Die Regierungen der Kantone Thurgau, Appenzell Ausserrhoden und St. Gallen, die in knapp vierzehn Jahren Expo-Gastgeber sein wollen, legten vor wenigen Tagen einen Masterplan vor. Er folgt der im März 2011 unterzeichneten Absichtserklärung, verfeinert dieses dreiseitige Dokument auf vierzig Seiten als Grundlage für einen internationalen Konzeptwettbewerb und will die bisher bockende breite Öffentlichkeit für eine Diskussion begeistern.
Denken und festen
Umsicht, Vorsicht, Rücksicht prägen den Masterplan. Er liefert zu den Höhenflügen gleich den Fallschirm mit. Nicht allein durch "Erfindungsreichtum" soll die Landesausstellung glänzen, sondern auch durch "Berechenbarkeit". Die Negativerfahrungen mit der Expo 02 sitzen als Angst im Nacken. Darum soll in der Ostschweiz als Quadratur des Zirkels die Versöhnung der sprühende Kreativität mit der bändigenden Kontrolle gelingen.
Die Expo, heisst es, "eröffnet der Schweiz eine einzigartige Möglichkeit, sich selbst anhand der Landesausstellung zu finden, zu befragen und weiter zu denken - innerhalb der eigenen Grenzen und in die Welt hinaus." Das ist - abgesehen von der Schwierigkeit, "in die Welt hinaus" auf sich selber zu treffen -, ein lohnendes Ziel.
Wem es als zu elitär erscheint, darf aufatmend lesen, dass die Expo auch massentauglich "ein grosses Fest feiern, Begegnungen und Gemeinschaft bieten, die Menschen bewegen, Bilder und Bauten präsentieren, bleibende Werte schaffen, Erlebnisse ermöglichen, Freude verbreiten und Offenheit leben" wird.
Angebotsfülle ohne zündende Idee
Zum Streben nach der Wohlfühlgarantie passt, dass die Initianten erkunden wollen, "was die Bevölkerung der Region wie auch der Schweiz als Ergebnis der Landesausstellung erwartet", um dann "alles daran" zu setzen, "diese Erwartungen auf den unterschiedlichsten Ebenen zu erfüllen."
Angepeilt wird der Beifall "der gesamten Bevölkerung", der "jungen Generation von heute und morgen" und "der zahlreichen Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland."
Ohne populäre Buntheit geht es zweifellos nicht. Der Geburtsfehler besteht jedoch im Mangel an einer zündenden Idee, die mit ihrem Mut überrascht, für Bewunderung sorgt und das Projekt zum packenden Gesprächsthema macht. Noch schlägt der Bodensee höhere Wellen als die Expo. Das Medienecho auf den Masterplan war schwach.
Empfehlung nach Bern
Die Grobplanung muss den Bundesrat und die eidgenössischen Räte günstig stimmen, weshalb auch die ökologische Nachhaltigkeit, die interregionale Zusammenarbeit, das eiserne Finanzmanagement und als Klassiker die nationale Identitätsstiftung als Zusicherungen nicht fehlen dürfen. In der wendigen Sprache der Konkordanz empfiehlt sich die Ostschweiz für den ideellen und materiellen Bundessegen, um sich und die Schweiz während eines Sommers ins Scheinwerferlicht rücken zu können.
Um den Brei herum
Der fürbittende Masterplan listet im Detail die Struktur und den Sitzungsrhythmus jener Jury auf, die über den Konzeptwettbewerb entscheidet, weicht aber den zwei wichtigsten Fragen aus, die schon in der Frühphase profiliert und überzeugend hätten beantwortet werden müssen.
Weil eine Landesausstellung nicht zu den verfassungsmässigen Pflichten der Eidgenossenschaft gehört und obendrein Milliarden kostet, wäre zumindest der Versuch zu wagen gewesen, deren Notwendigkeit hieb- und stichfest zu begründen. Der Masterplan redet um den heissen Brei herum. Die Expo beantworte "die Frage, warum es die Landesausstellung braucht, auch durch ihren Arbeitsprozess selbst; sie aktiviert dazu das Expertenwissen des Alltags und integriert es in die eigenen Vorhaben."
Wenn es bei diesem Kauderwelsch bleibt, dann wartet auf die Skeptiker und Gegner ein wesentlich leichteres Spiel als auf die Befürworter.
Auswechselbarer Standort
Gleicherweise gebrechlich sind die Argumente für den Standort. Wohl handelt es sich bei der Ostschweiz unbestreitbar um eine "vielfältige, lebendige Region, bestimmt durch grossartige Landschaftsräume wie Bodensee, Rhein und Säntis", doch solche touristischen Attribute schmücken andere Gebiete auch, nicht zuletzt die italienische Schweiz, die noch nie eine Landesausstellung organisierte.
Mit Zürich 1883 und 1939, Genf 1896, Bern 1914 und Lausanne 1964 wurden die Landesausstellungen stets in Städten abgehalten. 2002 war es mit dem Drei-Seen-Land erstmals eine Region. Sie würde 2027 mit Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen und dem Thurgau etwas grösser und verkehrsmässig ein Stück schwieriger; sie wäre ohne den Reiz der Zweisprachigkeit und ohne die Vergnüglichkeit der schiffbaren Verbindung. Zu diesen Nachteilen schweigt sich der Masterplan aus.
Kleiner Rückhalt - grosser Radius
Der geographische Verweis auf den Bodensee und die Ostschweiz führt ein bisschen in die Irre. Von den acht die Ostschweizer Regierungskonferenz bildenden Kantonen engagieren sich lediglich drei für die Expo. Das schwächt den politischen Rückhalt.
Mit dem Bodensee ist zumindest vorläufig nur das schweizerische Ufer gemeint. Die Initianten sind offen für die Zusammenarbeit mit dem angrenzenden Ausland. Kämen Baden-Württemberg, Bayern und Vorarlberg mit ins Boot, würde dies den Charakter einer Landesausstellung wesentlich verändern.
Das könnte attraktiv sein, hätte allerdings die Konsequenz, dass der auf die Schweiz fokussierte Masterplan gründlich überarbeitet werden müsste. Eine in erster Linie nationale Expo unterscheidet sich von einer internationalen sowohl quantitativ als auch qualitativ. Die ohnehin zu bewältigende Herkulesarbeit könnte sich zur Sisyphusarbeit auswachsen.
Es wird deutsch gesprochen
Aus der offiziellen Würdigung des Masterplans als "Meilenstein" spricht der Zweckoptimismus. Näher bei der harten Realität wäre es, von einem "Wegweiser" oder einem "Leitfaden" zu reden.
Er ist abrufbar unter www.verein-expo27.ch - in Deutsch. Der Entschluss der drei Expo-Kantone, "das Vertrauen der Schweiz" zu gewinnen, hätte mit Versionen in allen Landessprachen vorab einen Sympathiegewinn gebracht.
Langlauf ins Ungewisse
Wie wird die Schweiz in vierzehn Jahren aussehen, welche Probleme bis dann gelöst haben, unter welchen Sorgen leiden? Niemand vermag den sich beschleunigenden Wechsellauf der Zeit abzuschätzen. Über dem steilen Weg, den die drei Kantone antreten, hängt dichter Nebel. Es könnte sein, dass sich die Kompassnadel wild im Kreis dreht und Land und Landesausstellung einander verfehlen.
Das führt zur dritten und vom Masterplan unbefriedigend beantworteten Grundsatzfrage, ob eine Expo zwingend ein mühselig manöverierbarer Koloss sein muss, der eine immer länger dauernde Vorbereitung benötigt.