Hallo, Herr Hope! Grüezi! So lässt sich Daniel Hope gern begrüssen. Vor allem von Kindern, die am frühen Morgen erwartungsfroh in einer Konzertprobe sitzen und sich auf Mozart freuen. Und auf Daniel Hope, den neuen musikalischen Leiter des Zürcher Kammerorchesters ZKO.
Denn Daniel Hope weiss, wie man mit Grossen und Kleinen umgeht. Wie man mit ihnen spricht, und wie man sie für die Musik begeistert.
Wie macht er das nur, fragt man sich, wenn man dann Daniel Hope (Bild: Harald Hoffmann) gegenübersitzt und ihm zuhört. Wie schafft er es, so viele Termine einzuhalten, zu proben, Konzerte zu geben und von einem Ort zum anderen zu reisen. Und wie bringt er es fertig, daneben auch noch regelmässig Radio-Sendungen zu moderieren, Kolumnen zu schreiben und das Zürcher Kammerorchester zu leiten, das seit einem Vierteljahr «sein» Orchester ist. Nun sitzt er da, locker-lässig-charmant, einen Capuccino vor sich, und er wirkt so gar nicht gestresst, schaut nicht auf die Uhr, sondern erzählt von sich und von der Musik.
Während er im Januar noch im warmen Kalifornien gastierte, musste er sich schon mal auf eisigere Zeiten in Zürich vorbereiten … «Art on Ice» heisst es Anfang Februar und Daniel Hope wird sich und seine Geige warm einpacken müssen, wenn er im Hallenstadion neben Schlittschuh-Stars wie Stéphane Lambiel oder Sarah Meier Glatteis betritt. Rückendeckung bekommt er auf jeden Fall vom Zürcher Kammerorchester mit dem er Vivaldis «Vier Jahreszeiten» spielt. Nicht im Original, sondern «recomposed» von Max Richter, der Vivaldi noch einmal nachkomponiert hat und zusammen mit Daniel Hope einen Klassik-Hit erster Güte damit lanciert hat. «In 22 Ländern war das die Nummer eins in den Klassik-Charts …», sagt Hope und strahlt.
Familiäre Beziehung
Momentan ist er noch neu in seiner Funktion beim ZKO, aber er sagt «wir», wenn er von seinem Orchester spricht. Zürich und die Schweiz sind ihm ohnehin seit früher Jugend vertraut, obwohl er ursprünglich aus Südafrika kommt. Aber wie so oft, spielte auch hier der Zufall eine wesentliche Rolle, denn die Familie zog nach London, als Daniel noch ein Kind war. Dort wurde seine Mutter Managerin von Yehudi Menuhin, und Daniel Hopes Lebensweg war fortan von Musik geprägt. Tatkräftig unterstützt von seinem Mentor Yehudi Menuhin. «Zwanzig Jahre lang haben wir jeden Sommer im Berner Oberland verbracht, und den Winter natürlich auch. Dort hat das Zürcher Kammerorchester unter seinem Gründer Edmond de Stoutz zusammen mit Menuhin unzählige Konzerte gegeben – und ich bin damit aufgewachsen!» Eine fast familiäre Beziehung habe er zu diesem Orchester. Keine Sekunde hat er folglich gezögert, als ihm die musikalische Leitung angeboten wurde.
Der Schritt erinnert ihn an die Zeit, als er 2002 dem legendären Beaux Arts Trio beigetreten ist. «Vorher hatte ich mit allen möglichen Partnern gespielt. Man trifft sich, arbeitet ein, zwei Tage zusammen und trennt sich wieder. Manchmal ist das ganz toll und manchmal denkt man, naja, man hätte länger proben müssen … Aber feste Partner zu haben und etwas aufbauen zu können, das ist das Schönste, was es gibt», schwärmt er von der Zusammenarbeit mit «seinem» Kammerorchester.
Vom Taifun beflügelt
«Seit dem Sommer haben wir schon rund 30 Konzerte gegeben und die erste CD-Produktion ist auch schon fertig», sagt er und man staunt über das Arbeitstempo, das Hope dem Kammerorchester vorgibt. «Ja, wir haben schon einiges durchgemacht …» sagt er lachend. «Nach einem Konzert in Seoul sind wir nachts nach Tongyeong gefahren und in einen schlimmen Taifun geraten … um vier Uhr morgens sind wir angekommen, niemand hat besonders gut geschlafen und um 11 Uhr hatten wir schon CD-Aufnahmen.»
Zu den Stücken, die – vom Taifun beflügelt – aufgenommen wurden, gehören auch Vivaldis «Vier Jahreszeiten». Im Original, nicht in der Bearbeitung durch Max Richter wie bei «Art on Ice». «Ich hätte nie gedacht, dass ich das noch einmal einspielen würde. Es gibt tausend Aufnahmen davon und ich habe mich echt gefragt, ob die Welt wirklich noch eine weitere braucht. Aber als ich mit dem ZKO gearbeitet habe, spürte ich, da passiert etwas, da entsteht etwas Spannendes. Die Zusammenarbeit hat eine ganz eigene Dynamik entfaltet und auch die Musiker wollten das aufnehmen. Es zeigt schon die Richtung, die wir nach kurzer Zeit – und nach dem Taifun! – eingeschlagen haben.»
