„Wie kann ein Journalist oder eine Journalistin erwarten, je wieder von irgend jemandem ernst genommen zu werden, falls er den Mini-Boom ’Bachmann for President’ anders versteht als ein Symbol für ein politisches System, das sich jenseits aller Vernunft katapultiert hat?“, schreibt der liberale New Yorker Journalismusprofessor Eric Alterman auf der Website „The Daily Beast“. Ein früherer Medienberater von Präsident George W. Bush wagt am selben Ort zu widersprechen.
Mark McKinnon, heute in der PR-Branche tätig, zeigt auf, „wie Michele Bachmann gewinnen kann“, und zitiert als einen seiner Kronzeugen den Polit-Strategen und Bush-Intimus Karl Rove: „Sie ist smart, sie ist knallhart, sie ist lustig, sie hat Persönlichkeit, und all das wird ihr helfen, falls sie sich entscheidet, ihren Hut in den Ring zu werfen.“ McKinnon selbst, kein Freund Bachmanns, argumentiert, die Abgeordnete würde 2012 eine stärkere Kandidatin abgeben als Sarah Palin, die in jüngster Zeit mehr mit allerlei Medienauftritten als mit politischen Überlegungen aufgefallen ist: „Sie arbeitet härter, sie ist smarter, sie ist disziplinierter, auch fokussierter, und sie hat, vielleicht am wichtigsten, Feuer im Bauch.“
Wer aber ist Michele Marie Bachmann, am 6. April 1956 in Waterloo (Iowa) geboren, ursprünglich norwegischer Abstammung, Anwältin, Protestantin, Mutter von fünf Kindern, 23-fache Pflegemutter und seit 2007 Abgeordnete im Kongress in Washington DC? Sie ist - auf Grund ihrer profilierten politischen Überzeugungen und entsprechender Medienpräsenz - wohl bekannter als erfahren. Unter anderem ist sie im rechten Dokumentarfilm „Sozialismus: eine deutliche und unabwendbare Gefahr“ zu sehen, ein Streifen, der Barack Obama mit Josef Stalin und Fidel Castro vergleicht. Die Amerikaner, warnt sie im Film, seien „Leibeigene“ ihrer Regierung geworden. Den Präsidenten selbst hat sie einst unter Umständen „anti-amerikanischer Ansichten“ bezichtigt. Auch ist sie schon bei Veranstaltungen von „Birthers“ aufgetreten, von lautstarken Obama-Gegnern, die behaupten, der Präsident sei nicht in den USA geboren und folglich illegal im Amt.
2007 erklärte Michele Bachmann in einem Zeitungsinterview, sie wisse von einem anscheinend geheimen „Abkommen“ zwischen dem Irak und dem Iran: „Sie (die Iraner) werden die Hälfte des Irak kriegen, und dieser Teil wird ein Refugium für Terroristen werden, von dem aus sie weitere Attacken im Nahen Osten und welche gegen die Vereinigten Staaten planen werden.“ Ein Jahr später forderte sie am Bildschirm die Medien auf, ein „tief schürfendes Exposé“ zu verfassen und aufzuzeigen, welche Kongressmitglieder „anti-amerikanisch“ seien. Und erst unlängst erntete sie Kritik, nachdem sie im Kabelfernsehen – fälschlicherweise – behauptet hatte, Präsident Barack Obamas Indien-Reise koste den amerikanischen Steuerzahler 200 Millionen Dollar pro Tag.
Michele Bachmann, die 1976 noch für Jimmy Carter gestimmt hatte, stieg 2000 in die Politik ein, nachdem sie bei einer Wahlveranstaltung für den Staatsenat in Minnesota mit Erschrecken festgestellt hatte, wie liberal der republikanische Kandidat ihrer Meinung nach war. Sie entschloss sich - laut eigener Bekundung auf göttlichen Ratschlag hin - selber anzutreten und gewann. Gott forderte sie sechs Jahre später angeblich auch auf, für das Abgeordnetenhaus in Washington DC zu kandidieren. Sie und ihr Mann hätten darauf drei Tage lang gebetet und gefastet, bis sie überzeugt war, das Richtige zu tun.
Michele Bachmanns Gatte leitet ein christliches Beratungszentrum, das sich auf „Männer- & Frauenangelegenheiten“, „Missbrauchsthemen“ und „geistige Themen“ spezialisiert. Auf jeden Fall zog sie 2007 in den Kongress ein und gründete dort nach ihrer Wiederwahl 2010 die einflussreiche Fraktion der Tea Party – zum Missvergnügen etlicher republikanischer Parteikollegen, denen die 55-Jährige eine Spur zu gottesfürchtig und zu sozialkonservativ ist. Und die ihr folglich einen Aufstieg innerhalb der Partei-Hierarchie in Washington nicht gönnen mochten. Wobei unter Umständen auch Neid im Spiel war: Kein republikanischer Abgeordneter hat im vergangenen Jahr so viele Wahlkampfspenden gesammelt wie Michele Bachmann. Auf ihrem Konto häuften sich 13 Millionen Dollar an, meistens kleine Beträge einzelner Spender.
Noch hat Michel Bachmann nicht ausdrücklich erklärt, dass sie sich im nächsten Jahr um den Einzug ins Weisse Haus bewerben will. Etliche Indizien – etwa ihre Reisetätigkeit und die Schauplätze ihrer jüngsten Auftritte – deuten aber darauf hin, dass sie das Anfang Sommer tut. Im August findet die „Iowa Straw Poll“ statt, ein erster Popularitätstest unter den Kandidaten, bei dem ihre Chancen als Einheimische nicht schlecht stehen dürften. Auch bei den ersten ernst zu nehmenden Vorwahlen, den „Iowa Caucuses“ im Januar 2012, könnte sie davon profitieren, im Staat geboren worden zu sein. „Wir brauchen einen starken, verfasssungstreuen Konservativen, der sich zu wehren weiss und für jene Werte kämpft, an die wir glauben“, hat Michele Bachmann unlängst der „New York Times“ gesagt: „Das brauchen wir in jener Person, die wir nominieren, egal ob ich das bin oder ob es jemand anderer ist.“
Einer Gallup-Umfrage von Mitte April zufolge rangiert Michele Bach unter 15 möglichen Kandidatinnen und Kandidaten der republikanischen Partei derzeit hinter Sarah Palin auf Platz sieben. Indes führen der Fernsehmoderator Mike Huckabee, der Unternehmer Donald Trump und Ex-Gouverneur Mitt Romney das lang gezogene Feld der Bewerber an. Experten räumen allerdings ein, dass der Aussagewert von Umfragen zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr gering ist. Und Michele Bachmanns Beliebtheit innerhalb der Tea Party dürfte das Ergebnis der Befragung keinen Abbruch tun. Derweil machen sich amerikanische Satiriker weiterhin über ihre Versprecher und Fehler lustig, so zum Beispiel über ihre Behauptung, die Klimaerwärmung sei „alles Voodoo, Nonsens, Hokuspokus, ein schlechter Scherz“. Dagegen sitzt ihre Frisur, ganz im Gegensatz zu jener ihres Konkurrenten Donald Trump. „The Donald“, so behaupten Aktivisten laut Satiriker Andy Borowitz, könne nicht Präsident werden, weil nicht nachzuweisen sei, dass sein Haupthaar, luftig über die Stirn gekämmt, tatsächlich aus den USA stamme.