Brennendes Rot, blendendes Weiss, ein Blau an der Grenze zur Dunkelheit, sonnenheisses Gelb, kühles Grün: Mit diesen Farben in flächigen Formen auf grossen Bildern bannt und begeistert Josef Gnädinger den Betrachter. Die augenfestliche Ouvertüre zur Ausstellung im Museum zu Allerheiligen Schaffhausen stimmt ein auf die künstlerisch interpretierten Gegensatzwelten des Dorfes Ramsen im Nordostzipfel Schaffhausens und der Kleinstadt Bombouaka im nördlichen Togo.
Chronologische Ordnung
In Ramsen wurde Gnädinger 1919 geboren. Er arbeitete auf dem elterlichen Bauernhof, fand über die Künstler Albin Schweri und Hermann Knecht autodidaktisch zum Malen und Zeichnen, war von 1965 bis 1982 Entwicklungshelfer in Togo und lebte hernach bis zu seinem Tod im Jahr 2000 wieder in Ramsen, ganz dem künstlerischen Schaffen hingegeben.
Die von Hortensia von Roda, Matthias Fischer und Isabelle Köpfli im Zusammenwirken mit der Joseph-Gnädinger-Stiftung - - ja mit "ph" - und der Sturzenegger-Stiftung eingerichtete Ausstellung folgt der Biografie und zeigt die Bilder, Zeichnungen und Holzschnitte in den drei Gruppen "Frühwerk", "Jahre in Togo" und "Spätwerk".
Vollendung in der Einfachheit
Gnädinger war vom Expressionismus beeinflusst, pflegte aber einen ungebundenen Stil. Aufschlussreich ist der Vergleich der frühen mit den späten, nach dem Aufenthalt in Afrika entstandenen Werke. Erfasste Gnädinger anfänglich sein engeres Umfeld mit einer realistischen Genauigkeit, wagte er in seiner letzten Phase die farbensprühende Reduktion aufs Wesentliche. (Bild links: "Der Marabu und Dorfchef", 1974, Öl auf Leinwand, 166 x 100 cm, Privatbesitz, Foto Jürg Fausch)
Diese Befreiung und die eigenwillige Ausprägung gelangen in Togo. Neben dem - oder aus dem - Einsatz für die Ärmsten der Armen schöpfte Gnädinger die Kraft für eine umfangreiche künstlerische Arbeit. Sie war verbunden mit dem sozialen Engagement. Gnädinger verlieh den Menschen und ihrem Lebensraum die Würde. Er schuf ohne jede Romantisierung mit Respekt und Sensibilität das Bild eines Stolz ausstrahlenden Afrikas.
Begabung und Berufung
Der Untertitel der Ausstellung heisst "Bauer und Maler", welches Begriffspaar der Katalog richtigerweise problematisiert. Denn es ist in zweierlei Hinsicht falsch. Wenn schon, dann war Gnädinger nicht nur Bauer und Maler, sondern auch Entwicklungshelfer und Maler und nach der Rückkehr ins heimatliche Dorf ausschliesslich Maler.
"Bauer und Maler" ist überdies irreführend, weil die Vorstellung geweckt wird, Gnädinger habe sich vom Feld oder aus dem Stall kommend vor die Staffelei gesetzt, um dilettierend die kreative Ablenkung zu geniessen. Wann und im welchem Gwändli auch immer Gnädinger malte, zeichnete oder in Holz schnitt, war er Künstler, und zwar aus Begabung und Berufung.
Die Ausstellung liefert den Beweis. Das Kuratorenteam erlag bei der Auswahl aus dem immensen Nachlass allerdings der Versuchung, zu viel des Guten tun zu wollen und hängte die Werke dicht an dicht. Gerade in den eher engen Räumen wäre aus Gnädingers Mut zur Reduktion aufs Wesentliche das plausiblere Konzept abzuleiten gewesen. Der Einwand ändert nichts am Fazit, grosser Kunst aus kleinen Welten zu begegnen.
Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, bis 8. März 2015, mit einem informativen und reich illustrierten Katalog, www.allerheiligen.ch