Diplomaten müssen nach ihrer Pensionierung nicht mehr ganz so diplomatisch sein. Sie seien auch Bürger und könnten „erstmals wieder richtig von der Freiheit der Meinungsäusserung Gebrauch machen“.
Das wollen sie jetzt tun und mit ihrem Erfahrungsschatz die schweizerische Aussenpolitik befruchten.
Max Schweizer, die Lokomotive des neuen Vereins, hat eine jahrzehntelange diplomatische Karriere hinter sich. Stationen auf seiner Laufbahn waren die Schweizer Botschaften in Madrid, Riad, Pretoria, Helsinki, in den baltischen Staaten und in Ankara. Seit 2007 ist er in Genf stellvertretender Missionschef und befasst sich vor allem mit der WTO, der Efta und den Freihandelsabkommen. Nächstes Jahr geht er in Pension. Er betont, dass der jetzt gegründete Verein auch aktiven Diplomaten offen steht.
„Journal 21“: Es gibt in Genf und Bern mehrere Diplomaten-Klubs. Braucht es nun wirklich noch einen in Zürich?
Max Schweizer: Ja, genau, das braucht es dringend! – Es ist doch erstaunlich, dass es ausgerechnet in der grössten Agglomeration der Schweiz, wo sich immer mehr Diplomaten nach ihrer Pensionierung niederlassen oder eine Stelle antreten, keinen, wie auch immer gearteten „Kristallisationskern“ gibt. Schweizerische Diplomaten fühlen sich heute vom urbanen Raum Zürichs angezogen: Die meisten von ihnen verbrachten ihre ganze Laufbahn in grossen städtischen Zentren, im Vergleich zu vielen ist Zürich ein sehr schönes, „grünes Dorf“.
Die meisten Diplomaten, auch viele pensionierte, wohnen im Raum Bern oder am Genfersee. Wieso nun Zürich?
Gewichtige Diplomaten wohnen in Zürich! – Und mit „Genf“ und „Bern“ ist ja erst ein halber Bogen geschaffen, mit „Zürich“ wird er nun sinnvoll ergänzt: Die Perspektive am Ende dieses Bogens, dort wo ein grosser Teil unseres Wirtschaftswachstums generiert wird, wo beachtliche Universitäten und Forschungsinstitutionen liegen, ein lebhaftes „kulturelles Biotop“ für Abwechslung sorgt und der grösste Flughafen der Schweiz der Bevölkerung mitunter den Schlaf raubt - dort ist der Blickwinkel naturgemäss etwas anders.
In Ihren Statuten steht, sie wollten „den Kontakt ehemaliger Schweizer Diplomaten im Raum Zürich (Greater Zurich Area) fördern“. Was versprechen Sie sich davon? Droht da nicht eine sterile Insider-Diskussion zu entstehen?
„Sterilität“ wollen wir sicher nicht, im Gegenteil: Auch Diplomaten sind Bürger. Viele von ihnen können nach ihrer Pensionierung erstmals wieder richtig von der Freiheit der Meinungsäusserung Gebrauch machen. - Für das interessierte Publikum ist ab jetzt im Raum Zürich ein Ansprechpartner gegeben, ein Dialog wird sich ergeben.
Wie soll man sich einen künftigen Anlass von „SwissDiplomats – ZurichNetwork“ vorstellen? Jemand hält einen Vortrag, man diskutiert etwas, und das war es dann?
Wenn Sie den Anhang zu den Statuten durchgehen, sehen Sie die vielfältigen Ansatzpunkte; sie sind allerdings vorsichtig mit einem „kann“ versehen. Jetzt, nach der Gründung, werden wir im Rahmen des gewählten Vorstandes als nächstes die Prioritäten anhand der vorhandenen Mittel definieren. – Bevor Sie uns in einigen Wochen vielleicht wieder fragen, kann ich Ihnen allerdings jetzt schon versichern, dass uns auch der Kontakt „über den Röstigraben hinweg“ sehr am Herzen liegt.
Sie wollen also mehr als ein Alt-Herren-Club sein, ein Cüpli-Verein.
Ja, in der Tat wollen wir mehr als ein „Cüpli-Verein“ sein. Diplomaten haben im Übrigen gelernt, von vollen Cüpli– oder Champagnergläsern nur sehr selektiv Gebrauch zu machen. Zudem: wie herrlich kühlt etwa ein Thurgauer Süssmost oder mundet ein Rivella!
Wen stellen Sie sich als Mitglieder vor?
Es gibt drei Kategorien von Mitgliedern: die Ehrenmitgliedschaften, sie sind in der Regel früheren Staatssekretären vorbehalten; Aktivmitglieder, das sind pensionierte oder aktive Diplomaten, die den sogenannten „Eintrittsconcours“ absolviert haben; dann die Passivmitgliedschaften: sie stehen dem interessierten akademischen Nachwuchs und sonst interessierten Kreisen offen, hinzu kommen Institutionen – und Firmenmitgliedschaften als Sponsoren, sie sind ebenfalls Passivmitglieder.
Verfügen Sie bereits über Mitglieder?
