Vergleichen wir die momentane Situation in der Währungsdebatte echt schweizerisch mit einer Bergtour, wo die Seilschaft festsitzt. Eines ist sicher: Einfach biwakieren kann sie nicht, sonst verhungert und erfriert sie. Nun schlägt eine Gruppe vor, der einzige Weg führe über den Gipfel und dann über den einfachen Abstieg.
Die zweite Fraktion will zurück. Die dritte schwafelt vor sich hin, weiss nichts und verflucht nicht zuletzt den Bergführer, der sie in diese eklige Situation gebracht hat. Das sind so ungefähr die Positionen der Schweizerischen Nationalbank (SNB), der Kritiker der weiteren Verteidigung der Untergrenze zum Euro und der sogenannten Finanzwissenschaftler.
Weiss nichts, macht nichts
Niemand weiss Genaueres darüber, wie viele Milliarden Euro die SNB in den letzten Wochen und Monaten aufgekauft hat und welche Versicherungen sie abgeschlossen hat, um sich vor allfälligen Verlusten zu schützen. Auch die nächste Meldung an den IMF wird daran nicht viel ändern, so clever sollten die Nationalbanker schon sein. Also kann man nicht mit absoluten Zahlen argumentieren, sondern nur mit Fundamentaldaten und –analysen.
Daher kann es nur eine gesicherte Aussage geben: In den nächsten Tagen muss sich die Bergtour entscheiden, wie es weitergehen soll. Denn der Franken kann doch nicht weiterhin ein verkleideter Euro bleiben. Denn in der Wirtschaft braucht es in erster Linie Vertrauen und Handlungssicherheit. Um die herzustellen, gibt es genau dreieinhalb Optionen.
Rauf oder runter
Keine Variante ist angenehm, das ist klar. Die erste Option: Wir verteidigen die Untergrenze, selbst wenn wir dafür alle Euros aufkaufen müssten. Die zweite Option: Wir geben den Wechselkurs frei, der Devisenmarkt wird’s richten. Die dritte Option: Wir dekretieren einen festen Wechselkurs zumindest zu den drei wichtigsten Währungen der Welt: US-Dollar, Euro und japanische Yen. Um inflationäre Entwicklungen steuern zu können, mit gleitender Wechselkursanpassung (für Fachleute: Crawling und/oder Adjusted Peg).
Die halbe Option: Fachleute, Koryphäen, Professoren und sich dazu berufen Fühlende beschimpfen sich gegenseitig und behaupten, dass die Vorschläge der jeweils Anderen in den Abgrund führten. Und schaffen damit eine Patt-Situation.
Man rechne
Typisch für den Zustand der sogenannten Finanzwissenschaft ist, dass bislang keine durchgerechneten Szenarien vorliegen, welche Folgen die drei möglichen Optionen hätten. Man kann nur hoffen, dass wenigstens die SNB das im Geheimen tut. Leider ist klar: Welche Option man auch immer ausübt, am Schluss wird immer eine rote Zahl stehen, ein Verlust.
Die entscheidende Frage ist einzig, welche Variante die höchste Wahrscheinlichkeit für einen möglichst kleinen Verlust hat. Da in keiner Fachliteratur beschrieben ist, welche Folgen das Auseinanderbrechen einer Weltwährung hat, weil an der HSG und anderen Kaderstätten der «Finanzwissenschaft» lieber mit überflüssigen Algorithmen zur Berechnung des zukünftigen Werts eines Derivats gespielt wird, müsste hier Neuland betreten, geforscht und gedacht werden. Ist aber Fehlanzeige.
Versager aller Orten
Man stelle sich nur einmal vor, die versammelten Atomphysiker würden kurz vor einem AKW-GAU sagen: Hoppla, diese Möglichkeit ist leider in unseren Modellen und Berechnungen nicht vorgesehen. Da müssen wir halt schauen, was da genau passieren wird; anschliessend werden wir dann gerne die Ergebnisse unserer Analyse vorlegen. Zurzeit gehen wir davon aus, dass das AKW schon nicht in die Luft fliegen wird. Aber vielleicht sollte sich die umliegende Wohnbevölkerung mal mit Jodtabletten eindecken.
Unvorstellbar. Aber in genau diesem Zustand befindet sich die Finanzbranche samt Koryphäen. Sie sagen nicht mal ein klares Wort zur jammernden Exportindustrie, die immer so tut, als ob ein stärkerer Franken ihr Todesurteil wäre. Als ob noch niemand von Währungsrisikoversicherungen gehört hätte.
Der Mittelweg
Die allerschlimmste aller Varianten, die bisher noch nicht erwähnt wurde, wäre der typisch schweizerische Kompromiss. Ein wenig Hilfe für den Tourismus, ein wenig Hilfe für die Exportindustrie, ein wenig Hilfe für sich vor einer Inflation fürchtende Sparer und Rentner. Ein wenig Hilfe für die Schwarzgelder durch Fluchtgelder ersetzenden Banken. Ein wenig Hilfe für die um ihre Euro-Anlagen bangenden institutionellen Investoren wie Pensionskassen. Mehr Hilfe für die, die am lautesten jammern. Wenn es daraus hinausläuft, dann aber gute Nacht, Franken.