Gestern: Ein Brot, ein Euro. Heute: ein Brot, zwei Euro. Das ist Inflation. Sparer und Rentner sind gekniffen, Lohnabhängige je nach Stärke der Gewerkschaften mehr oder weniger. Der Verkäufer verdient sich dumm und dämlich. Oder auch nicht, wenn er dem Hersteller des Getreides plötzlich auch das Doppelte bezahlen muss. Inflation ist einfach: mehr Geld für gleichen Gegenwert. Inflation ist kompliziert, weil sie komplexe Ursachen hat. Dabei haben wir noch nicht einmal von Umlaufgeschwindigkeit und Geldmengen M1 bis M3 gesprochen.
Das Einmaleins
Inflation ist einfach: Sparer, Rentenanwärter und alle Teilhaber an der Volkswirtschaft, die ihre Arbeitskraft zu einem fixen Lohn ohne Inflationsausgleich vermieten, verlieren. Inflation ist kompliziert, denn löst sie das Herstellen von gigantischen neuen Geldmengen aus? Nicht nur die EZB, auch die anderen beiden bedeutenden Notenbanken der Welt, diejenige Japans und das Fed in den USA, haben doch seit Ausbruch der Finanzkrise 1 im Jahre 2008 Neugeld im Billionenbereich hergestellt. Ihre Bilanzsumme blähte sich von 3,3 Billionen Dollar im Jahr 2007 auf heute knapp 9 Billionen auf. Ohne dass es bislang zu einer galoppierenden Inflation kam. Das ist die gute Nachricht. Allerdings mit eingebautem Verfallsdatum. Und die schlechte Nachricht ist: Nach der Milchmädchenrechnung der sogenannten Finanzspezialisten sollte Gratisgeld die Wirtschaft ankurbeln. Tut es aber nicht.
Die Theorie
Aufschwung geht einfach. Die Notenbank stellt billiges Geld in rauen Mengen zur Verfügung. Damit werden Kredite an die Wirtschaft vergeben, der Schraubenfabrikant investiert in eine zweite Maschine und verkauft mehr Schrauben, dafür stellt er mehr Arbeiter an, es gibt mehr Nachfrage, und alle sind glücklich. Überhitzt sich die Konjunktur, dank überbordender Nachfrage und billigem Geld steigen die Preise, tritt die Notenbank auf die Bremse, hebt den Leitzins an und/oder nimmt überschüssiges Geld vom Markt, Inflationsgefahr gebannt, und alle sind glücklich.
Wie misst man Inflation?
Zwischenbemerkung: Die offizielle Inflationsrate in den USA liegt bei 1,7 Prozent, in der Eurozone bei 2,6 Prozent, also ist doch die Angst vor galoppierender Inflation reine Hysterie. Wenn man nicht weiss, dass die offizielle Inflationsrate aufgrund eines Warenkorbs täglicher Verbrauchsgüter ermittelt wird, häufig nach hedonischer Methode. Allerdings: Der Goldpreis stieg von 2007 bis 2012 um 176 Prozent, Immobilien kosten auch entschieden mehr als vor fünf Jahren. Beides ist natürlich in diesem Warenkorb nicht enthalten. Genauso wenig wie der Wert von angespartem Alterskapital. Der Fachmann rümpft daher über den Begriff «gefühlte Inflation» die Nase, während alle Betroffenen wissen, dass diese offiziellen Zahlen wohl nicht stimmen können.
Die Praxis
Da sowohl die USA wie die Eurozone am Rande einer Rezession dümpeln, funktioniert die schöne Theorie des Aufschwungs durch neues Gratisgeld im Multimilliardenpack seit Jahren offensichtlich in der Praxis nicht. Von einer solchen Nebensächlichkeit hat sich aber noch nie ein Finanzwissenschaftler seine schöne Theorie kaputtmachen lassen. Was bewirken denn dann die ganzen Billionen an neu hergestelltem Gratisgeld? Ausser den rotglühenden Kern des Derivatecasinos am Brennen zu halten? Nutzt’s sonst nichts, schadet’s sonst nichts, könnte man meinen. Und täuscht sich dabei grandios.
Die Folgen
Wann es zu einer galoppierenden Inflation kommen wird, steht in den Sternen. Was aber heute schon klar ist: In diesem System verliert der Gläubiger und gewinnt der Schuldner. Wer heute sein Geld in einen sicheren Wert anlegen will (oder als Rentenansparer muss), bekommt weniger Zins als schon die aktuelle und offizielle Inflationsrate ausweist. Eine Differenz von vermeintlich läppischen 1,5 Prozent (Bundesschatzbrief versus 2,2 Prozent Inflation in Deutschland) bedeutet aber, dass sich selbst so ein heute angelegtes Sparkapital in rund 25 Jahren halbiert haben wird. Ohne Hyperinflation, ohne Schuldenschnitt, ohne Staatsbankrott sind 50 Prozent der Rente futsch.
Die grossen Schuldner
Die Industriestaaten sind zweifellos die grössten Schuldner der Welt. Sie sitzen auf Schuldenbergen, die, wenn man offiziell nicht ausgewiesene Verbindlichkeiten wie Sozialversprechen dazuzählt, bis zum Siebenfachen ihres jährlichen Bruttoinlandprodukts ausmachen. Deshalb auch mit dem gigantischsten und längsten Wirtschaftsaufschwung aller Zeiten nicht zurückbezahlt werden können. Aber weginflationiert. Sogar ohne galoppierende Geldentwertung. Auf Kosten aller Sparer und Rentenanwärter. Also auf Kosten von uns allen.
Was tun?
Was macht man also mit 1000 Euro, bevor sie auf eine Kaufkraft von 10 Euro zusammenschnurren? Oder naheliegender: Was macht man mit 1000 Euro, damit sie auch noch übermorgen ihren heutigen Wert haben? In Gold investieren? Hochspekulativ. Also in Grund und Boden. Inmitten einer sich wieder aufpumpenden Immobilienblase? In Staatspapiere vielleicht. Aber von welchem Staat? Dann doch gleich an den Roulettetisch tragen. Gar keine schlechte Idee.
Fortsetzung folgt.