(Update: Ein Geretteter aus Bangladesh erklärte in der Nacht zum Montag, an Bord hätten sich 950 Menschen befunden. Entgegen ersten italienischen Angaben sagte der Mann, der Kutter sei östlich der libyschen Hauptstadt Tripolis gestartet. Viele der Insassen, die für die Flucht nur wenig bezahlten konnten, seien unter Deck von den Schleppern eingesperrt worden. Als sich das portugiesische Containerschiff "King Jakob" dem Boot näherte, hätten sich dramatische Szenen abgespielt: Die meisten Flüchtlinge hätten sich auf eine Seite des Schiffs begeben, wodurch es gekentert sei.)
Ein Flüchtlingsboot mit über 700 Menschen an Bord ist in der Nacht zum Sonntag 130 Kilometer nördlich der libyschen Küste gekentert. Bisher wurden 28 Überlebende und 24 Tote geborgen. Das Uno-Hochkommissariat für das Flüchtlingswesen (Unhcr) spricht von einer „Hekatombe ohne gleichen“.
Das Unglück ereignete sich um Mitternacht. Das 30 Meter lange Flüchtlingsboot war offenbar in Ägypten gestartet und 71 Seemeilen nördlich von Libyen in Seenot geraten und gekippt. Kurz vor dem Kentern hat die italienische Küstenwache einen Notruf erhalten.
Das portugiesische Containerschiff „King Jakob“ war als erstes am Unglücksort. Unter den Überlebenden befindet sich ein Eritreer.
Inzwischen suchen zahlreiche weitere Boote, Helikopter und Kleinflugzeuge nach Überlebenden – offenbar ohne Erfolg. Allein die italienische Küstenwache hat 17 Boote eingesetzt.
Das jetzige Drama übertrifft die bisher schlimmste Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer, die sich am 3. Juni 2013 ereignete. Damals starben 366 Menschen.
Die Überlebenden und geborgenen Toten sollen entweder nach La Valletta auf Malta oder in die die sizilianischen Häfen Augusta (bei Sirakus) oder Pozzallo (Ragusa) gebracht werden.
Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi hat alle Termine abgesagt und mehrere Minister zu einem Krisentreffen aufgeboten. Frankreichs Präsident François Hollande forderte die EU auf, „endlich ohne zu Zögern zu handeln“. Federica Mogherini, die Aussenbeauftragte der EU erklärt, dass am Montag die EU-Vertreter sich zu einer Krisensitzung treffen. Auch Papst Franziskus rief während des „Angelus“ die EU auf, Massnahmen zu ergreifen. "Sie fliehen vor Kriegen und Armut und suchen das Glück", sagte der Papst.
Matteo Salvini, der Chef fremdenfeindlichen rechtspopulistischen Lega Nord, forderte einmal mehr, eine internationale Schiffsblockade vor der libyschen Küste. So sollen Flüchtlingsboote gehindert werden, in den Kanal von Sizilien zu gelangen. Das jetzige Drama sei eine „angekündigte Tragödie“. Für weitere Tote machte er Renzi und „falsche Gutmenschen“ verantwortlich.
(J21)