Noch hat Hillary Clinton nicht unmissverständlich erklärt, 2016 als erste Präsidentin der Vereinigten Staaten kandidieren zu wollen. Neusten Berichten zufolge soll die Ankündigung im April erfolgen – oder auch nicht. „La Clinton“ war noch nie eine Freundin grosser Transparenz und pflegt eher unwirsch zu reagieren, wenn die Medien mehr Offenheit einfordern.
Zum Beispiel in jenen Fällen, in denen ausländische Staaten, allen voran Saudi-Arabien, der Clinton Foundation namhafte Summen vermachen, Spenden, deren Umfang während Hillary Clintons Amtszeit als Aussenministerin begrenzt war. Derweil hat es Gatte Bill, wie seit „Monica-Gate“ bekannt, mit der Wahrheit auch nicht immer so genau genommen. „Ich hatte keine sexuellen Beziehungen mit dieser Frau“, bekräftigte Amerikas 42. Präsident im Januar 1998 an einer Pressekonferenz.
Hauch eines Hofstaats
Die Clintons umgibt heute zunehmend der Hauch eines Hofstaats, dessen Lakaien alles unternehmen, um die Fürstenfamilie, inklusive Kronprinzessin Chelsea, vor Normalsterblichen abzuschirmen – es sei denn, solche Kontakte seien sorgfältig inszeniert – und gut bezahlt. Geld kann Hillary Clinton jedenfalls brauchen: Der „Washington Post“ zufolge wird ihr Präsidentschaftswahlkampf mehr als eine Milliarde Dollar kosten, eine Summe, die einzutreiben den Demokraten schwerer fallen dürfte als ihren politischen Gegnern.
Republikanische Kandidaten können nämlich wie jüngst bei den Zwischenwahlen zum Kongress auf Milliarden schwere Gönner zählen, die Clintons Einzug ins Weisse Haus um jeden Preis vermeiden wollen. „Die ersten 100 Millionen Dollar sind jeweils leicht“, sagt ein erfahrener demokratischer Wahlkämpfer: „Die nächste Milliarde zu sammeln, ist schon problematischer. Das braucht eine wirklich gute Organisation, auf Orts- und Staatsebene. Das ist harte Arbeit.“
42 Mails pro Tag - die Hälfte gelöscht
Dass Hillary Clintons Wahlkampfmaschine noch nicht auf vollen Touren läuft, hat vor kurzem die Affäre um die Emails während ihrer Zeit im State Department gezeigt. Sie hatte für ihre Kommunikation kein offizielles Konto des Aussenministeriums verwendet, sondern ein privates, dessen Server sich im Keller ihres Hauses in Chappaqua (New York) befindet.
Eigenen Angaben zufolge empfing und verschickte sie als Aussenministerin rund 62 000 Mails – im Schnitt 42 pro Tag. Davon habe sie etwa die Hälfte gelöscht, d.h. jene Post, die nicht ihre Amtsgeschäfte, sondern ihr Privatleben betraf wie zum Beispiel ihre Yoga-Stunden, die Hochzeit ihrer Tochter oder die Beerdigung ihrer Mutter.
Nicht überzeugte Skeptiker
Die andere Hälfte habe sie, wie es sich gehört, der Regierung Obama zur Archivierung überlassen. Sie habe sich, sagte Hillary Clinton anlässlich einer Pressekonferenz, nicht mit einem zweiten Computer herumschlagen wollen: „Ich dachte, es sei einfacher, nur ein Gerät für meine Arbeit und meine persönlichen Mails mit herumzutragen…“ Indes bemerkte eine Journalistin der „Post“ bezüglich der 32 000 gelöschten Mails ironisch, sie könne sich nicht vorstellen, dass Chelseas Hochzeit lediglich mit 42 Mails zu erledigen gewesen sei.
Auf jeden Fall reichten Clintons Erklärungen nicht aus, um die Skeptiker unter den Medienvertretern in Washington DC zu überzeugen – vor allem nicht, was deren Fragen nach Sicherheit und Geheimhaltung der amtlichen Kommunikation des State Department betrafen. Solche Erwägungen waren für einen Kolumnisten der „New York Times“ jedoch nebensächlich.
