durch öffentliches Auftreten in politischen Fragen aufgefallen seien. Alle Angeklagten wurden schon 2013 festgenommen. Doch dies ist das erste Mal, dass die saudischen Medien die Festnahmen erwähnen.
Darüber, warum die Angeschuldigten fast drei Jahre lang festgehalten wurden, ohne dass etwas darüber bekannt gemacht wurde, kann man nur spekulieren. Dass der Prozess nun angekündigt wurde, könnte mit der jüngsten Verschlechterung der ohnehin schon schlechten Beziehungen zu Iran zusammenhängen, die eintrat, nachdem im Januar dieses Jahres der schiitische Geistliche Nimr an-Nimr in Saudi Arabien hingerichtet wurde und es in Iran daraufhin zu einer Teilzerstörung der saudischen Botschaft in Teheran durch randalierende Massen kam - sowie zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden rivalisierenden Staaten.
Weitere Entfremdung der Schiiten
Man kann auch vermuten, dass es einige Zeit brauchte, um aus den Gefangenen oder einigen von ihnen die Geständnisse zu erpressen, die notwendig sind, um ihren Prozess und ihre zu erwartende "Überführung" zu begründen.
Schliesslich kann man auch den Thronwechsel von Januar 2015 zur Erklärung herbeiziehen. Der neue König Salman und seine engsten Mitarbeiter, darunter sein Sohn und zweiter Thronfolger Muhammed, zeichneten sich aus durch eine verschärfte Aussenpolitik in Bezug auf den Streit mit Iran und den mit diesem Streit zusammenhängenden Krieg in Yemen.
Zu befürchten ist jedenfalls, dass viele der Bewohner der schiitischen Südwestprovinz des Königreiches den angekündigten Prozess und seinen zu erwartenden Ausgang mit harten Strafen, möglicherweise Todesurteilen, als ein neues Zeichen dafür werten werden, dass ihre Minderheit besonders verfolgt und schwersten Diskriminierungen ausgesetzt sei. Zur Versöhnung der ohnehin entfremdeten Schiiten mit der Regierung wird dies schwerlich beitragen, vielmehr wird es zu einer Vertiefung der bestehenden Kluft führen und damit zu einer weiteren Belastung der ohnehin eher prekären inneren Stabilität Saudi-Arabiens.