Auch sie wurden fotografiert, auch sie gaben Interviews und wurden vermarktet – lange vor dem Miss-Schweiz-Hype. Doch sie räkelten sich nicht für die Boulevardmedien und kriegten kein Auto geschenkt.
Sie waren die Hauptfiguren einer der originellsten und gelungensten Werbekampagnen in der Schweiz. Initiiert wurde sie Anfang der Sechzigerjahre im Kanton Glarus.
Von 1962 bis 1970 liess der Getränkehersteller Elmer Citro jeden Sommer eine Miss wählen: ein Elmer Girl.
Eine Jury wählte unter Dutzenden Kandidatinnen fünf oder sechs junge Frauen aus. Sie mussten mehrere Tests über sich ergehen lassen. Ihre Allgemeinbildung wurde geprüft, und sie mussten Blumenarrangements kreieren. Mit einem Telefonbuch auf dem Kopf zogen sie vor den Juroren vorbei. Und wehe, das Telefonbuch fiel herunter.
Dann wurden in der ganzen Schweiz Tausende Wahlurnen in Lebensmittelläden, Restaurants, Bars und Warenhäuser aufgestellt. Auf Plakaten waren die sechs Finalistinnen abgebildet, und das Publikum hatte während des ganzen Sommers die Wahl.
Die Stimmbeteiligung war gigantisch. Oft war sie höher als bei eidgenössischen Wahlen. Allein 1965 gingen in der ganzen Schweiz 1,1 Millionen Stimmzettel ein.
Für den Mineralwasserhersteller war die Aktion, die von Hanspaul Schellenberg initiiert wurde, ein voller Erfolg. Elmer Citro konnte den Marktanteil von 4 auf 11 Prozent steigern.
„Die Mädels machen unser Blöterliwasser zu einem Renner“, hiess es in Elm. Jetzt begann sich auch die aufkommende Boulevardpresse für die jungen Damen zu interessieren.
Die Siegerin erhielt einen Strauss mit Alpenrosen und fünftausend Franken. Das Geld musste sie für ihre Aus- oder Weiterbildung ausgeben. So setzte 1965 die Luzerner Coiffeuse Christine das Preisgeld für eine Coiffeuse-Weiterbildung in Paris ein.
1970 fand die Wahl des Elmer Girl zum letzten Mal statt.
(J21)