Die Auslastung, so heisst es, betrage bei den verkauften Vorstellungen 91 Prozent, daneben gab es 43 Gratisvorstellungen rings um die grossen Konzerte. Das Budget betrug dieses Jahr 24 Millionen Franken und dies mit einer Eigenfinanzierung von 95 Prozent.
Auf die Bühne, was Rang und Namen hat
Michael Haefliger, der das Lucerne Festival seit 1999 leitet, kann mehr als zufrieden sein. Zumal er gleich noch seinen Vertrag um weitere fünf Jahre, das heisst, bis 2025, verlängert hat.
Aber eigentlich geht es beim Lucerne Festival weniger um Zahlen als um Noten, um Künstler, um Orchester, Dirigenten und Solisten. Und auch hier konnte Michael Haefliger alles, was Rang und Namen hat, auf die Bühne bitten. Beim Lucerne Festival Orchestra ist nach dem Tod Claudio Abbados der Wechsel in die neue Ära unter Riccardo Chailly gelungen und die Academy hat sich nach dem Tod von Pierre Boulez unter seinen neuen Leitern Wolfgang Rihm und Matthias Pintscher erfolgreich weiterentwickelt.
Rückschau auf Monteverdi ...
Zu den ganz grossen Höhepunkten gehörte sicher der Monteverdi-Zyklus von Sir John Eliot Gardiner. «Orfeo», «Il Ritorno d’Ulisse in Patria» und «L’Incoronazione di Poppea» innerhalb von vier Tagen. So viel Monteverdi aufs Mal, das gibt es selten. Und die Rückschau in die Anfangsjahre der Oper vor rund 450 Jahren war verblüffend: diese Musik war schon damals mitreissend und zutiefst berührend – und sie ist es auch heute noch.
Oder Philippe Jordan, der noch immer junge Schweizer Dirigent, der in Paris zwei Opernhäuser unter seiner musikalischen Leitung hat und bald an der Wiener Staatsoper Musikdirektor wird. Nach Luzern kam er mit seinem Pariser Opernorchester und spielte Französisches, natürlich mit französischer Eleganz.
… und Vorschau auf Holliger und Cage
Gegen den Schluss zu gab es aber am Lucerne Festival auch zwei Konzerte im kleinen Rahmen, dafür mit Zukunftspotenzial. Auch sie waren übrigens im Handumdrehen ausverkauft. Unter dem Titel «Das kleine Irgendwas» spielte eine ganz Grosse unter den Solisten für die ganz Kleinen unter den Zuschauern. Patricia Kopatchinskaja, «artiste étoile», in diesem Jahr präsentierte Kindern ab vier Jahren ein Konzert mit Stücken aus dem Barock, aber vor allem auch Zeitgenössisches von Heinz Holliger und John Cage.
Buntes Publikum
Ganz brav sitzen sie da auf ihren Kissen. Die Haare werden von Mama schnell noch mal gekämmt und die neuen Schuhe mit Blinklicht an den Sohlen stolz vorgeführt. Manche Kinder sind auch im Gesicht bunt angemalt, die eine trägt ein Glitzerjäckchen, der andere hat den Nuggi noch dabei. Teddybär und Stofftier dürfen auch nicht fehlen. Wahrlich ein buntes Publikum. Patricia Kopatchinskaja weiss genau, wie sie die künftigen Konzertbesucher ansprechen muss: ernsthaft, im Dialog und mit kleinen Geschenken, die sie so nebenher aus der Tasche hervorzaubert.
Bei den Tierstimmen, die sie auf der Geige spielt, darf mitgeraten werden. Aber dann wird’s ernst: Für 50 Franken, erzählt Kopatchinskaja den Kindern, habe sie ein Notenblatt von John Cage gekauft und hält es hoch. Nur: da sind keine Noten drauf, sondern ziemlich schräge Striche, Punkte, Linien … Die Kinder staunen. Und mit viel Akrobatik setzt Kopatchinskaja mit ihrer Geige, begleitet vom Cembalo, das Stück Papier in Töne um. Aber sie quietscht auch mit der Stimme, klopft und springt umher.
Die Kinder sind begeistert. Ebenso von Heinz Holligers Klängen. Dabei ist dies ja nicht das, was Erwachsene als Musik für Kinder ansehen würden. Aber Heinz Holliger hat hier eine kleine Geschichte vertont, die sich Patricia Kopatchinskajas Tochter Alice ausgedacht und aufgezeichnet hat. Dieses «kleine Irgendwas» ist laut Kopatchinskaja, ein «pelziges blaues Ding», das Heinz Holliger zu seiner Komposition inspiriert hat. Und die Kinder? Die spitzen die Ohren, lassen sich in die Fantasiewelt aus Tönen entführen, bekommen glänzende Augen und gehen, wenn sie gross sind, bestimmt wieder mal in ein Konzert.
Oder vielleicht schon beim nächsten Lucerne Festival …?