Es wird immer klarer: Das Festhalten an einer Untergrenze des Franken zum Euro ist die Entscheidung für Pest und Cholera. Eine starke und gesunde Währung verklammert sich mit einer schwachen und kranken. Das Schicksal des Frankens wird bestimmt durch die Agonie des Euro. Ein Gesunder akzeptiert die Bluttransfusion eines Aidskranken. In der Hoffnung, dass seine Antikörper schon stark genug seien, um das zu überleben. Absurd. Aber Realität.
Zwei Optionen
Wie bei einem Staatsbankrott, vor allem, wenn er hinausgezögert wird, gibt es bei einer fundamentalen Währungskrise keine Wahl mehr zwischen gut oder schlecht. Sondern nur mehr zwischen schlimm und weniger schlimm. Nichts tun ist hingegen zweifellos das Allerschlimmste. Wenn die Schweizerische Nationalbank (SNB) endlich davon abgeht, tapfer und finster die Entschlossenheit zu verkünden, die Untergrenzen von 1.20 zum Euro zu verteidigen, wären wir schon einen Schritt weiter. Neben Pipifax wie Kapitalverkehrskontrollen, einer schrittweisen Aufwertung des Frankens oder Träumen von einem Staatsfonds, der etwas Sinnvolles mit den Multimilliarden Euro anfangen sollte, gibt es nur zwei wirkliche Optionen. Sofortige Freigabe des Wechselkurses und/oder Festlegung eines Wechselkurses unter Aufhebung der Devisenmärkte.
Die drei Stärken der SNB
Eine Nationalbank kann als einzige Bank der Welt zwei Dinge tun. Sie bestimmt, wie viel Geld es von einer Währung gibt. Und sie kann den Aussenwert dieser Währung festlegen. Die Geldmenge stellt sie mit ein paar Tastenklicks her. Drückt sie zu fest auf die Tasten, kann sich eine merkliche Inflation entwickeln. Der freie Handel von Währungen auf Devisenmärkten ist kein Naturgesetz. Feste Wechselkurse gab es schon lange und häufig, es kann sie auch wieder geben. Und schliesslich legt eine Nationalbank fest, wie hoch der Preis von geliehenem Geld ist, das bestimmt sie mit dem Leitzins, von dem die Kreditzinsen im normalen Geschäftsverkehr abhängen. Normalerweise werden diese drei Instrumente vorsichtig, millimeterweise und auf lange Sicht angewendet. Aber man kann nicht behaupten, dass die aktuelle Situation normal wäre.
Preis des Nichtstuns
Ganz kurzfristig hat die Fortsetzung der Verteidigung einer Untergrenze für die Schweizer Exportindustrie und die Schweizer Wirtschaft insgesamt sicherlich Vorteile. Es existiert Handlungssicherheit, es gibt keine Pleiten, keine sprunghaft steigende Arbeitslosigkeit, keine Wirtschaftskrise. Wie sinnvoll die Fortsetzung einer solchen Politik ist, zeigen zwei banale Fragen: Welchen Preis wird die Schweiz zahlen müssen, wenn dafür 200, 300, 500 Milliarden potenziell wertlos werdende Euro mit weiterhin gültigen Franken gekauft werden? Und wie genau soll sich der Franken dem Aufwertungsdruck entziehen, wenn er immer mehr zur Fluchtwährung wird? Nein, nicht für Schwarzgeld, sondern für Anlagen, die in Sicherheit gebracht werden. Nicht von reichen Individuen, sondern von institutionellen Anlegern wie Pensionskassen zum Beispiel. Es kann da wohl nicht richtig sein, die eigene Stärke durch die Anbindung an fremde Schwäche zu verspielen.
Pest oder Cholera
Es zeichnet sich immer deutlicher ab: Fällt den grossen Denkern und Lenkern in Brüssel, aber auch in Washington und Tokio, nicht bald etwas Sinnvolles und Bedeutendes ein, hat die Schweiz, in erster Linie die Schweizer Währung, nur mehr die Wahl zwischen Pest und Cholera. Eines von beidem wird es wohl sein. Aber immerhin, das ist immer noch besser, als sich für Pest und Cholera zu entscheiden. Und genau das ist eine Fortsetzung der bisherigen Währungspolitik. Denn wenn es sich nicht um einen vorübergehenden Schwächeanfall des Euro handelt, wird auf jedem zum Kurs von 1.20 gekauften Euro früher oder später ein Verlust anfallen, der im besten Fall einem Prozentsatz entspricht, im schlimmsten dem Totalschaden. Aber schon Prozente tun sehr weh. Ein Wertverlust auf 250 Milliarden Euro von 10 Prozent entsprechen bereits 25 Milliarden.
Kühle Rechnung
Was also von Finanzanalysten geleistet werden müsste, wäre eine kühle Aufstellung, welche Verluste durch die Fortsetzung der jetzigen Politik anfallen können. Und welche Verluste durch eine Aufgabe der Untergrenze und/oder einer Festlegung eines festen Wechselkurses. Sollte doch eigentlich nicht zu schwer sein. Von einer Illusion muss man sich aber trennen: Gewinner wird es nicht wirklich geben. Ausser, wie immer, den Spekulanten, die aufs richtige Pferd gesetzt haben. Aber deren Gewinne sind ja auch nur die Verluste von anderen Spekulanten, deren Wetten in die Hose gegangen sind.