Der US-Dollar ist die dominante Weltwährung. Mit seiner neuen digitalen Staatswährung E-Yuan fordert China die USA heraus und will damit das faktische Währungsmonopol des US-Dollars in Frage stellen.
Überholt der chinesische Yuan den US-Dollar als Weltwährung? Diese Frage ist berechtigt, denn wer die besten Karten beim weltweiten Handel hat, dessen Währung setzt sich längerfristig durch. Dazu zählen nicht nur eindrückliche Wirtschaftszahlen, sondern in Zukunft auch das beste und technologisch fortschrittlichste Währungs- und Zahlungssystem.
China ist nicht länger ein Entwicklungsland
Seit dem Beitritt zur WTO vor zwanzig Jahren ist die Wirtschaft Chinas von einem Entwicklungsland zur weltweit zweitgrössten Wirtschaft gewachsen. Das Bruttoinlandprodukt von China betrug 2020 fast 15’000 Milliarden USD. Nach den USA mit einem BIP von 21’000 Milliarden USD belegt China im Ranking der Länder den zweiten Platz. Das Land gilt trotz seiner Wirtschaftsstärke weiterhin als eines der 152 Entwicklungsländer der Welt; es geniesst im Rahmen der WTO eine «Differenzierte Sonderbehandlung». Diese Privilegierung Chinas ist heute unverständlich und nicht mehr gerechtfertigt.
China führt den E-Yuan ein
Seit 2014 trifft China Abklärungen für die Lancierung der digitalen staatlichen Währung E-Yuan. Weitere sechzig Staaten arbeiten an eigenen staatlichen digitalen Währungen. Grund sind die zahlreichen privaten Kryptowährungen wie etwa Bitcoin, die das Währungsmonopol der Zentralbanken unterspülen.
2021 hat China den E-Yuan für die eigene Bevölkerung in einzelnen Städten bereits erfolgreich getestet.
China macht Nägel mit Köpfen
Nicht weniger als 261 Millionen Privatpersonen, etwa ein Fünftel der Bevölkerung Chinas, haben auf ihren Smartphones Apps für den E-Yuan eingerichtet und Transaktionen im Gegenwert von CHF 13 Milliarden abgewickelt. Zudem wurde der digitale Yuan bis Ende Dezember 2021 bereits von mehr als 8 Millionen chinesischen Händlern verwendet für Transaktionen im Gegenwert von über CHF 12 Milliarden.
Die olympischen Winterspiele in Beijing geben der chinesischen Zentralbank Gelegenheit, den E-Yuan einem internationalen Publikum vorzustellen. Teilnehmer können eine App herunterladen oder mit einer physischen Karte oder via Armband in Läden mit dem digitalen Yuan Käufe tätigen. Ausländische Banknoten können im Olympiadorf über Bankomat-ähnliche Einrichtungen in den digitalen E-Yuan gewechselt werden, dies gemäss Ankündigungen von Chinas Zentralbank, der People's Bank of China (PBOC). Erwerber des E-Yuan werden direkte Gläubiger des chinesischen Staates.
Diese Marketingübung während der Olympiade wird kaum ein grosser Erfolg werden. Corona, politische und diplomatische Proteste werden die Besucherzahlen tiefer halten als erwartet. Ob der Werbecoup gelingt, ist jedoch mittelfristig kaum von Bedeutung für die weitere Entwicklung der chinesischen Digitalwährung.
Alipay von Alibaba und WeChat von Tencent sind bereits ausgeklügelte Zahlungssysteme, die weltweit angewendet werden und nun auch für den E-Yuan eingesetzt werden. China gelang es, die Phase der Kredit- und Debitkarten zu überspringen und direkt ausgereifte technologische Systeme für das Smartphone zu entwickeln.
Die digitale Staatswährung Chinas ist keine Kryptowährung
Chinas Zentralbank behauptet, der digitale Yuan bedeute «in keiner Weise die Einführung einer Kryptowährung». Es gehe der chinesischen Zentralbank viel mehr darum, sich von den privaten Kryptowährungen wie Bitcoin abzugrenzen. Im Gegensatz zu Bitcoin verfügt der E-Yuan nicht über eine dezentralisierte Struktur. Er basiert nicht auf Blockchain.
Herstellung und Handel mit Kryptowährungen sind in China seit 2019 verboten. Die PBOC betrachtet Bitcoin und ähnliche Konstrukte als hochgradig volatil, spekulativ und ohne inneren Wert. Sie seien bestens geeignete Instrumente, um Gelder zu waschen, was zu verhindern sei.
Im Gegensatz zu privaten Kryptowährungen ist der E-Yuan eine digitale Staatswährung, die als gesetzliches Zahlungsmittel diene und die gleiche Funktion habe wie Bargeld, also Banknoten und Münzen.
