Alles hatte das Establishment der republikanischen Partei versucht, um Donald Trump zu stoppen. „Never Trump“ hiess die trotzige Devise. Doch alle Bemühungen nationaler und lokaler Parteigrössen sind grandios gescheitert, weil sie zu halbherzig waren, zu spät kamen und zu wenig bewirkten. „Ich schaue zu, wie eine 160-jährige politische Partei Selbstmord begeht“, sagte der Mitarbeiter einer konservativen Denkfabrik nach Trumps jüngstem Erfolg im Mittleren Westen.
Seit Beginn des Wahlkampfs im vergangenen Sommer haben Donald Trumps Gegner mehr als 43 Millionen Dollar investiert, um ihn zu verhindern – in Fernsehspots, Flugblätter, bezahlte Telefonanrufe. Unter dem Strich hat das ganze Unterfangen nichts gebracht, als sollte es beweisen, dass Geld in der Politik doch nicht alles ist.
Fremdenfeindlich, isolationistisch, fanatisch
Republikanische Parteiführer, analysiert die „New York Times“, hätten seit Langem an nichts anderes gedacht, als einfach nur um jeden Preis Wahlen zu gewinnen: „Jahr für Jahr haben die Kandidaten der Partei Leuten der Mittelklasse, die in der Rezession ihre Häuser, ihre Stellen und ihre Ersparnisse verloren, die im Krieg Glieder und Wohlergehen einbüssten, Hilfe versprochen und dann faktisch kaum was für sie getan.“
Kein Wunder, argumentieren die Leitartikler des Blattes, würden diese Menschen nun jene Politiker abstrafen, die sie verraten hätten – zu Gunsten eines Kandidaten, der verspricht, „Amerika wieder gross zu machen“, der fremdenfeindliche, isolationistische oder fantastische Lösungen anbietet wie jene, an der Grenze zu Mexiko eine Mauer zu bauen, welche die Mexikaner selbst bezahlen müssten, oder keine Muslime mehr ins Land zu lassen.
Republikaner für Hillary?
Derweil sehen sich Republikaner mit der Frage konfrontiert, ob sie bereit sind, Hillary Clinton zu helfen, um Donald Trump zu schaden. Möglich wäre es, sich im kommenden Herbst nicht am Präsidentschaftswahlkampf zu beteiligen, sondern lediglich republikanische Kandidaten im Kampf um Sitze im Senat und im Abgeordnetenhaus zu unterstützen – aus der Überlegung, ein Kandidat wie Trump könne anderen Republikanern auf der Wahlliste der Partei nachhaltig schaden. Bereits hat die Familie Bush verlauten lassen, sie würde Donald Trump im Wahlkampf nicht helfen.
Denkbar, obwohl schwierig umzusetzen wäre ferner, einen Drittkandidaten zu nominieren, der herkömmliche republikanische Werte vertreten und Trump mutmasslich Stimmen stehlen würde. Jedenfalls ist für einige Republikaner die Vorstellung einer Präsidentin Clinton leichter zu verdauen als die eines Präsidenten Trump. Hillary könnten sie so erbittert bekämpfen, wie sie es gegen Barak Obama getan haben, während Trump im Weissen Haus für sie und die Partei viel unberechenbarer wäre.
"Vielleicht wird er doch noch stubenrein"
Donald Trump selbst hat bisher nur wenig Geld einschiessen müssen, weil ihm die Medien, in erster Linie das Fernsehen, mehr Gratiswerbung bescherten als allen anderen Präsidentschaftskandidaten zusammen, mehr auf jeden Fall, als selbst der Milliardär je hätte aufwerfen wollen. Wiederholt ist Amerikas Presse (aber nicht nur sie) dem früheren Star des Reality-TV auf den Leim gegangen - ein jüngstes Mal, als einer seiner Wahlkampfberater im März vollmundig erklärte, Trump werde seine rhetorischen Eskapaden künftig zähmen und seine präsidiale Seite zeigen.
„Das war alles, was diese Leute (die Granden der republikanischen Partei) hören wollten“, sagte danach ein Insider in Florida: „Vielleicht wird er doch noch stubenrein.“ Innert weniger Tage aber war Donald Trump im Wahlkampf wieder der alte, mit Anwürfen, Beleidigungen und unbewiesenen Behauptungen wie gehabt.
"Pathologischer Lügner"
Noch am Wahltag letzte Woche in Indiana zum Beispiel behauptete er, Rafael Cruz, der Vater seines schärfsten Rivalen, sei seinerzeit vor der Ermordung von Präsident John F. Kennedy in Dallas zusammen mit Lee Harvey Oswald, dem Todesschützen, gesehen worden. Trump berief sich auf „The National Enquirer“, eine Boulevardzeitung, die, wenn’s sein muss, Geschichten auch erfindet. „Die haben das berichtet“, sagte der Kandidat aus New York, „und niemand spricht darüber.“ Ted Cruz nannte Trump postwendend „einen pathologischen Lügner“.
Zwar gilt wie sein Sohn auch Cruz Senior nicht eben als Ausbund von Liebenswürdigkeit. Er behauptet, gleichgeschlechtliche Heiraten seien die Folge einer sozialistischen Verschwörung und fordert, Präsident Barak Obama gehöre „nach Kenia zurück“ geschickt. Doch es gibt keine handfesten Indizien, die ihn mit Kennedys Mörder in Verbindung bringen – es sei denn, die entfernte Ähnlichkeit mit einem Mann in einer Aufnahme des „National Enquirer“, die Lee Harvey Oswald auf der Strasse beim Verteilen von Pro-Castro Literatur zeigt.
