Am selben Tag, da das faschistische Putinregime unschuldige Zivilisten im ukrainischen Kramatorsk durch Raketenbeschuss ermordet, fällt der Bundesrat die unsäglichen Entscheidung, Panzer, welche die Schweiz nicht braucht, der Ukraine für ihren Befreiungskampf gegen Russland nicht zur Verfügung zu stellen.
Die Entscheidung des Bundesrates am vergangenen Mittwoch, die knapp einhundert Leopard 1-Panzer – in Deutschland gefertigt, von der Schweiz als Ersatzteillager und Altmetallreserve gekauft, in Italien magaziniert – nicht zur Weitergabe an die Ukraine freizugeben, reiht sich ein in die Reihe von Entscheidungen der offiziellen Schweiz, welche weder der geltenden Rechtsordnung entsprechen noch neutral sind. Sie begünstigen vielmehr das Putinregime, wie das bereits beim Verbot der Weitergabe längst verkaufter Munition, der ungenügenden Umsetzung der Sanktionen gegen Russland und, vor allem, der Untätigkeit gegenüber den Geschäften mit illegalem russischem Rohöl auf dem weltgrössten Handelsplatz in Genf der Fall ist.
Kriegsmaterial und Neutralität
Die offizielle Begründung zum ablehnenden Entscheid, verlesen vom Sprecher der Bundesrates – weil wohl kein Mitglied unserer Regierung den Mut hatte, öffentlich dafür einzustehen –, beruft sich auf das Gesetz zur Ausfuhr von Kriegsmaterial und die Neutralität. Das ist eine doppelte, faustdicke Lüge. Das besagte Gesetz sieht sehr wohl Ausnahmen vor, das Material betrifft, das vor seiner Verschärfung Anfang Februar 2022 – ganz kurz vor der russischen Aggression gegen die Ukraine und damit in Unkenntnis davon – gehandelt worden ist. Überhaupt kann der Bundesrat angesichts des Ausnahmezustandes in der Ukraine jederzeit Notrecht anwenden, um diesem russischen Angriff auf die Demokratie in Europa, damit auch jene der Schweiz, zu begegnen. Dafür wäre ihm die Zustimmung einer Mehrheit im Parlament und auch einer Volksmehrheit in der Schweiz sicher.
Ebenso falsch ist der Verweis auf die Neutralität. Die klassische Neutralität der Schweiz, wie sie nur noch von einer Stahlhelmfraktion am rechten Rand der Politikszene, verbündet mit wenigen Neutralitäts-Fetischisten im akademischen Elfenbeinturm, verteidigt wird, hat ihre Bedeutung eingebüsst. Das in der Uno-Charta festgelegte Gebot des Gewaltverzichts, zusammen mit dem Recht, Aggressionsopfern Hilfe zukommen zu lassen – beidem ist auch die Schweiz verpflichtet – schreibt im Gegensatz dazu vor, im gegebenen Fall der Ukraine alle mögliche Unterstützung, auch militärischer Art, zu leisten. Das entspricht dem, was alle europäischen Staaten tun, mit Ausnahme der Schweiz.
Negative Folgen
In der Folge dieser restriktiven Politik des Bundesrates hat die Sicherheitspolitik der Schweiz bereits nicht wieder gutzumachenden Schaden erlitten. Bekanntlich will sich auch die offiziell immer noch neutrale Schweiz angesichts der russischen Bedrohung der Nato annähern. In der Folge der negativen Bundesrats-Entscheidung hat das Nato-Mitglied Niederlande – welches die Lieferung der Leopard-Panzer an die Ukraine als handfeste Geste der erwähnten Beistandspflicht finanziert hätten – bereits verlauten lassen, sie würden diesem helvetischen Ansinnen kritisch gegenüberstehen.
Zur Genüge ist bereits festgestellt worden, dass die absurde Neutralitätspolitik des Bundesrates künftige Exportmöglichkeiten schweizerischer Rüstungsbetriebe zunichte macht. Wer wird noch schweizerische Waffen kaufen, die im Ernstfall nicht eingesetzt werden können? Ohne Export wird auch die einheimische Produktion unmöglich gemacht, was ironisch anmutet, da es gerade die eifrigsten Neutralitätsbefürworter von rechts sind, welche auf dem Grundsatz der bewaffneten Neutralität herumreiten.
Duckmäuserischer Bundesrat
Warum aber fällt der gegenwärtige Bundesrat solche unverständlichen und der Volksmeinung, die gegenüber einer stärkeren Unterstützung der Ukraine positiv eingestellt ist, widersprechenden Entscheidungen? Die für die Verteidigung zuständige Bundesrätin Viola Amherd ist offensichtlich das einzige Regierungsmitglied, das die rasche Erosion der internationalen Anerkennung schweizerischer Sicherheitspolitik begreift. Aber auch der mit der internationalen Lage vertraute Bundesrat Ignazio Cassis befürwortet die Lieferung der Panzer. Leider muss festgestellt werden, dass die beiden SP-Mitglieder in der Regierung, statt sich auf die Grundsätze ihrer Partei zu stützen, eine anpasserische Haltung gegenüber der nationalistischen Rechten einnehmen. Die Quittung dafür wird am Wahltag im kommenden Herbst ausgestellt.