Das ist aber nur der Anfang der Reise, die Daniel Hope vorschwebt. «Das Orchester will wieder raus in die Welt», sagt Hope. «Wir spielen gern in Zürich, wir wollen aber auch nach Asien und Amerika. 2018 gibt es Tourneen durch die USA und Europa. In Asien waren wir gerade. Südamerika steht auf dem Programm und auch Australien. Das Zürcher Kammerorchester soll sich international wieder so etablieren wie unter Edmond de Stoutz. Ich habe mit der ‚Deutschen Grammophon‘ vereinbart, dass wir regelmässig Aufnahmen machen. Mein persönliches Ziel ist es, die Arbeit meiner Vorgänger fortzusetzen. Jeder Dirigent hat dem Orchester etwas Spezifisches hinterlassen. Ich bin kein Dirigent, will es auch nicht sein, aber ich möchte einsammeln und pflegen, was in diesem Orchester vorhanden ist. Es soll ein Orchester sein, das so flexibel ist, dass es in jeder Gattung und in jeder Musikrichtung zuhause ist.»
Seit einem Jahr lebt Daniel Hope in Berlin. «Aber ein- bis zweimal pro Monat bin ich sicher drei Tage bis zu einer Woche in Zürich.» Dann will er auch teilhaben am Kulturleben, ins Theater gehen, in die Oper, ins Konzert. «Am liebsten laufe ich durch die Stadt. Als ich gestern an der Tonhalle ankam, gab es einen unglaublichen Sonnenuntergang, das musste ich gleich fotografieren. Ein paar Leute aus dem Publikum haben sich gewundert, dass ich eine halbe Stunde vor dem Konzert mit meinem Handy am See stehe … aber ich kann nicht genug kriegen von dieser Luft und dem Anblick …»
Raus aus der Sicherheitszone
Dass die Tonhalle wegen der Renovierungsarbeiten längere Zeit nicht zur Verfügung steht, ist für Daniel Hope kein Problem. «So kommen wir raus aus der Sicherheitszone und finden unser Publikum woanders.» Denn das ist ihm eindeutig ein Anliegen: ein neues Publikum anzusprechen, und dies ganz wörtlich. Daniel Hope moderiert seine Konzerte gleich selbst, da gibt es keine musikwissenschaftlichen Vorträge, sondern kurze, launige Informationen zu den Musikstücken. «Ich habe auch beim Kammerorchester eine neue Reihe angefangen, ‚Director’s Cut‘, in der ich ganz unterschiedliche Gesprächspartner einlade und dazu spielen wir passende Stücke. Zuletzt war es der Schweizer Autorennfahrer Marcel Fässler. Er kommt aus einer ganz anderen Welt und war noch nie in einem klassischen Konzert. Wir haben über Leistung, Geschwindigkeit und Rituale gesprochen und haben festgestellt, dass wir uns da sehr ähnlich sind …» Es sei ein sehr erfrischendes Gespräch gewesen, sagte Hope, und Fässler wolle wieder in ein Konzert kommen. Beim nächsten «Director’s Cut» treten zwei Musiker-Kollegen bei Daniel Hope an: der Flötist James Galway und Avi Avital, der so wunderbar Mandoline spielt, ein Instrument, das in der klassischen Musik weniger vertreten ist.
Offen und neugierig ist Daniel Hope auch, was sein Repertoire betrifft. Eine besondere Vorliebe für eine spezielle Musik hat er nicht. «Ich möchte nie entscheiden müssen zwischen Bach und Schostakowitsch zum Beispiel. Ich könnte ohne beide nicht leben. Aber ein Leben ohne Beethoven, ein Leben ohne Mozart, Schubert, Schumann oder Mendelssohn wäre mehr als ein Irrtum. Ich brauche sie alle. Und bei manchen Komponisten hat man jedes Mal das Gefühl, vor dem Mount Everest zu stehen, ganz besonders bei Mozart. Diese bedingungslose Liebe, die man spürt, das ist phantastisch. Oder die Trauer bei Schubert, die Energie bei Vivaldi … ich brauch’ sie alle!» Und Daniel Hope lacht selbst über die Euphorie, in die er da geraten ist.
Und man fragt sich: wie macht er das, so unter Strom zu bleiben und nicht auszubrennen …
Daniel Hope
1. Februar 2017
«Director’s Cut»
mit James Galway und Avi Avital
Zürich, ZKO-Haus
2.-5. Februar 2017
«Art on Ice»
Zürich Hallenstadion