Der Übergang vom Euro zu Nationalwährungen wird wohl von einigen Staatsbankrotten begleitet sein. Davor muss man keine Angst haben, das ist völlig normal. Wie Kenneth Rogoff in seinem Standardwerk (1) nachweist, begleitet das die Geschichte moderner Nationalstaaten seit ihren Anfängen.
Und wenn man weltweit die Staaten untersucht, die seit 1800 zusammen rund 80 Prozent des Bruttosozialprodukts der Welt herstellen, dann gibt es nur ganz wenige, die nicht mindestens ein Mal pleite gegangen sind. Entscheidend ist bloss, ob es sich um einen ungeordneten oder zumindest vorbereiteten Bankrott handelt.
Zum Beispiel Griechenland
Dieser Staat hat in Europa nicht nur die längste Erfahrung mit Staatsbankrotten, er steht dem kommenden auch am nächsten. Genauer: Griechenland ist ja pleite, es kann seinen Zahlungsverpflichtungen nur dank der sinnlosen Nothilfe der EU nachkommen.
Je schneller der Staatsbankrott erklärt wird, desto besser für das gequälte Land. Natürlich wäre das mit dem sofortigen Austritt aus dem Euro verbunden. Aber das wäre doch, bei Zeus, der Hades für die Hellenen. Unmöglich, undenkbar, undurchführbar. Aber nein.
Freitag ist ein guter Tag
Ein geordneter Staatsbankrott mit Währungswechsel wird am besten an einem Freitagabend beschlossen. Montag und Dienstag werden zum Bankenfeiertag erklärt. Das gibt genügend Zeit, alle vorhandenen Euronoten zu lochen oder zu stempeln, denn es können ja nicht insgeheim genügend Drachmen gedruckt und verteilt werden.
Der Auslandzahlungsverkehr wird unterbunden, im Zeitalter des elektronischen Banking kein Problem. Gleichzeitig wird ein fester Wechselkurs Drachmen-Euro zum noch existierenden Euro dekretiert. Auslandguthaben werden so weit wie möglich arrestiert, wer schlau genug war, Euros in der Matratze zu verstecken, wird so gut wie möglich am Grenzübertritt mit Geldköfferchen gehindert. Die Grundversorgung mit Wasser und Strom, die Preise von Grundnahrungsmitteln, das Funktionieren von Schulen und Spitälern werden staatlich kontrolliert - wozu hat Griechenland ein starkes Militär?
Das grosse Geschrei
Es gibt bezeichnenderweise keine internationalen Regeln, wie sich ein geordneter Staatsbankrott abwickeln sollte. Also wird es viel Gebrüll und Geschrei geben, aber am Schluss setzt man sich mit den Gläubigern an einen Tisch und handelt aus, um wie viel Prozent sie rasiert werden. Wenn man den erzwungenen «freiwilligen» letzten Schuldenschnitt als Massstab nimmt, dürften 75 Prozent Verlust eine realistische Zahl sein.
Und dann geht das Leben weiter, wie ja zum Beispiel Argentinien beweist, das 2002 zum letzten Mal Bankrott erklärte. Griechenland ist da sogar besser dran, weil es sicherlich ein paar Milliarden Überbrückungshilfe bekommen wird. Begleitet vom Aufatmen, dass man so wenigstens nicht weitere Multimilliarden in ein Fass ohne Boden schmeissen muss.
Die übrigen Staaten
Nach Griechenland wird ein allgemeines Rennen zum Ausgang gestartet. Im Fotofinish ist es nicht erheblich, ob Spanien, Italien, Portugal oder gar Frankreich die Nase vorne hat. Und selbstverständlich wird Deutschland zur D-Mark zurückkehren. Dann werden für eine Weile feste Wechselkurse dekretiert, ist ja nichts Neues unter der Sonne.
Begleitet von Devisenbewirtschaftung und staatlicher Kontrolle des Zahlungsverkehrs. Nun können die nationalen Notenbanken endlich wieder ihre Trümpfe ausspielen: Sie sind Herrinnen der Geldmenge, der Wechselkurse und des Devisenverkehrs. Sie können damit die Konkurrenzfähigkeit der nationalen Wirtschaft auf dem Weltmarkt regeln.
Das grosse Palaver
Wird das geordnet abgewickelt, gibt es zunächst eine grosse Konferenz der Euro-Staaten plus USA, China und Japan. Nachdem schnell Einigkeit darüber herrscht, dass der Euro ein Furz war, wird Schadensbilanz gezogen. Der Einfachheit halber könnte die EZB pro forma alle Staatsschulden in Euro übernehmen, dann wird abgeschrieben.
Deutschland müsste am meisten bluten, so in der Grössenordnung von 500 bis 700 Milliarden Euro. Private Gläubiger und Pensionskassen werden rasiert, unterschiedlich nach Land. Ein paar Banken würden hops gehen, andere müssten gestützt werden. Und die Reichen kämen per Zwangsabgabe an die Kasse.
Die gute Nachricht
Das alles ist sehr unschön, vor allem für alle Gläubiger, vor allem für Deutschland. Aber die gute Nachricht ist: Die Viecherei ist vorbei. Die sogar noch bessere Nachricht ist: Das ist alternativlos, wenn man nicht weiterwursteln will, bis es nicht mehr geht. Bis Chaos, Anarchie, Unruhen und Wahnsinn ausbricht. Und dann vielleicht noch eine kleine Figur mit grosser Klappe auftaucht. Das letzte Mal trug sie einen komischen Schnäuzer wie Charlie Chaplin.
1) Carmen M. Reinhart, Kenneth S. Rogoff: Dieses Mal ist alles anders. Acht Jahrhunderte Finanzkrisen. München, 2010.