Wenn einmal Trump durch einen „normalen“ amerikanischen Präsidenten abgelöst sein wird, also voraussichtlich im kommenden November, wird es im Verhältnis zu China keine Rückkehr zum „Vorher“ geben. Die Geopolitik hat sich grundlegend gewandelt. Unter ihrem zweiten „Grossen Vorsitzenden“ ist die Volksrepublik nicht nur selbstbewusster, sondern auch aggressiver geworden. Von der Unterdrückung der Minderheiten im Westen, über die totale Kontrolle seiner Bürger bis zur Einverleibung von Hongkong und des südchinesischen Meers wandelt sich das Reich der Mitte unter Xi zum „evil empire“ im Reagan’schen Sinne, was auch ein Präsident Biden so beurteilen wird.
Keine Gegenseitigkeit
Wirtschaftsverkehr mit China, dem zweitgrössten Markt und grössten Produktionsstandort der Welt erscheint unvermeidlich, krankt aber am grossen Übel der mangelnden Gegenseitigkeit. Ein offensichtliches Beispiel stellt 5G dar. Huawei will trotz Nabelschnur zur eigenen Regierung überall auf der Welt als unverdächtiger Zulieferer für Kommunikation, einem traditionell heiklen Gebiet, tätig werden. Umgekehrt denkt Beijing überhaupt nicht daran, Nokia und Ericsson gleiche Chancen bei der eigenen Übermittlungsinfrastruktur einzuräumen.
… auch auf der Seidenstrasse
Westliche Firmen sind von Beijing als Zulieferer eingeladen, Hochtechnologie im Rahmen internationaler BRI (Belt and Road Initiative, neue Seidenstrasse)-Projekte beizusteuern, nur um dann auf Drittmärkten von staatlich subventionierter Konkurrenz chinesischer Gesamtsysteme mit eben dieser Technologie bedrängt zu werden. Gute zwei Drittel aller Fälle von Knowhow-Diebstahl und wirtschaftlichem Nachrichtendienst, welche das amerikanische Justizministerium momentan verfolgt, haben ihren Ursprung in China. Viele westliche Unternehmer im Land der Mitte klagen über den mit Geschäften verbundenen Zwangstransfer von Knowhow.
Keine Lokomotive mehr
Dessen ungeachtet werden im Moment viele Marktbeobachter nicht müde, von einer erstaunlich raschen Erholung der chinesischen Wirtschaft zu berichten, mit entsprechend günstigen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und damit die weltweiten Märkte. Dies dürfte zu kurz greifen. Erstens steigen zwar die Produktionszahlen in China, nicht aber der entsprechende inländische Verbrauch. Vom Absatz in Chinas pandemiegeschädigten Auslandsmärkten ganz zu schweigen.
Chinas damals aufstrebende Wirtschaft kam in der Folge der Krise von 2007/8 eine gewisse Lokomotivrolle für die Weltwirtschaft zu. Dies ist nicht mehr der Fall, denn seine Wirtschaft ist gesättigt und drückt entsprechend in Drittmärkte. Dort aber, und dies ist der zweite Grund, stehen heute andere und mehr Hürden im Weg, speziell politischer Art. Huaweis Rausschmiss aus Grossbritannien dürften weitere in Europa folgen, sei es aus eigenen Sicherheitsüberlegungen oder auf amerikanischen Druck, der auch unter einer Präsidentschaft von Biden nicht nachlassen wird, im Gegenteil.
China überzieht
Chinas überzogene wirtschaftspolitische Reaktion auf Australiens Verurteilung des neuen Sicherheitsgesetzes in Hongkong, ebenso die Aggression gegen Indien im Himalaya haben nicht nur politische Folgen – die Verstärkung der Zusammenarbeit innerhalb der sogenannten Quad (USA, Japan, Australien, Indien) als antichinesisches Gegengewicht im Grossraum Asien-Pazifik – sondern auch negative Auswirkungen auf den gegenseitigen Wirtschaftsverkehr.
Bislang scheint Beijing davon auszugehen, dass westliche Gier nach Marktanteilen in China politische Bedenken und Hindernisse wie Boykotte verdränge. Letztlich vor die Wahl gestellt zwischen chinesischen und amerikanischen, ebenso generell westlichen Märkten, dürfte der Entscheid praktisch aller grossen privatwirtschaftlichen Unternehmen aber zugunsten letzterer ausfallen.
Risiko einpreisen
Wer am chinesischen Markt oder auch dessen Wertpapieren interessiert ist, wird gut daran tun, sich an die politische Konfrontation zwischen China und einem guten Rest der Welt, nicht nur den USA, zu gewöhnen. Das entsprechende politische Risiko ist gestiegen.