Ein Blick zurück auf den Boden im Winter lohnt sich, auch wenn dieser fast vorbei zu sein scheint. Normalerweise gefriert der Boden, man spricht von Frosttiefen von 50 und mehr Zentimetern, Zustände, wie wir sie im Unterland seit Längerem nicht mehr angetroffen haben.
Allein schon ein Blick auf die Bodenoberfläche während einer Frostperiode lässt erkennen, dass die Kälte den Boden regelrecht aus den Fugen gebracht hat. Ein Blick auf das Bild unten zeigt die Bodenoberfläche eines exponierten Gemüsebeetes. Sie gleicht eher einer „Mondlandschaft“, mit Klüften, Tälern, Bergspitzen und seltsamen Anhäufungen von kleinen erratischen Blöcken. In der Mitte spriesst ein Nüsslisalat (die Klinge des Sackmessers ist nur zum Grössenvergleich im Bild).
Der Frost, oder vielmehr das Wenige an Frost, das wir diesen Winter bislang erlebt haben, hat diese Bodenoberfläche offenbar völlig durcheinandergebracht. Gewisse Teil wurden hochgeschoben zu spitzen Türmchen, daneben gibt es zentimetertiefe Gräben und Löcher. Die ursprünglich mal weit ebenere Bodenoberfläche wurde in ein dreidimensionales Gebilde umgewandelt.
Frost, besser gesagt gefrierendes Wasser, respektive die nachträgliche Gefriertrocknung, bearbeitet den Boden zumindest in den ersten paar Zentimetern Tiefe aufs Gründlichste. Gefrierendes Wasser dehnt sich aus und sprengt zum Teil die Bodenaggregate oder Klumpen. Steinchen oder Steine werden hervorgehoben. Das kennen die Ackerbauern: Der intensive Wechsel von Frieren und Auftauen «mobilisiert» die Steine im Boden. Diese haben die seltsame Tendenz, sich Richtung Oberfläche zu bewegen. Sie wurden früher aufgesammelt und zu Lesesteinhaufen zusammengeworfen, am Waldrand, manchmal an Wegrändern oder bei Hecken oder Gebüschen.
Diesen Effekt hat sich die herkömmliche Landwirtschaft längst zunutze gemacht. Bis vor wenigen Jahren noch galt es als gegeben und entsprach dem Stand der Technik, den Acker im Herbst zu pflügen und den offenen Boden bis zum nächsten Frühjahr als Winterfurche dem Väterchen Frost auszusetzen. Das half klumpigen Boden zu zerdröseln, Unkräuter zu vernichten und nicht zuletzt wurde gleichzeitig eine grosse Gabe verrotteter Mist ausgebracht und mit dem Pflug gleich untergepflügt. Der Acker war also mit Nährstoffen versorgt und die Folgekultur konnte im Frühling, sobald es die Temperaturen und die Bodenfeuchte zuliessen, gesät werden. Pflügen im Herbst ist heute nicht mehr Stand der Technik und wird vom Staat nicht unterstützt, sondern sogar geahndet. Heute wird eine Gründüngung oder Zwischenfrucht eingesät, die den Boden über den ganzen Winter bedeckt hält.
Früher wurde mit dem Pferd oder dem Ochsengespann gepflügt, der Schaden durch den Huftritt war, wenn überhaupt, klein oder begrenzt. Mit den aufkommenden Traktoren und den immer schwereren Maschinen wurde beim Pflügen der Boden stark verpresst und verdichtet. Nicht nur der Oberboden litt, sondern auch der Unterboden, steht doch das eine grosse Rad des Traktors tief in der Pflugfurche, ungefähr dort, wo der Unterboden beginnt. Dieser ist naturgemäss reicher an Tonteilchen und lässt sich, falls er richtig feucht oder gar nass ist – und das ist im Herbst gerne der Fall – erst recht dicht zusammenpressen.
Das führt zu Verdichtungsschäden: Nicht nur kann das Regenwasser nicht mehr in den Boden dringen und muss oberflächlich abgeführt werden, was zu Erosion führt. Auch die Regenwürmer kriegen Probleme, weil sie diese verpresste Bodenschicht nicht mehr durchbohren können. Die Wurzeln der nachfolgenden Kultur haben Mühe, diese Pflugsohle, wie man sie nennt, zu durchwachsen. Mist und untergepflügte Pflanzenreste der Vorkultur verrotten unter Luftabschluss nicht richtig, sondern gären oder faulen. Die Bodenmächtigkeit, also das der Pflanze zur Verfügung stehende Volumen für die Durchwurzelung und die Nährstoffaufnahme, wird verringert.
Pflugsohlen sind in der Landwirtschaft zum Problem geworden. Man behalf sich eine Zeitlang damit, jeweils ein, zwei, drei Zentimeter tiefer oder einmal ganz tief zu pflügen; der Energieaufwand nimmt dabei überproportional zu, noch schwerere Zugmaschinen sind nötig, die Verdichtung erfolgt nun etwas tiefer unten. Zudem kehrt man eine mikrobiell wenig aktive Schicht an die Luft und vergräbt die lebendige Oberschicht in die Tiefe. Keine nachhaltige Lösung des Problems!
Mit Kulturwechseln wurde versucht, andere, tiefer wurzelnde Pflanzen anzubauen (Markstammkohl, Ackerbohnen, Sonnenblumen etc.). Allein das genügt nur zum Teil. Landwirte, die eine herkömmliche mehrjährige Fruchtfolge pflegen, nutzen den Ackerboden zwei oder drei Jahre als Kunstwiese, bevor sie wieder mit Ackerkulturen einsetzen. Das ist wichtig für den Boden, weil dann die Regenwürmer den Boden wieder durchwühlen und mischen und einen Teil der Verdichtung so aufheben können. Viele Bauern haben heute nur noch verkürzte Fruchtfolgen ohne Kunstwiese, da sie kein Vieh mehr halten. Mit Gras und Heu können sie nicht viel anfangen. Der ursprüngliche Betrieb – Viehwirtschaft und Ackerbau kombiniert – bildete ein sehr viel resilienteres System als die heutigen einseitigen Grossbetriebe. Biobetriebe sind hier in etwas vorteilhafterer Lage, da sie meist immer noch kombiniert wirtschaften.
Nun hat sich vielerorts der pfluglose Anbau breit gemacht. Mehr dazu in einer nächsten Folge.