Also, einen Liedsänger würde man nicht in ihm vermuten, wenn man Mauro Peter irgendwo begegnet. Eher einen Fussballfan, unterwegs zum Stadion, um seinen Club in der Fankurve lautstark zu unterstützen. Denn eine kräftige Stimme hat er durchaus. Dabei würde ihm der edle Kaschmir-Schal, das klassische Requisit eines Tenors zum Schutze der Stimme, ebenso gut zu Gesicht stehen wie der bunte Fan-Schal seiner Fussballmannschaft.
Auf jeden Fall wirkt Mauro Peter jung, sportlich und unkompliziert. Einfach sympathisch. Und sympathisch einfach ist er auch im Umgang. Dunkle Wuschelfrisur, Dreitagebart, Windjacke. Und dann singt er Lieder wie das «Heidenröslein» ... Getextet von Goethe mit der Musik von Schubert. Eines der berühmtesten Lieder überhaupt. «Sah ein Knab’ ein Röslein stehn, Röslein auf der Heiden …» Ein reizvoller Kontrast zwischen der sportlich kräftigen Erscheinung und dem zart besaiteten Lied. Er singt aber auch von der «Schönen Müllerin», über «Dichterliebe» oder er begibt sich – saisongerecht – auf die «Winterreise». Dies alles auf CD oder auf der Bühne, immer zusammen mit dem Pianisten Helmut Deutsch, einem herausragenden Liedbegleiter.
Erstaunlich, ungewohnt und irgendwie auch clever. Denn so viel Konkurrenz gibt es in seiner Altersklasse in diesem Genre nicht. Viele Gleichaltrige halten sich da lieber an Pop und Rock. Mauro Peter wird stattdessen schon heute immer wieder mit dem legendären Liedsänger Fritz Wunderlich verglichen.
Elitär oder nicht?
Ziemlich elitär für einen jungen Sänger, könnte man meinen. «Das würde ich so nicht sagen», widerspricht er sofort. «Natürlich kann man klassische Musik an sich schon als ‘elitär’ ansehen … aber ich bin da ganz anderer Meinung. Solche Konzerte sind zwar nicht ganz billig, dafür ist schliesslich alles live. Rock und Pop findet in grösseren Sälen statt, mit ein paar tausend Leuten im Publikum, da geht die Rechnung schneller auf. Aber ich finde es ganz wichtig, Kunst nicht auf Wirtschaftlichkeit zu reduzieren.» Mauro Peter kann sich richtig ereifern bei diesem Thema, das zurzeit gerade in Bezug auf verschiedene klassische Orchester in der Schweiz von brisanter Bedeutung ist. Er selbst kommt gerade von Konzerten aus Graz zurück und ist in seinem Wohnort Zürich auf der Durchreise. Natürlich seien vorwiegend ältere Leute in die Konzerte gekommen, sagt er, aber: «Es sind auch viele junge Leute in meinem Alter dort gewesen. Das Interesse ist da!»
Mauro Peters Heimat ist Luzern und nichts deutete zunächst auf eine Gesangslaufbahn hin. «Mein Vater ist Maler und Gipser», erzählt er. «Aber zuhause haben wir viel Musik gehört. In der Schule kam dann mal jemand von den ‘Luzerner Singknaben’ und hat vier Buben ausgesucht und ihnen angeboten, mal im Chor zu schnuppern. Da war ich acht oder neun. Seither singe ich …!» Klar, sagt er, zwischendurch habe er sich auch mal durchbeissen müssen, wenn das Repertoire nicht so nach seinem Geschmack war. «Und dann kam auch immer irgendjemand und sagte, du Armer, jetzt musst du schon wieder singen statt mit den anderen zu tschuutten … dabei habe ich durch das Singen einen wunderbaren Freundeskreis gefunden, der mir bis heute erhalten blieb». Durch das Chorsingen ist er bei der klassischen Musik gelandet, hat die Liebe zu dieser Musik entdeckt und ist ihr seither verfallen, könnte man sagen. Ausgebildet wurde er in München. Und dann ging alles ganz schnell: erster Preis beim Schumann Wettbewerb und Debut bei der Schubertiade in Schwarzenberg. Kein Wunder, dass sich namhafte Dirigenten für ihn interessierten. So arbeitete er gleich mit Nikolaus Harnoncourt, Gustavo Dudamel, Fabio Luisi, Cornelius Meister oder John Eliot Gardiner, um nur einige zu nennen. Seit 2013 ist er auch Mitglied im Ensemble des Zürcher Opernhauses, wo er aber an der langen Leine gehalten wird und viel Freitraum hat für eigene Projekte auf den internationalen Bühnen.