Zielsetzung der chinesischen Währungsinitiative
Gemäss der Studie einer Arbeitsgruppe für die Entwicklung des E-Yuan strebt China drei Ziele an:
- Das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach digitalem Staatsgeld soll befriedigt werden.
- Fairer Wettbewerb sowie Effizienz und Sicherheit des Zahlungsverkehrs sollen gewährleistet werden.
- Die diversen Initiativen zur Verbesserung des internationalen und damit grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs sollen unterstützt werden.
Vorsichtige westliche Zentralbanken
Westliche Zentralbanken zaudern zurzeit noch immer, eigene staatliche digitale Währungen der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Im Zentrum stehen folgende Überlegungen:
- Einige Zentralbanken zögern, den Haushalten und Geschäften eine digitale staatliche Währung direkt zur Verfügung zu stellen, weil das private Bankensystem dadurch geschwächt werden könnte. Digitales Staatsgeld könnte Spareinlagen bei privaten Banken verdrängen und damit die Basis für das private Kreditgeschäft gefährden. China macht sich darüber keine Gedanken, denn alle Banken sind fest in der Hand des Politsystems, auch wenn sie untereinander in Konkurrenz stehen.
- Konten bei der Zentralbank könnten staatlich überwacht werden und damit die Privatsphäre der Bürger gefährden. Darüber macht sich die chinesische Notenbank keine Sorgen.
- Die EZB erwägt, ob der E-Euro pro Person betragsmässig und auf gewisse Gebiete limitiert werden soll. China probt mit kleinen Beträgen, es wird seine Politik wohl weiter verfeinern.
- Bleiben Sicherheit des monetären Systems und finanzielle Stabilität nach Einführung einer digitalen staatlichen Währung bestehen, wenn diese der gesamten Bevölkerung zur Verfügung gestellt wird? Oder soll die digitale Währung auf das Bankensystem beschränkt werden? China stellt den E-Yuan Privatpersonen und der gesamten Wirtschaft zur Verfügung. Offenbar sieht China die Stabilität des Währungssystems dadurch nicht gefährdet.
Das private weltweite Währungsprojekt Libra hat zu hoch gepokert
Facebook ist mit seinem privaten Währungs- und Zahlungssystem Libra vom US-Kongress ausgebremst worden. Zu Beginn schien alles perfekt durchdacht zu sein:
Beste Technologie; Unabhängigkeit vom Gründer Facebook (heute Meta); ein weltumspannendes Währungskonzept auch für die eine Milliarde Menschen auf dieser Erde, die kein Bankkonto haben; kostenfreie Zahlungen zwischen Privatpersonen; Inclusion (niemand soll ausgegrenzt werden); Sicherstellung der Privatsphäre; Sitz im internationalen Genf.
Facebook hat die Rechnung ohne den US-Kongress gemacht. David Marcus von Libra und Marc Zuckerberg von Facebook wurden 2019 vorgeladen, bei den Hearings wurden die beiden regelrecht gegrillt:
Die weltweit führende Stellung des US-Dollars werde gefährdet, es handle sich um das Projekt einer Krypto-Mafia, Libra würde kriminelle Drogengangs geradezu fördern, es sei unverständlich, dass sich der Sitz von Libra nicht in den USA, sondern in der Schweiz befinde; Facebook umgehe US-Behörden bewusst. Viele Mitglieder des Kongresses glaubten Facebook kein Wort. Der bewusst liederliche Datenschutz des Weltkonzerns und wiederholte Missbrauchsfälle haben Wirkung gezeigt.
Das FED und der digitale US-Dollar
Mitte Januar 2022 hat sich FED-Chef Jerome Powell zu einem möglichen digitalen US-Dollar zurückhaltend geäussert. Die Zustimmung der US-Regierung und ein «Ermächtigungsgesetz» des US-Kongresses müssten vorliegen, bevor das FED den digitalen Dollar umsetzen würde.
Die Zurückhaltung der US-Notenbank ist angesichts der strukturellen Folgen für das Bankensystem nachvollziehbar. Die Vermittlungsfunktion privater Banken soll gemäss Powell nicht gefährdet werden. Im Grundsatzpapier des FED werden die Vorteile eines digitalen US-Dollars für Haushalte und Geschäfte betont. Sicherheit des monetären Systems und finanzielle Stabilität müssten aber gewahrt bleiben, ebenso die Privatsphäre der Bürger und die Fähigkeit zur Bekämpfung verbotener Transaktionen.
Der US-Dollar muss sich an zwei Fronten wehren:
- Kryptowährungen unterlaufen die Monopolstellung des Dollars.
- Der E-Yuan könnte dem US-Dollar den Rang ablaufen.
Es bleibt abzuwarten, wer sich durchsetzt.