Das zweite SRG-Wahlbarometer des gfs-Forschungsinstituts Bern 2015 zeigt: Die Freisinnigen könnten bei den Wahlen in vier Monaten als Sieger hervorgehen und zwei Prozent gewinnen. Weshalb legt der Freisinn zu? Wohl nicht nur, weil die Partei plötzlich so toll ist, eher, weil die Mitte-Parteien etwas weniger toll sind.
Laut der Umfrage verliert die Mitte, die Grünen und die SVP zwischen 0,6 und einem Prozent. Die SP gewinnt leicht.
Eigentlich sind das harmlose Verschiebungen, doch sie könnten Folgen haben - Folgen für die Bundesratswahlen am 9. Dezember. Schon wird gefragt, ob es die BDP-Bundesrätin noch einmal schafft. Für Eveline Widmer-Schlumpf wird es eng, schrieb der Tages-Anzeiger.
Tatsächlich: Die Parteienlandschaft rechtfertigt es eigentlich nicht, dass die Mitte zwei der sieben Bundesratssitze besetzt. Vor allem die winzige BDP hat keinen Anspruch auf einen Sitz. Zwar wird Eveline Widmer-Schlumpf von der SP, der BDP und Teilen der CVP getragen. Doch das genügt wohl nicht.
Natürlich ist es naiv zu glauben, die Regierungsmitglieder würden in erster Linie nach ihren Fähigkeiten auserkoren. Sie werden aufgrund ihres Parteibuches und aufgrund der Stärke ihrer Partei gewählt. Wer zum richtigen Moment in der richtigen Partei sitzt, wird durchgewinkt – auch wenn andere besser sind.
Eveline Widmer-Schlumpf hat bewiesen, dass sie eine der besten Bundesrätinnen ist. Sie ist kompetent, sattelfest, kann zuhören, kann argumentieren. Mit klaren Argumenten gelingt es ihr immer wieder, auch Gegner zu überzeugen.
Ein Beispiel: Im Kanton Schwyz war man wütend, weil die Schwyzer wegen des neuen Finanzausgleichs noch mehr an die ärmeren Kantone zahlen müssen. Die Finanzministerin wagte sich in die Höhle des Löwen und nahm an einem Podiumsgespräch teil. Im Publikum schlug ihr zunächst purer Hass entgegen. Aggressive Fragen wurden gestellt. Mit ruhiger, sachlicher Art zerpflückte sie im Detail Vorwürfe um Vorwürfe. Am Schluss herrschte Ruhe im Saal, alle gingen beeindruckt nach Hause.
Sie ist keine Blenderin. Kaum jemand ist derart Dossier-sicher wie sie – und das in einem wahrlich nicht simplen Departement.
Aber eben: Das zählt nicht. Das Parteibuch zählt, und da hat sie das falsche. Lieber also ein schwacher Wirtschaftsminister mit dem richtigen Parteibuch als eine kompetente Eveline Widmer-Schlumpf mit dem falschen. Das ist eben Politik.
Aber vielleicht wird alles ganz anders. Vielleicht zeigt sich im Oktober, dass die FDP doch nicht so stark ist, wie ihr jetzt vorausgesagt wird. Oder vielleicht kommt eine Mehrheit der Parlamentarier doch noch zum Schluss, dass Kompetenz wichtiger ist als das Parteibuch. Oder: Vielleicht will sich Eveline Widmer-Schlumpf nicht auf eine demütigende Zitterpartei einlassen und tritt schon vor der Wahl zurück.