Auf der Römer Redaktion der einflussreichen Tageszeitung „La Repubblica“ knallten am Donnerstagmorgen die Prosecco-Korken. Die zweitgrösste italienische Zeitungsgruppe übernimmt die drittgrösste und wird damit die grösste.
Der neue Zeitungsriese wird nach eigenen Angaben über 5,8 Millionen Leserinnen und Leser verfügen. Dazu kommen 2,5 Millionen tägliche Internet-User. Damit wird der Koloss etwa 20 Prozent des gesamten italienischen Zeitungsmarktes beherrschen und im digitalen Markt führend sein.
Eigene Identität bewahren
Zusammen mit „La Stampa“, die der Fiat-Familie Agnelli gehörte, gerät auch die „historische“ Genueser Zeitung „Il Secolo XIX“ unter die Fittiche von „La Repubblica“. „Il Secolo XIX“ war vor anderthalb Jahren einen joint venture mit „La Stampa“ eingegangen. „La Stampa“ gilt in Italien als eine der seriösesten und besten Tageszeitungen.
Alle drei Zeitungen betonen, dass sie ihre eigenen Redaktionen und ihre eigene Identität bewahren werden.
Den Sozialdemokraten nahestehend
Die gerade 40 Jahre alt gewordene „La Repubblica“ gehört zur „Gruppo Editoriale L’Espresso“ des inzwischen 81-jährigen Carlo De Benedetti (Bild), der auch die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt. Die Gruppe gibt auch das Wochenmagazin „L’Espresso“ heraus. „La Repubblica“ gehörte und gehört zu den pointiertesten Kritikern Silvio Berlusconis. Der frühere Ministerpräsident ist mehrmals wutentbrannt juristisch gegen die Zeitung vorgegangen - vergebens.
Der neue Zeitungspol dürfte nicht alle in Italien freuen. Die jetzt gestärkte Gruppe „Espresso“ steht dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi nahe und ist seiner Regierung wohlwollend gesinnt. Der neue Chefredaktor der „Repubblica“ ist ein Freund Renzis. Die Zeitung „Il Tempo“ nennt den Zusammenschluss eine „Revolution“ und spricht bereits von einem „renzianischen Monopol“ (monopolio renziano). Andere Blätter sprechen von einem "Erdbeben". Renato Brunetta, ein Getreuer Berlusconis und Präsident der Abgeordneten von Forza Italia, sieht die Pressefreiheit in Gefahr. "Ein solches Konglomerat ist eine Gefahr für die Demokratie unsereres Landes". Er fügte bei: Welches Geschrei hätte es gegeben, "wenn Berlusconi das getan hätte".
Jedenfalls wird das jetzt gegründete Zeitungsgespann ein starkes Gegengewicht zu Berlusconis Zeitungs- und Fernsehimperium sein.
"Fiat produziert Autos, keine Zeitungen"
Die Heirat zwischen der Gruppe „Espresso“ und der „Itedi“ (Itialiana Editrice S.p.A.) war am Mittwochabend nach Börsenschluss bekanntgegeben worden. Die Itedi, die „La Stampa“ und „Il Secolo XIX“ herausgibt, wurde von der Familie Agnelli kontrolliert. Der Deal sieht vor, dass 77 Prozent der Anteile von „Itedi“ von der „Espresso“-Gruppe übernommen werden. Die Börse reagierte zunächst euphorisch auf den Zusammenschluss. Die Aktien von "La Repubblica" gewannen kurzfristig acht Prozent. Doch die Euphorie legte sich schnell.
Der Verkauf der beiden Zeitungen an die „Repubblica“ bedeutet, dass sich der Autobauer nach vierzig Jahren aus dem Zeitungsgeschäft verabschiedet und sich auf das Kerngeschäft konzentriert. Sergio Marchionne, der CEO von Fiat-Chrysler, hatte schon mehrmals erklärt, Fiat produziere Autos und keine Zeitungen. John Elkann, Gianni Agnellis Enkel und Präsident des Fiat-Konzerns, der via die Investmentgesellschaften Exor und IFIL das Vermögen der Famile verwaltet, soll zu dem Deal gedrängt haben.
Sinkende Auflagen
Auch in Italien kämpfen die Zeitungen gegen Inseratenverluste und sinkende Auflagen. Carlo De Benedetti spricht von einem „schwierigen Umfeld“. Der „Repubblica“ geht es im Vergleich zu den anderen Titeln noch relativ gut. Die Gruppe „Espresso“ konnte im letzten Jahr den Gewinn auf 17 Millionen Euro verdoppeln, doch die Einnahmen sind um 6 Prozent auf 605 Millionen Euro zurückgegangen. Die Werbeerlöse sanken um 4,2 Prozent, die Auflage um 8,7 Prozent.
Der sinkende Absatz kann teilweise wohl auch damit erklärt werden, dass die "Repubblica" ihren Lieblingsfeind verloren hat. Die süffigen Attacken gegen Silvio Berlusconi galten vielen Italienerinnen und Italienern als täglicher Genuss. "Wenn Silvio entmachtet wird, steht es schlecht um uns", witzelten schon vor Jahren "Repubblia"-Journalisten.
Die Sport-Zeitung, die Nummer 1
Laut den letzten Daten von Audipress ist die täglich erscheinende rosarote „Gazzetta dello Sport“ mit 3'149 Millionen Lesern die grösste Zeitung Italiens. An erster Stelle der Nicht-Sportzeitungen befindet sich der bürgerliche Mailänder „Corriere della sera“ mit 2,35 Millionen täglichen Lesern. Knapp dahinter liegt an zweiter Stelle „La Repubblica“ mit 2,282 Millionen Lesern. An dem dritten Platz folgt „La Stampa“ mit einer Million Konsumenten. Nicht enthalten in diesen Zahlen sind angeschlossene Regionalblätter sowie angegliederte Magazine der verschiedenen Zeitungen. „La Repubblica“ erklärt, dass sie zwar bei der Anzahl Leser leicht zurückliege, jedoch in Italien am meisten Exemplare verkaufe.
Auch im Belpaese wird es wohl zu weiteren Zeitungszusammenschlüssen kommen. Gerüchte, wonach der „Corriere della sera“, der mit grossen Schwierigkeiten kämpft, mit dem Römer „Messaggero“ fusionieren will, wurden jedoch zurückgewiesen. Vorerst.