Die russischen Bombardements haben bewirkt, dass die syrischen Fronten in Bewegung gekommen sind. Die Armee des syrischen Staates ging aus der Defensive rund um die belagerte Provinz Lattakiya herum zur Offensive über und hat in der Folge ihre Versuche, nach Aleppo vorzustossen, fortgesetzt.
Kleinere Geländegewinne südlich von Aleppo
Intensive Bombardierungen der Russen im Vorfeld der Landoffensiven und Verstärkungen der eigenen Truppen durch Hizbullah Milizen sowie durch iranische Truppen und afghanische Soldaten, welche die Iraner aus den dortigen afghanischen Flüchtlingen ausheben, halfen den syrischen Truppen.
Doch auf der Gegenseite gingen vermehrte Waffenlieferungen an die verschiedenen Rebellengruppierungen, in erster Linie weil die Amerikaner nach wiederholten Fehlschlägen darauf verzichteten, selbst syrische Truppen auszubilden und in der Folge die Beschränkungen für Waffenlieferungen an Rebellen, die bereits im Felde stehen, lockerten. Gelder für diese Waffenbeschaffung kamen aus Saudi Arabien. Dies hat dazu geführt, dass die syrischen Truppen an den Rändern der Provinz Lattakiya nur geringe Fortschritte machten.
Ein Erfolg gegen IS
Es gelang ihnen jedoch ein Durchbruch östlich der Stadt Aleppo, wo die syrische Luftwaffenbasis von Kuwairis mit einigen Hundert Soldaten seit 2013 von den Rebellen belagert wurde. Die Belagerer waren zuerst mehrere Rebellengruppen gewesen, die versuchten, gemeinsam zu handeln. Doch von 2014 an war es, im Zuge der Streitigkeiten zwischen der Nusra Front und dem IS, der IS gewesen, der die Belagerung übernahm und energischer vorantrieb. Am vergangenen Montag erreichten syrische Truppen die Basis und brachen den Belagerungsring vom IS auf. Auch dort hatten russische Bombenangriffe stattgefunden.
Verbindungsstrasse nach Westaleppo geöffnet
Schon eine Woche zuvor konnten die syrischen Truppen die Hauptstrasse freikämpfen, die den von der Regierung gehaltenenTeil der Stadt, meist "Westaleppo" genannt, mit den Gebieten verbindet, die der syrische Staat nördlich von Aleppo beherrscht. Der IS hatte diese Strasse eine Woche lang blockiert und die westliche Stadthälfte isoliert. Dies hatte zu einer empfindlichen Steigerung der Lebensmittelpreise in Westaleppo geführt.
Mörserangriff auf Lattakiya
Doch am gleichen Tag, an dem die Belagerung der Luftwaffenbasis von Kuwairis gebrochen wurde, geriet die Stadt Lattakiya überraschend unter Mörserbeschuss. 22 Zivilisten verloren ihr Leben und über 60 wurden verletzt. Es war der heftigste Angriff, den die Hafenstadt seit Kriegsbeginn erlitt. Offenbar sollte er zeigen, dass die Rebellen nicht aus allen Positionen in den Bergen über der Hafen- und Provinzhauptstadt hatten weichen müssen.
Und im Norden Aleppos gelang es IS, der aus dem Osten vorstösst, in Kämpfen mit rivalisierenden Rebellengruppen mehrere Ortschaften einzunehmen, wodurch die Verbindungen der Rebellen mit der türkischen Grenze bedroht werden.
Geringe Fortschritte weiter im Süden
Die Vorstösse der syrischen Armee weiter südlich von Aleppo an den Grenzen zwischen der Lattakiya Provinz und jener von Hama scheinen zum Stillstand gekommen zu sein, trotz heftiger Artillerie- und Bombenangriffe durch die Russen, welche die Bewohner ganzer Dörfer zwangen, die Flucht zu ergreifen.
Kurdische Offensive auf Sinjar im Irak
Am Donnerstag früh begannen die irakischen Kurden eine Offensive an der nordöstlichen Front gegen IS. Sie zielt darauf ab, den Flecken Sinjar, die Hauptstadt der Yeziden, IS zu entreissen. Die Kurden werden unterstützt durch Luftaktionen der amerikanischen Koalition. Sinjar war im Juli 2014 von IS besetzt worden, die Männer unter den Jeziden wurden erschossen und die Frauen versklavt. Die Rückeroberung der Stadt durch die Kurden wäre von strategischer Bedeutung, weil die wichtigste Verbindungsstrasse zwischen Raqqa und Mosul, den beiden Hauptorten des "Kalifates" von IS, über Sinjar führt. Wenn diese Verbindung unterbrochen wird, kann IS nicht mehr so rasch und so leicht wie bisher Kämpfer aus Syrien nach dem Irak verlegen und umgekehrt. Dies war bisher für IS von Bedeutung, weil rasche Truppenverschiebungen dazu dienten, Kämpfer jeweilen an jenen Stellen der vielfältigen und weit ausgedehnten Kampfesfronten in beiden Staaten zu konzentrieren, wo gerade die wichtigsten Zusammenstösse stattfanden oder geplant waren.
Gemischte Bilanz
Gesamthaft gesehen ist die Bilanz nach sechs Wochen intensiver russischer Luftangriffe für den syrischen Bürgerkrieg gemischt. Die Gefahr von Angriffen der Rebellen auf die alawitische Herzprovinz Lattakiya wurde weitgehend, doch offenbar nicht völlig, gebannt. Ein voller Durchbruch der syrischen Truppen kam einzig an einem Ort zustande, und zwar bei der Befreiung der Luftwaffenabsis von Kuwairis. Die russischen Luftangriffe, die sich anfangs auf die Peripherie der Provinz Lattakiya konzentrierten, und daher meistens auf Rebellengruppen abzielten, die nicht zum IS gehören, wurden in den späteren Wochen weiter ausgedehnt und nehmen nun auch Positionen von IS, weiter im Osten Syriens, zum Ziel.
Nach wie vor gilt, die syrische Armee ist zu klein, um alle von den Rebellen beherrschten Landesteile zurückzuerobern und zu halten. Die Rebellen erhalten etwas mehr und bessere Waffen von "westlicher" Seite als zuvor. In manchen Fällen, wo offenbar Not am Manne war, wurden diese sogar von Flugzeugen der amerikanischen Koalition aus abgeworfen.
Zur Zeit sieht es danach aus, als ob sich die syrische Gegenoffensive Aleppo zuwenden und möglicherweise versuchen könnte, die ganze Stadt wieder zurückzugewinnen.