Immer wieder Mozart
Neben den klassischen Liedern stösst man bei Mauro Peter immer wieder auf Mozart in seinem Repertoire. «Ja, Mozart passt einfach gut zu meiner Stimme», bestätigt er. «Man muss das Augenmerk ja auch darauf legen, was zur eigenen Stimme passt und nicht nur, was man gern singen würde. Kommt hinzu, dass ich Mozart wahnsinnig mag. Er ist ja nicht zu Unrecht einer der Giganten in der Musik, vielleicht sogar DER Gigant. Ich bin auch immer wieder fasziniert, wie Mozart mit simpelsten Melodien die schönste Musik macht. Die Arie ‘Contessa perdono’ aus dem ‘Figaro’ ist ja nun wirklich nicht sehr kompliziert, aber unglaublich schön. Das sind Momente, da fragt man sich, wie hat er das geschafft? Also Mozart wird sicher immer ein Bestandteil meines Singen bleiben, egal, was dann im Laufe der Zeit noch dazu kommt.»
Vieles in Mozarts Musik scheint luftig und heiter zu sein. Und wenn man Mauro Peter gegenübersitzt und in sein strahlendes, verschmitztes Gesicht blickt, passt das zu seinem Naturell, denkt man sich. «Also sagen wir mal so», schränkt Mauro Peter dann ein, «grundsätzlich bin ich ein optimistischer, positiver Mensch. Ich habe keinen Grund, miesepetrig durch die Welt zu laufen. Wenn ich aber doch mal solche Momente habe, dann ziehe ich mich in die eigenen vier Wände zurück. Manchmal braucht man aber diese tiefen Emotionen auch beim Singen, bei der ‘Winterreise’ zum Beispiel, dann habe ich überhaupt keine Probleme in den eigenen Emotionen zu wühlen und sie in meinen Gesang fliessen zu lassen.»
Und jetzt in die Scala
Diese Emotionen kommen ihm auch bei seiner nächsten Winterreise zugute, die aber nichts mit Franz Schubert zu tun hat. Mitte Dezember tritt er die Reise nach Mailand an, um zum ersten Mal in der Scala zu singen. Dreimal wird er dann unter Christoph von Dohnányi in Mozarts Requiem zu hören sein. «Ich habe das Requiem schon ein paarmal gesungen, jetzt aber länger nicht mehr. Ich freue mich sehr darauf. Es geht da um Trauer, aber die Musik sagt uns gleichzeitig, dass das Leben nicht hoffnungslos ist.» Und dies in einem der grössten und berühmtesten Opernhäuser überhaupt. Macht ihm das ein bisschen Lampenfieber? «Es ist natürlich schon speziell, das erste Mal in der Scala aufzutreten», sagt er mit einer gewissen Ehrfurcht. «Aber, was die Grösse betrifft, da habe ich auch schon in der Bastille-Oper gesungen. Ich mache mir also nicht so grosse Gedanken, ob ich das stimmlich schaffe.»
Das Mozart-Requiem bringt ihn im nächsten Sommer auch an die Salzburger Festspiele zurück, wo er bereits seit vier Jahren regelmässiger Gast ist. Im Juli wird er das Requiem dort unter der Leitung von Teodor Currentzis singen, dem charismatischen «Dirigenten des Jahres», der unter anderem mit seinen Mozart-Interpretationen Publikum und Kritik gleichermassen begeistert hat. Mauro Peter ist sehr neugierig auf diese Erfahrung im nächsten Sommer.
In der Zwischenzeit wird er in Toulouse und in der Mailänder Scala in Mozarts «Entführung aus dem Serail» auf der Bühne stehen, im Zürcher Opernhaus im «Don Giovanni» und in der Münchner Staatsoper in «Cosi fan tutte». Und bei den Salzburger Festspielen kommt schliesslich auch noch Alban Bergs «Wozzeck» hinzu. Mauro Peter wird kaum merken, wie die Zeit vergeht, bei diesem Tempo, das er zurzeit vorlegt.
Gibt es da überhaupt noch musikalische Wünsche? «Ich muss ehrlich sagen, ich bin schon ziemlich nah dran an dem, was ich mir erträumt habe. Aber natürlich soll es weitergehen. Ich bin ja auch ein ambitionierter Mensch. Mir gefällt fast jede Musik: Puccini, Wagner, Verdi, mir gefällt Strauss oder Britten. Aber nur weil es mir gefällt, heisst es ja nicht, dass ich das auch singen muss. Die Stimme bestimmt, was ich singe.»
11., 14., 15. Dezember 2016
«REQUIEM»
Wolfgang Amadeus Mozart
Teatro alla Scala
Mailand
«DICHTERLIEBE»
Schumann-Lieder
Mauro Peter
CD SONY classical