Ohne Werbung zu machen, haben umgehend 25 aktive- und passive Gründungsmitglieder zu den Statuten Ja gesagt, beziehungsweise an der Gründung teilgenommen. Vieles freut mich dabei ganz besonders: einmal haben sich sofort fünf Vertreter des „akademischen Nachwuchses“ zur Mitgliedschaft bereit erklärt, dann gehören eine Diplomaten-Kollegin und ein Diplomaten-Kollege aus Genf zu den Gründungsmitgliedern.
Können Sie uns einige Namen nennen?
Ich nenne Ihnen die Zusammensetzung des Vorstandes: Präsident ist Christian Blickenstorfer, a. Botschafter; als Vizepräsident amtet Werner Baumann, a. Botschafter; Aktuar ist Thomas Füglister, a. Botschafter und als Beisitzer fungiert Christian Boesch, a. Direktor Zürcher Handelskammer, Ex-Diplomat. Quästor bin ich. Aktive Botschafter wie bereits pensionierte haben ihre Zusage gegeben oder ihr Interesse bekundet, z. B. auch alt Botschafter Carlo Jagmetti, er konnte an der Gründungsversammlung leider nicht teilnehmen.
Sehen Sie sich als eine Art aussenpolitischen Thinktank?
Nicht ganz ohne Absicht fand die Gründung in der altehrwürdigen „Zürcher Museumsgesellschaft“ statt, was durchaus doppelbödig verstanden werden soll. Der ursprüngliche Begriff „Museum“ meint etwa „gesammeltes Wissen“. Das ist auch die Quintessenz des Vereins; wer davon welches Wissen wie abrufen will und welche Felder der Verein „SwissDiplomats – ZurichNetwork“ genau abdecken wird bzw. kann, wird sich weisen. – So sind wir vergleichbar mit einer „Bibliothek“ bei der man sich bedienen kann – jeder Diplomat ein anderes Buch.
Der aktuelle Museumsbegriff wiederum kommt dann zum Tragen, wenn die EDA-Führung die Diplomaten-Rekrutierungsweise völlig verändert, bzw. den jahrzehntelang bewährten „Eintrittswettbewerb“ abschafft -.
Sie bringen alle jahrelange Erfahrung als Diplomaten mit sich. Wie können Sie diesen geballten Erfahrungsschatz nutzbringend in die gegenwärtige Politik einbringen?
Der National- und Ständerat verfügt je über eine aussenpolitische Kommission; die Verantwortung für die schweizerische Aussenpolitik liegt beim Bundesrat - und beim Parlament. Ob Volksvertreter von unserem Erfahrungsschatz Gebrauch machen wollen, müssen diese entscheiden; eine „Telefonnummer“ existiert ja nun ! – Davon abgesehen gilt: schweizerische Aussenpolitik geht uns alle an, sie gehört zudem nicht einer einzelnen Region oder gar Partei, sie gehört uns allen!
Damit die Diplomatie von ihren grossen Erfahrungen profitieren kann, müssen Sie Kontakt zu aktiven Diplomaten pflegen. Wie tun Sie das?
Internet und E-Mail-Verkehr fördern Vernetzung im Rahmen von „zivilgesellschaftlichen Initiativen“ nicht nur in Diktaturen, sondern sie werden auch uns im Kontakt mit aktiven Diplomaten sehr helfen. - Das diplomatisch jüngste aktive Mitglied ist übrigens eine tüchtige, Dritte Botschaftssekretärin.
Sie wollen Kontakt zum sogenannt diplomatischen Nachwuchs pflegen. Wie soll das geschehen?
Dass man nun auch im Raume Zürich Diplomaten „unkompliziert berühren“ kann, wird sich beim akademischen Nachwuchs rasch herum sprechen: für einen bescheidenen Eintrittspreis ist der „Nachwuchs“ über die Passivmitgliedschaft herzlich willkommen.
Sie wollen Beziehungen zu „einer breiten Öffentlichkeit“ fördern. Wie denn?
Sobald unsere Webseite geschaffen ist, ist dies gegeben; natürlich abgesehen davon, dass eine zunehmend „breitere Öffentlichkeit“ das Journal 21 liest…
Was erfahren wir auf der Website?
Die konzeptionellen Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen, erste Priorität hatte bis heute die Vereinsgründung. - Immerhin können Sie schon www.swissdiplomats.net anklicken, und dann erfahren, dass die Webseite „in Vorbereitung“ ist ….
Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass das Verhältnis vieler Botschafter und anderer Diplomaten zu ihrer Chefin nicht ideal sind. Worauf sollte die schweizerische Aussenpolitik vermehrt Wert legen?
Ich kann mich zu „allgemein bekannten Tatsachen“ nicht äussern. - Als Zeitungsleser habe ich allerdings davon erfahren, die hiesige Presse zeichnet sich in der Regel durch Qualitätsjournalismus aus.
Zur Aussenpolitik, zur „Ausgestaltung des Apparates“ und zur künftigen Rekrutierung von Diplomaten: es scheint mir eine genuine Aufgabe der Mitglieder der Aussenpolitischen Kommissionen zu sein, diesbezüglich sehr aufmerksam zu sein und verantwortungsbewusst zu handeln.
(Das Interview mit Max Schweizer führte Heiner Hug)