"Nostalgie gewinnt keine Wahlen"
„Das wirkliche Problem dieser Pressekonferenz war nicht etwas Einzelnes, was sie sagte oder nicht sagte, irgend ein besonderer Tonfall oder irgend eine auffällige Körpersprache“, schrieb Frank Bruni: „Es war, was einem in den Sinn kam, als sie erneut vor den Kameras stand, erneut im Kreuzfeuer der Kritik, erneut verschnupft ob der Weigerung der Amerikaner, einzusehen und einfach zu vertrauen, wie wohlmeinend und tugendhaft sie ist und am Ende nur Gutes für ihr Land will.“
Hillary Clintons Pressekonferenz, so Bruni, habe sich lediglich um Vergangenes gedreht: „Bei Wahlen aber geht es um das Morgen. Ja, das ist ein Klischee, es ist aber auch die unwiderlegbare politische Wahrheit.“ Die Kandidatin-in-spe müsse jetzt die Wähler überzeugen, die sie seit dem Mesozoikum kennen würden und so viele politische Melodramen mit ihr erlebt hätten, dass eine Stimme für sie ein Neuanfang und ein Schritt vorwärts wäre: „Nostalgie gewinnt keine Wahlen. Das Versprechen von Lösungen und besseren Zeiten tut es.“
Alte Affären
Und plötzlich erwähnten die Medien wieder all jene Affären, die Hillary Clinton längst hinter sich geglaubt hatte. Whitewater zum Beispiel, ein umstrittenes Immobilienprojekt einst in Arkansas, als sie bekräftigte, die von der Justiz eingeforderten Rechnungen ihrer Anwaltskanzlei seien unauffindbar (sie tauchten zwei Jahre später im Weissen Haus wieder auf). Oder nach Bill Clintons Wahl die Bemühungen der First Lady um eine Gesundheitsreform, als sie sich weigerte, die Namen ihrer Berater zu veröffentlichen. Und jüngst Benghazi, wo libysche Terroristen die US-Vertretung angriffen und das Aussenministerium danach Ermittlern des Kongresses nicht alle internen Emails zum Vorgang zugänglich machte – ein Umstand, aus dem die Republikaner der Regierung Obama unermüdlich, aber chancenlos einen Strick zu drehen suchten: „Libya-Gate!“
Als eher ungeschickt taxierten Kommentatoren sodann den Umstand, dass Hillary Clinton ihre Pressekonferenz in Sachen Emails ausgerechnet vor einem Wandteppich von Pablo Picassos „Guernica“ im Uno-Gebäude in New York abhielt. Ihre Berater, hiess es, hätten wissen müssen, dass Emails und eine Anklage gegen Krieg und Gewalt optisch nicht eben harmonieren und ein Sujet wie die Zerstörung einer baskischen Stadt durch Kampfbomber der deutschen Legion Condor eher vom Thema ablenken würden.
Bei 50 Prozent beliebt
Noch ist Amerika nicht Clinton-müde. Entweder man mag sie oder man mag sie nicht. Daran wird sich bis zum 8. November 2016 kaum viel ändern. Politologen aber warnen davor, Hillary Clintons Sieg bereits als sicher zu betrachten – demografischen Entwicklungen zum Trotz, welche heute die Demokraten begünstigen. Einerseits wächst die Zahl der Jungwähler im Lande, anderseits nimmt der Anteil von Angehörigen einer Minderheit in der Bevölkerung zu. Erfreute sich Clinton als Aussenministerin noch einer Zustimmungsrate von rund 65 Prozent, so ist ihre Beliebtheit inzwischen auf unter 50 Prozent gefallen - ein für Präsidentschaftskandidaten übliches Niveau.
“Mrs. Clinton wird aber kein demokratischer Eisenhower sein, eine erfahrene Staatsperson, die einen leichten Sieg einfährt“, schätzt „New York Times“-Blogger Nate Cohn: „Ihre Beliebtheit ist in den vergangenen zwei Jahren spürbar gesunken. Ihre Unterstützung könnte noch weiter schwinden, sobald der Wahlkampf im Gange ist, oder sie kommt erneut unter scharfe Beobachtung, sei es wegen Spenden aus dem Ausland für die Clinton-Stiftung, wegen ihrer privaten Mails oder etwas Neuem.“
Die Medien - ihr grösster Gegner
Würde heute gewählt, Hillary Clinton würde einen republikanischen Kandidaten wie Jeb Bush, den früheren Gouverneur von Florida, deutlich schlagen, von minder profilierten Konkurrenten gar nicht zu reden. Noch aber bleiben fast 20 Monate bis zur „Decision 2016“ – in der Politik eine Ewigkeit. „Washington Post“-Kolumnist Richard Cohen rät Clinton, sich einen demokratischen Konkurrenten zuzulegen – und sei es nur, um die Medien von sich abzulenken, die derzeit, so heisst es in Washington DC, ihr grösster Gegner sind.