Kaum war die überraschende Einigung der Bank Wegelin mit den US-Justiz- und Steuerbehörden publik geworden, meldete sich Peter Viktor Kunz in «10vor10» mit einer ersten Analyse zu Wort. Der Professor für Wirtschaftsrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Bern drängt sich immer gerne vor die Kamera oder in den «Blick», wenn es etwas zu kommentieren gibt. Normalerweise zurückhaltend und mit staatstragend weichgespülten Worten. Aber diesmal nicht.
Schlimme Sache?
Der von Wegelin abgeschlossene Vergleich sei «eine schlimme Sache für die Schweiz», sorgt sich Professor Kunz. Insbesondere eine Aussage des Wegelin-Teilhabers Otto Bruderer vor dem Bezirksgericht New York stösst ihm sauer auf. Zitieren wir zunächst im Zusammenhang, was Wegelin in New York vor Gericht gesagt hat: «Gleichwohl glaubte Wegelin, dass sie aus praktischen Gründen für dieses Verhalten in den USA nicht strafrechtlich verfolgt würde, weil sie weder Filialen noch Büros in den USA unterhielt und auch, weil nach ihrem Verständnis Wegelin in Übereinstimmung mit und nicht entgegen Schweizer Gesetz handelte und solches Verhalten im Schweizer Bankgewerbe üblich war», führte Bruderer in einer Erklärung aus. Mit «Verhalten» meinte er, dass Wegelin US-«Steuerpflichtigen dabei half, ihre Rechtspflichten zu verletzen».
Dummes Geschwafel
Jetzt dazu der O-Ton Kunz in «10vor10»: Die USA «können nun geltend machen, dass die Bank Wegelin nur eine von vielen Banken ist – und das ist sicher ein Problem für die übrigen Banken.» Wenn wir den Professor da richtig verstehen, können die USA wegen der Aussage einer Bank nun geltend machen, was sie sowieso schon immer geltend machten und was durch diese Aussage weder gültiger noch ungültiger wird, sondern sowieso schlicht und ergreifend der Wirklichkeit entspricht. Oder unprofessoral ausgedrückt: Das ist Geschwafel, es fehlt jede logische Ableitung. Man kann nur hoffen, seinen Studenten biete er entschieden mehr Argumentation als den Fernsehzuschauern.
Abgrundtief bösartig
Anschliessend aber feuert der Herr Bankenprofessor, wie er sich gerne titulieren lässt, eine volle Breitseite ab, mit der er inzwischen auch in vielen deutschsprachigen Gazetten zitiert wird: «Ich habe damit gerechnet, dass die Busse höher sein wird. Es ist Spekulation, aber möglicherweise wagten die US-Behörden einen Discount einzugehen, weil sich Wegelin als Kronzeuge gegen die übrigen Schweizer Banken zur Verfügung gestellt hat.» Hoppla! Da wollen wir kurz die abgrundtiefe Bösartigkeit ausloten. Der Professor gibt nicht bekannt, aufgrund welcher Berechnungen er von einer höheren Busse ausging. Aber er insinuiert, dass es einen «Discount» gegeben habe. Er schliesst also von einer unbewiesenen Behauptung auf irgendeinen verborgenen Deal. Das ist nicht nur unwissenschaftlich, sondern unredlich. Aber es kommt noch dicker.
Professoraler Rufmord
Auf diese «Spekulation», die man jedem Jus-Studenten um die Ohren hauen würde, wagte er sie zu äussern, setzt Professor Kunz noch die Behauptung, dass sich die Bank Wegelin als «Kronzeuge» zur Verfügung gestellt habe. Selbst ein Laie weiss, was ein Kronzeuge ist. Ein Straftäter, der als Gegenleistung für seine Aussage gegen Mittäter eine mildere Behandlung erfährt. Aber genau das hat die Bank Wegelin nicht getan: Sie hat keine anderen verpfiffen oder Beweise gegen sie geliefert, um selbst ungeschoren davonzukommen, sie hat nicht einmal Discount erhalten, wie aus dem inzwischen veröffentlichten Agreement hervorgeht. Also ist das Geschwätz darüber keine «Spekulation», sondern eine Art professoraler Rufmord. Aber es kommt noch dicker.
Warum sagt Kunz das?
Zunächst – so viel von Juristerei versteht Kunz – rettet er sich mit «Spekulationen» halbwegs vor allfälligen strafrechtlichen Schritten der so angerempelten Bank. Also stellt sich die Frage: Wie kommt er dazu, solche wilden Behauptungen in die Welt zu setzen? Die Antwort, weit weniger Spekulation als seine, liegt doch auf der Hand: Er will damit die Bank Wegelin anschwärzen, als Verräter stigmatisieren, der, um möglichst billig davonzukommen, die übrigen Schweizer Banken ans Messer geliefert habe. Ein genauso aberwitziger wie unbelegter und daher absurder Vorwurf. Und gleichzeitig die Zuweisung einer Opferrolle an die übrigen Schweizer Banken, die dem Niedergang und dem einsamen Kampf der Bank Wegelin bislang unbeteiligt und ungerührt zuschauten.
Cui bono?
Etwas Latein für den Juristen: Die Frage «Wem nützt es?» hilft beim Verständnis immer. Diese Aussagen nützen all denen, die bis heute nicht wahrhaben wollen, dass nicht Wegelin allein ein Problem hat, sondern alle Schweizer Banken, die US-Steuerpflichtige beherbergen oder ihnen Unterschlupf boten. Also kann man die Beweisführung logisch zu Ende führen. Wenn die Aussagen von Professor Kunz den übrigen Banken nützen, dann ist er nichts anderes als ein Bankenbüttel. Seine unwissenschaftliche Spekuliererei und offensichtliche Parteilichkeit machen ihn eigentlich als Experten für das Fernsehen nicht mehr tragbar. Quod erat demonstrandum. Wenn ich da zum Schluss allerdings auch mal spekulieren darf: Auch das wird ihn nicht die Professur kosten. Unverständlich ist aber, wieso bislang keine juristische Koryphäe dem Professor die Leviten gelesen hat.