Die Fakten sind auch hier schnell aufgezählt. Mit 80 Prozent Importen aus und 60 Prozent Exporten in die EU ist Euroland der grösste Handelspartner der Schweiz. Mit Abstand. Der Handel mit Gütern und Dienstleistungen hatte 2009 einen Umfang von 350 Milliarden Franken. Ein hübscher Brocken im Vergleich zum BIP (Bruttoinlandprodukt) der Eidgenossenschaft von knapp 500 Milliarden Franken im Jahre 2010. Sind also Zustände wie im 2. Weltkrieg zu befürchten, wenn in erster Linie der deutsche Steuerzahler nicht länger bereit ist, Multimilliarden in klinisch tote Staatshaushalte fremder Länder zu verlochen? Diesmal wäre es keine militärische, sondern eine wirtschaftliche Bedrohung, ängstigen sich manche. Also wieder die Insel Schweiz, in einem europäischen Meer von Pleitestaaten.
Anlass zur Panik?
Die Mehrheit der Wirtschaftskoryphäen hierzulande halten, wenn man ihre wolkigen Aussagen auf den Kern reduziert, die Prognose bereit: Wird schon nicht so schlimm werden; Augen zu und durch. Für ein Mal haben sie kurzfristig sogar recht. Was wir gerade hören, ist das Donnergrollen vor dem absehbaren Bankrott Griechenlands, gefolgt von Irland und Portugal. Aber das Spielchen, mit immer neuen Krediten Zeit zu kaufen, kann noch eine schöne Weile weitergehen, schliesslich sind die drei Pleitestaaten volkswirtschaftliche Leichtgewichte in der EU. Selbst ihr finanzieller Untergang wäre dem Rumpeln vergleichbar, das entstünde, wenn in der Schweiz Uri, Schwyz und Unterwalden pleite gehen würden. Womit wir das den eidgenössische Stammlanden natürlich nicht unterstellen wollen. Zudem, man kann das nicht oft genug wiederholen, muss jeder Besitzer einer Staatsanleihe dieses europäischen Trio Infernale nur auf das Kursblatt schauen, um sich im Klaren zu werden, dass er bereits heute die Hälfte seiner Investition abschreiben kann. Irgendwann, wenn es die Euro-Politiker nicht mehr länger verhindern können, wird Griechenland und Co. ordentlich saniert werden, begleitet von Ausrufen wie «endlich» oder «wurde ja auch Zeit».
Die Qual der Wahl
Eine Tatsache ist unbestreitbar: Der Euro war und ist eine Fehlkonstruktion und wird, da ist die Ökonomie gnadenlos, früher oder später im Orkus verschwinden. Früher ist leider eher unwahrscheinlich. Die Frage, was dabei mit der Schweizer Wirtschaft passieren könnte, nun, die ist im Moment etwa so sinnvoll wie die Erkundigung, ob man einen Flugzeugabsturz eher links oder eher rechts vom Mittelgang überlebt. Und wie die Chancen bei einer Notlandung stünden.
Wenn der Flugzeugabsturz das Bild für den schlimmstmöglichen Fall, also nicht nur Staatsbankrotte, sondern soziale Spannungen, bürgerkriegsähnliche Zustände, Unregierbarkeit, Abschaffung der Demokratie und ihr Ersatz durch starke Männer (oder Frauen) ist, dann sind die Auswirkungen auf die Schweiz schlichtweg nicht prognostizierbar. Wenn wir von einer Notlandung ausgehen, sieht es allerdings schon besser aus.
Real- und Blasenwirtschaft
Wenn eine Notlandung stattfindet, also die geordnete Abwicklung einiger Staatsbankrotte, die Rückkehr zu Nationalwährungen oder einer Kern-Eurozone, dann knattert es auch in der Schweiz kräftig, aber hauptsächlich an der Börse. Und wenn die Finanzblasenwirtschaft unserer Banken buchhalterisch nachvollziehen muss, was faktisch ja schon längst eingetreten ist, dann wird sich das Problem «too big to fail» wieder in aller Schärfe zeigen. Je nachdem, ob die Forderungen nach einer Zerschlagung der Grossbanken bzw. der Umwandlung in Holdingstrukturen und nach einem unverfälschten Eigenkapital von 19, besser 25 oder noch mehr Prozent durchgesetzt werden – oder nicht, hätte das bei einem Sieg der Bankenlobby gravierende Folgen, auch für die Realwirtschaft. Aber, und das ist die gute Nachricht, die Schweizer Betriebe, die wirklich etwas produzieren, sind bestens aufgestellt, kompetitiv, erfolgreich. KMUs bilden dabei das Rückgrat, und auch ein paar Grosskonzerne wie Nestlé und die versammelte Pharma-Industrie sind gut beieinander. Da würden einfach die Transportwege für Im- und Exporte länger. Und Frachtkosten sind heutzutage das kleinste Problem, wie man weiss.
Und noch die schlechte Nachricht
Nach einer Notlandung des Euro würde die Schweiz sicher besser dastehen als vorher. Inklusive des Teils der Finanzdienstleister, die sich auf seriöse Geldgeschäfte konzentrieren und nicht aufs Zocken im roten Bereich des Investmentbanking. Aber das ist leider eine schlechte Nachricht: Das wird die Begehrlichkeiten und den Neidfaktor des näheren Auslands durchaus stimulieren. Das wird sich in Form von Forderungen nach weiteren Zugeständnissen, vor allem natürlich finanzieller Art, äussern. Schliesslich ist die Schweiz ja beispielsweise Mitglied im IWF. Aber vielleicht fällt dessen Generaldirektor eine originelle Lösung all dieser Probleme ein. Genug Zeit und Musse hat er ja im Moment dafür.