Einer der hässlichstenWahlkämpfe der Geschichte
Inzwischen gibt es erste Anzeichen, dass die Medien Donald Trump künftig genauer unter die Lupe nehmen und nicht mehr in jedem Fall krampfhaft um Ausgeglichenheit bemüht sind. Nach Trumps Andeutungen über den Vater von Ted Cruz tadelte CNN-Moderator Jake Tapper den Kandidaten, unbegründete, lächerliche und schändliche Anschuldigungen geäussert zu haben. „Das ist keine Stellungnahme gegen Trump oder keine Stellungnahme für Cruz“, sagte der Fernsehmann: „Es ist eine Stellungnahme für die Wahrheit.“
Hillary Clinton, trotz ihrer Niederlage in Indiana Donald Trumps mutmassliche Rivalin im Rennen um den Einzug ins Weisse Haus, dürfte sich bald mit schmutzigen Attacken ähnlichen Zuschnitts konfrontiert sehen, auch mit welchen gegen ihren Gatten Bill oder Tochter Chelsea. Prognosen zufolge wird der Präsidentschaftswahlkampf 2016 einer der hässlichsten der Geschichte und Clinton ist gut beraten, sich nicht auf Trumps Niveau zu begeben und sich auf seine Schlammschlachten einzulassen.
Hillary - unbeliebt bei den Jungen
Auf keinen Fall, sagt ihr Berater John Podesta, dürfe sich Hillary im Herbst in eine Opferrolle drängen lassen: Angriff ist laut ihm die beste Verteidigung. Clintons grösste Herausforderung jedoch dürfte es sein, die demokratische Partei nach einem zwar weitgehend zivilisierten, aber dennoch erbitterten Vorwahlkampf zu einen und zu motivieren sowie die Anhänger von Bernie Sanders – Junge, Progressive, Unabhängige - in ihr Lager zu ziehen.
Der Senator aus Vermont selbst hat vergangene Woche angedeutet, Clinton müsse ihre Einstellung einer Einheitskrankenkasse und dem Klimawandel gegenüber ändern, wolle sie seine Unterstützung gewinnen. Umfragen zufolge ist Hillary besonders unter Amerikas jungen Wählerinnen und Wählern unbeliebt: Lediglich 31 Prozent der Befragten mögen sie, während 51 Prozent sie ablehnen.
Weisse Wähler für Trump
Doch nach wie vor liegt Hillary Clinton in nationalen Meinungsumfragen meist vorn, obwohl solche erfahrungsgemäss mit Vorsicht zu geniessen sind. Die Ergebnisse einer jüngsten Befragung von CNN zeigen, dass sie es nur sich selbst zuzuschreiben hätte, falls sie die Wahl 2016 verlöre: „It’s Hillary’s to lose.“
Auf jeden Fall sind Clintons Beliebtheitswerte im Vergleich zu Trump erneut gestiegen, nachdem ihr Rivale im letzten Herbst vorübergehend zugelegt hatte. Vor allem Unabhängige scheinen sich erneut Hillary zuzuwenden. Weisse Wähler ziehen Donald Trump vor, während Schwarze und Latinos überwiegend Hillary Clinton favorisieren.
60 Prozent der Frauen gegen Trump
Auch unter Frauen dürfte die frühere First Lady im Herbst besser abschneiden. „Wenn Hillary Clinton ein Mann wäre, würde sie nicht einmal fünf Prozent der Stimmen gewinnen“, brüstete sich Trump nach den Vorwahlen im Nordosten des Landes: „Das Einzige, wovon sie profitiert, ist der Umstand, dass sie eine Frau ist. Das Schöne an der Sache ist, dass Frauen sie nicht mögen.“ Das stimmt nur zum Teil: Laut Befragungen lehnen 60 Prozent der Amerikanerinnen Donald Trump ab. Die Forderung des 70-Jährigen, Frauen nach einer Abtreibung zu bestrafen, hat ihn kaum beliebter gemacht.
Trotzdem warnen Beobachter Hillary Clinton, sich 2016 wie vor acht Jahren im Rennen gegen Barak Obama ihrer Sache zu sicher zu sein. Nicht zuletzt auch deswegen, weil Donald Trump, der frühere Fernsehstar, als wirkungsvollerer Wahlkämpfer gilt, als einer, der Vorstellungen und Wünsche des Publikums instinktiv besser zu lesen weiss als die 68-Jährige, deren Auftritte das Wahlvolk nur selten emotional bewegen.
Trump - fahrlässig dunterschätzt
„Wir waren schlicht nicht skeptisch genug“, schreibt Nate Cohn in der „New York Times“ in einem Rückblick auf den bisherigen Wahlkampf, in welchem er analysiert, weshalb er Donald Trump fahrlässig unterschätzt hat: „Es hat nicht sehr viele Präsidentenwahlen gegeben, seit das Vorwahl-System eingeführt worden ist. Sicher hat es nicht genug viele gegeben, um die Möglichkeit auszuschliessen, dass ein echter Aussenseiter nominiert werden könnte, selbst wenn ein solcher Fall nach der Wahlreform als unwahrscheinlich galt.“ Der Schluss des „Times“-Mitarbeiters? „Das ist eine Lektion, die zu Beginn des Hauptwahlkampfs zu beherzigen ist.“
Quellen: „The New York Times“; „The Washington Post“; „The New Yorker“; „TIME”; “Financial Times”; “The Atlantic”