Tausende von Trumps Anhängern sind am Samstag durch Washington gezogen und liessen ihrer Wut freien Lauf. Einige der Demonstranten trugen Kampfanzüge. Dabei waren Mitglieder der rechtsradikalen Proud Boys und anderer teils rechtsextremer Bürgermilizen.
Trump liess sich in seiner Präsidenten-Limousine an den Demonstranten vorbeifahren. Er winkte seinen jubelnden Anhängern zu und fuhr dann weiter zum Golfen.
Der rechtsextreme Verschwörungstheoretiker Alex Jones kündigte auf den Stufen des Supreme Court eine „zweite amerikanische Revolution“ an. Anwesend waren auch republikanische Abgeordnete, die Beziehungen zu den QAnon-Verschwörungstheoretikern haben.
Am Freitag hatte Trump im Rosengarten zweideutig von der „nächsten Regierung“ gesprochen. War dies ein erster Schritt zur Anerkennung seiner hoffnungslosen Lage? Oder will er bis zum bitteren Ende weiterkämpfen? Das letztere scheint der Fall zu sein.
„Noch ein langer Weg“
„MANIPULIERTE WAHL. WIR WERDEN GEWINNEN“, twitterte er am Sonntag mit Grossbuchstaben. Wenige Minute später ein neuer Tweet: Biden „hat nur in den Augen der FAKE NEWS MEDIA gewonnen. Ich gestehe NICHTS ein. Wir haben noch einen langen Weg zu gehen. Das war eine MANIPULIERTE Wahl!“
(„RIGGED ELECTION. WE WILL WIN!“ Biden „only won in the eyes of the FAKE NEWS MEDIA. I concede NOTHING! We have a long way to go. This was a RIGGED ELECTION!“) Twitter hat diesen Tweet umgehend mit einem Warnhinweis versehen.
Viele fürchten, dass der Aufmarsch vom Samstag in Washington ein Vorgeschmack für das sein könnte, was geschieht, wenn Trump seine Anhänger zum Aufruhr aufwiegeln sollte.
Lügen
„Die Trump-Regierung endet so, wie sie begann“, schreibt die Washington Post: Mit einer Lüge über die Zahl der Teilnehmer, die ihm zujubeln.
Als Trump vor vier Jahren seine Inaugurationsrede hielt, erklärte er, noch nie in der amerikanischen Geschichte hätten so viele Menschen einem Präsidenten zugejubelt. Er sprach von „weit mehr als einer Million Menschen“. In Wirklichkeit waren es halb so viele. Fotos wurden im Nachhinein manipuliert.
„Amazing: Mehr als eine Million“
Auch nach der Pro-Trump-Demonstration am vergangenen Samstag in Washington setzte das Weisse Hause Phantasie-Zahlen in die Welt. Trumps Pressesekretärin Kayleigh McEnany twitterte: „AMAZING! More than one MILLION marchers for President @realDonaldTrump descend on the swamp in support.”
In Wirklichkeit waren es einige Tausend. Trump selbst sprach von „einigen Zehntausend“. Die Anfrage der Washington Post, wie sie auf die Zahl von einer Million gekommen sei, liess Kayleigh McEnany unbeantwortet.
Amerika ist blauer geworden
Am Wochenende waren auch die letzten Ergebnisse der Präsidentschaftswahl veröffentlicht worden.
„What a great victory we had [in 2016] and we’re going to have an even bigger victory“, hatte Trump noch vor zehn Tagen bei einem Wahlkampfauftritt in Miami gesagt. Daraus wurde nichts.
Der Sieg Bidens ist eindrücklicher als jener von Trump vor vier Jahren.
Fünfeinhalb Millionen Stimmen mehr
Trump hatte 2016 landesweit 2,87 Millionen Stimmen weniger erhalten als Hillary Clinton. Biden hingegen überflügelt jetzt landesweit den Präsidenten mit über fünfeinhalb Millionen Stimmen.
Laut provisorischen Ergebnissen aus allen 50 Bundesstaaten (plus Washington D. C.) kommt Biden auf 78’659’395 Stimmen. Trump vereinigt deren 73’105’080 auf sich.
Verlust von Georgia und Arizona
Biden eroberte jetzt 306 Elektorenstimmen, genauso viele wie Trump vor vier Jahren gewann. Nötig sind 270. Was den Präsidenten besonders schmerzt, ist die Tatsache, dass es Biden gelang, ihm fünf Battleground-Staaten (Swing States) zu entreissen: Pennsylvanina, Michigan, Wisonsin, Georgia und Arizona.
Vor allem der Verlust von Georgia und Arizona betrachten viele Republikaner als Schmach. Beide Staaten galten seit Jahren als republikanische Hochburgen. In Arizona gewann Biden mit einem Vorsprung von 0,3 Prozent der Stimmen; in Georgia waren es ebenfalls 0,3 Prozent, obwohl dort Umfragen einen Sieg Trumps prognostizierten.
„Umspannender Wahlbetrug“
Trump akzeptiert die Ergebnisse nicht und spricht auch am Samstag von einem „umspannenden Wahlbetrug“. „Wir wurden Opfer eines massenhaften Betrugs“, erklärten auch Teilnehmer an einer Pro-Trump-Kundgebung am Samstag in Washington.
Wahlzettel mit dem Namen Trump seien massenhaft vernichtet worden. Auch Verschwörungstheorien grassieren. Einem Computerprogramm sei es gelungen, Pro-Trump-Stimmen in Pro-Biden-Stimmen zu verwandeln.
„Die sicherste in der Geschichte der USA“
Trumps Anwälte sind bereits mit einer Reihe von Klagen vor Gericht abgeblitzt. Die Wahlleiter der 50 Bundesstaaten haben in einer gemeinsamen Erklärung die Wahl als „die sicherste in der Geschichte der USA“ bezeichnet.
Jetzt soll Rudy Giuliani, Trumps schillernder Vertrauter und früherer Bürgermeister von New York, die Klagen bündeln und vor Gericht bringen. Giuliani gilt vielen heute als schwacher, schwer kompromittierter Anwalt und Lakai des Präsidenten. Laut Medienberichten glauben auch viele hochgestellte Republikaner nicht an einen Erfolg der Klagen.