Ihr Ziel ist es, den „Azaz-Korridor“ zu besetzen. Der 75 Kilometer breite Streifen trennt die östlichen und westlichen Einflussgebiete der Kurden. Im Korridor mit den Städten Azaz und Marea, haben sich Widerstandsgruppen eingenistet, die gegen das Asad-Regime kämpfen. Präsent sind im Korridor sind auch kurdische Kräfte sowie arabisch-kurdische Einheiten, die zur SDF gehören, zur kurdisch dominierten „Syrisch Demokratischen Armee“. Jede dieser Gruppen kontrolliert ein kleines Territorium in dem Streifen.
Der Azaz-Korridor hat für den Anti-Asad-Widerstand in Aleppo eine grosse Bedeutung. Er verbindet Aleppo mit dem türkischen Grenzübergang von Bab a-Salame. Asads Regierungstruppen stehen am südlichen Ausgang des Korridors. Sie versuchen, eine Barriere von Ost nach West aufzubauen, um den Korridor abzuriegeln. So soll verhindert werden, dass die Rebellen in Ost-Aleppo von Norden aus versorgt werden.
Kampf um ein zusammengewachsenes Rojava
Der Streifen stellt eine Lücke dar zwischen dem weiten Grenzgebiet, das die Kurden im Osten beherrschen und der kleineren Kurden-Enklave Afrin im Westen. Da der Korridor das von den Kurden dominierte Gebiet entlang der türkischen Grenze auseinanderreisst, ist er auch für die Türkei von grosser Wichtigkeit. Die Kurden haben immer wieder versucht, den Azaz-Korridor zu erobern, damit ihr Einflussgebiet zusammenwächst. Sie möchten dort im Norden Syriens entlang der türkischen Grenze ein autonomes kurdisches Siedlungsgebiet errichten: die „Autonome Föderation Nordsyrien – Rojava“.
Das will die Türkei um jeden Preis verhindern und kämpft dafür, dass die Azaz-Lücke zwischen den beiden kurdischen Einflussgebieten nicht von den Kurden geschlossen wird. Die türkische Regierung droht mit einer Militärintervention, sollten die Kurden den Streifen zwischen Kobane und Afrin unter ihre Kontrolle bringen.
Bevorstehender Kampf um die IS-"Hauptstadt"
Die Offensive des IS hat offenbar zwei Ziele: Einerseits sollen die Rebellen, die sich in Ost-Aleppo aufhalten, geschwächt werden. Diese Milizen sind Rivalen des „Islamischen Staats“, obwohl beide, die Rebellen und der IS, gegen Asad kämpfen.
Zweitens, und das ist wohl wichtiger, dürften die IS-Kämpfer mit ihrer Offensive versuchen, die Kurden der „Syrisch Demokratischen Armee“ in Kämpfe zu verwickeln. So sollen sie davon abgehalten werden, ihre Angriffe auf Raqqa weiterzuführen. Raqqa ist die „Hauptstadt“ des „Islamischen Staats“. Seit Tagen rücken Kräfte der kurdischen „Syrisch Demokratischen Armee“, unterstützt von US-Spezialeinheiten, auf die IS-Hochburg vor.
Die Angst der Flüchtlinge vor dem IS
Im Azaz-Korridor an der türkischen Grenze befinden sich die grössten Flüchtlingslager. Seit längerem leben dort Zehntausende, die an der Grenze ausharren und nicht in die Türkei eingelassen werden.
Die jetzigen Angriffe der IS-Milizen bei Azaz nahe der türkischen Grenze haben die Lager weiter anschwellen lassen. Man schätzt, dass sich in den Flüchtlingslagern zurzeit etwa 100'000 bis 165'000 Menschen befinden.
Sie sind eingeschlossen zwischen der Kampffront und der türkischen Grenze, die sie nicht überqueren dürfen. Viele fürchten, vom IS verschleppt oder getötet zu werden.