Der amtierende Präsident Jemens, Abd Rabbo Mansour al-Hadi, hat nach langem Zuwarten und Zögern den entscheidenden Schritt getan, der getan werden musste, um die Spaltung der Staatsmacht im Jemen zu überwinden. Er hat dekretiert, dass die jemenitische Armee in Zukunft keine Spezial- und Sondereinheiten mehr umfasst, sondern nur noch aus Landarmee, Marine, Luftwaffe und Grenztruppen besteht. Die bisherigen Kommandanten der Sondereinheiten wurden abgesetzt, ihre Truppen in die Normalarmee eingegliedert und alle dem Verteidigungsministerium unterstellt. Der Präsident behält eine eigene Präsidialgarde, die Sondertruppen und die Raketeneinheiten unter seinem eigenen Kommando.
Auflösung der bisherigen Präsidialgarde
Dieser Schritt ist entscheidend, weil die stärkste, am besten ausgerüstete und schlagkräftigste aller Einheiten in Jemen bis jetzt die Präsidialgarde war. Sie hatte amerikanische Waffen und war von Amerikanern ausgebildet worden. Doch sie unterstand bis jetzt dem General Ahmed Ali Saleh, dem Sohn des zu Jahresbeginn abgesetzten ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh.
Ein einflussreicher Neffe des früheren Staatschefs, Yaha Saleh, der Stellvertretende Oberkommandant der Sicherheit, dem Einheiten von Sicherheitstruppen und Sondertruppen unterstanden, wurde ebenfalls seines Kommandos enthoben und auch seine Soldaten direkt dem heutigen Staatschef unterstellt.
Ein zweiter, energischerer Versuch der Entmachtung
Die beiden Verwandten des früheren Staatschefs haben sich noch nicht zu den neuen Massnahmen geäussert. Im vergangenen August hatte das Armeeoberkommando versucht, die Machtfülle General Ahmed Ali Salehs zu reduzierenen, doch dies war fehlgeschlagen. Truppen seiner Präsidialgarde hatten das Verteidigungsministerium belagert und mit den Soldaten der regulären Armee Schüsse gewechselt, bis die Massnahmen gestrichen worden waren.
Im vergangenen Monat hatte General Ahmed Ali Saleh sich geweigert, "seine" Langstreckenraketen dem Verteidigungsministerium auszuliefern. Doch 93 Mann seiner Präsidialgarde sind diese Woche wegen ihrer Angriffe auf das Verteidigungsministerium vom August von einem Gericht zu Gefängnisstrafen von drei bis sechs Jahren verurteilt worden. Was dafür sprechen könnte, dass die Machtverhältnisse sich seit August soweit verschoben haben, dass nun die Absetzung des Generals nicht nur angeordnet sondern auch durchgeführt werden kann. Doch ob er und sein Vetter sich diesmal ohne Gegenaktion fügen werden, bleibt abzuwarten.
Altpräsident Ali Abdullah Saleh im Hintergrund
Altpräsident Ali Saleh Abdullah befindet sich noch immer in Sanaa und pflegt dort wie zu alten Zeiten, als er noch Präsident war, mit einer grossen bewaffneten Garde durch die Strassen zu fahren. Man weiss nichts genaues darüber, muss aber annehmen, dass er hinter den beiden nun abgesetzten Generälen stand und über sie zwar inoffziell aber tatsächlich weiter als das Oberhaupt seiner Faktion in dem gespaltenen Lande wirkte. Im Vorfeld der Neuorganisation der Armee hat ein Nationaler Versöhnungskongress stattgefunden.
Seine Teilnehmer, NGOs, hochrangige Generäle und angesehene Politiker und Stammeschefs, haben Präsident Mansour al-Hadi ermuntert, den entscheidenden Schritt endlich zu tun und die Verwandten des früheren Präsidenten zu entmachten. Sie drohten sogar, die Straffreiheit, die Ali Saleh Abdullah bei seinem Rücktritt gewährt worden war, könnte aufgehoben werden, wenn dieser weiter auf eine Spaltung der Armee hinarbeite. Nicht nur die jemenitischen Politiker und Generäle sondern auch die Golfstaaten einschliesslich Saudi Arabiens und die Amerikaner haben den gegenwärtigen Präsidenten dazu ermuntert, den entscheidenden aber gefährlichen Schritt der Entmachtung der wichtigsten Parteigänger des alten Präsidenten zu wagen.
Ali Mohsen al-Ahmar für die Massnahmen
Auch die Machtbasis des wichtigsten Gegenspielers Ali Salehs und seiner Anhänger, des Generals Ali Mohsen al- Ahmar. wurde aufgelöst. Dies war die erste Panzerbrigade. Der General verlor sein Kommando über sie. Im Gegensatz zu den Chefs der Gegenseite, den Verwandten des frühern Staatschefs, die bisher geschwiegen haben, hat Ali Mohsen al-Ahmar die Reorganisation der Armee willkommen geheissen und erklärt, dies sei ein Schritt, dem Alle zu folgen hätten.Wer sich weigere zu gehorchen,werde Jemen ins Verberben bringen. Das ganze Land beführworte die Massnahmen.
Wenn die neu angeordnete Reorganisation der jemenitischen Armee wirklich zustande kommt, ist ein entscheidender Schritt zur Überwindung der Spaltung des Landes getan. Doch wenn die Parteigänger des bisherigen Präsidenten sich nicht fügen, sondern Widerstand leisten, droht eine definitive Spaltung der Armee und damit ein voller Bürgerkrieg. Wie ein jemenitischer Kommentator erklärte: "Dieser Schritt muss gelingen. Denn wenn er nicht gelingt, droht dem Lande Verderben!"