Tim Guldimann diskutiert mit mit der früheren deutschen Botschafterin in den USA Emily Haber und dem USA-Spezialisten und Buchautor Josef Braml.
Zu ihrer Erfahrung mit Trump sagt Emily Haber: «Ich habe einen Präsidenten und eine Administration erlebt, die sehr stark bilateral dachten, (… und) Unzusammenhängendes miteinander in Verbindung brachten (…), das heisst, ein Dossier x zu verbinden mit einem völlig unzusammenhängenden Dossier y, um Macht zu hebeln. (…) Zugang war nicht das Problem, aber die Halbwertzeit von Zusagen war ein Problem (…) Wir hatten es damals mit einem Präsidenten zu tun, der sich sehr oft davon leiten liess, (…) wie sich ein Land oder dessen Regierung zu ihm persönlich verhielt.»
Josef Braml sieht in Trump «nur ein Indiz der sehr viel tiefer liegenden Probleme (…) Die amerikanische Demokratie war vorher schon defekt, sonst hätte einer wie Trump gar nicht erst Präsident werden können. Dass er (…) das Ganze noch verschärft, kommt hinzu. (…) Wir machen uns noch kein Bild, wie seine zweite Amtszeit aussehen würde. Dann sitzen nämlich die Erwachsenen nicht mehr im Raum (…) Er hat nämlich schon dafür vorgesorgt, dass das nächste Mal, nur noch Leute um ihn sind, die nicht meinen, dass sie einen Eid auf die Verfassung geschworen haben, sondern seinen Ring geküsst haben, und die Leute werden jetzt gerade ausgesucht, (…) die ihm treu und loyal ergeben sind.»
«Ich denke», so Braml weiter, «dass Biden sehr vieles (…) übernommen hat von Trump (…) dass Handelspolitik von Sicherheitspolitik eingefangen wird und dass Wirtschaft als Waffe eingesetzt wird. Das hat Biden sogar noch verschärft. (…) Amerika wird nicht mehr zurückkommen zu dieser guten alten Zeit, wo wir von TTIP und Freihandel geredet haben. Wir sind in der Zeit der Geoökonomie, in der die Wirtschaft nicht mehr das Ziel ist, sondern die Wirtschaft das Mittel zum geostrategischen Zweck, um China einzudämmen, und wir werden vor diesen Karren gespannt.»
Überlebt der der Rechtsstaat unter Trump? – Braml: «Trump hat drei Richter nominiert (…), die dem Präsidenten mehr Entscheidungsfreiheit auch gegenüber dem Kongress geben würden (… und) ihm durchaus auch die Möglichkeit gäben, alle möglichen Leute zu feuern, sogar die Joint Chiefs of Staff, die höchsten Militärs, die uns damals wirklich vor Schlimmerem behütet haben. (…) Die Checks and Balances haben während Trump überhaupt nicht funktioniert (…) Es war dann noch der Supreme Court, der uns vor dem einen oder andern bewahrt hat. Aber nachdem er ihn selbst verändert hat, (…) wäre es in der zweiten Amtszeit dann doch fraglich, ob diese Kontrollinstanz noch so scharf greift wie bisher.»
Zu Bidens Chinapolitik meint Haber: «Da sagen Sie, das sei die Fortsetzung und Verschärfung des Trumpschen Weges, (…) die stetige Ausdehnung besonders im Technologiebereich der Zugangsbeschränkungen und der Exportkontrollen und der Investitionskontrollen, ja, das ist alles verschärft worden. Es ist auch richtig, dass in der Biden-Administration Sicherheitsüberlegungen immer weiter definiert werden. Aber trotzdem dürfen Sie nicht übersehen, dass anders als in der Zeit von Trump, diese Administration das Verhältnis zu China gegenwärtig sehr gut und sehr leise managt. Und ich bezweifle, ob das in einer Trump-Administration (…) noch der Fall wäre.» – «Darf ich da widersprechen», Braml glaubt «dass das vielleicht nicht hochkochen könnte bei Trump, aber bei Biden. (… Dieser) hat nämlich viermal gesagt, dass er Taiwan verteidigen würde, was absolut brandgefährlich ist.» Haber sieht darin Bidens Strategie der Ambiguität. «Bei Trump würden wir eine bizarre Kombination aus Rückzug und Eskalation sehen, das ist auch gefährlich. So wie Biden jetzt agiert, ist das Verhältnis berechenbarer (…) als unter einem etwaigen Präsident Trump.» Braml hingegen sieht die Gefahr, «dass wir da in eine militärische Konfrontation mit China hineinschlittern (…), weil man jetzt die Auseinandersetzung sucht in einer Zeit, in der man sie vielleicht noch gewinnen kann. Und man hat jetzt einen Kalten Krieg vom Zaun gebrochen, (… der) vor allem zuungunsten unserer Wirtschaft ausfallen kann.»
Dem hält Haber entgegen: «Trump wird versuchen, in der Chinapolitik Europa zu fragmentieren, einzelne europäische Nationen herauszugreifen, um die Spaltung voranzutreiben und maximalistische Positionen mit einer Gruppe von europäischen Staaten durchzusetzen.» Biden hingegen sehe «die europäische Kohärenz als eine Möglichkeit, westliche, auch transatlantische Machtposition zu stärken».
«Anders als Herr Braml sehe ich einen substantiellen Unterschied darin, ob wir es mit einem Präsidenten zu tun haben, der multilateral agiert, Interessensausgleich versteht, auf Verbündete Rücksicht nimmt und ganz anders konsultiert als ein Präsident Trump.» – Dem hält Braml entgegen: «Ich sehe, dass Biden uns da mächtig an die Kandare nimmt. Was mich umtreibt, und nicht erst seit Trump wiederkommt: Ich habe immer noch die Hoffnung, dass das eine oder andere umgesetzt werden kann, um Europa souveräner in dieser neuen Weltordnung aufzustellen (…) Wir müssen jetzt, wie man in Hamburg so schön sagt, ‚Butter bei die Fische machen‘.»
Journal21 publiziert diesen Beitrag in Zusammenarbeit mit dem Podcast-Projekt «Debatte zu dritt» von Tim Guldimann.