Robert Sandoz, designierter Direktor des neuen Hauses im Zentrum der Kantonshauptstadt, katapultierte sich bei der Eröffnung mit diesem Stossseufzer zielsicher ins Herz aller Beteiligten und der zahlreichen, die „Grande Salle“ bis auf den letzten Platz füllenden Honorationen und Theaterbegeisterten. Und erntete dafür Lacher und Applaus.
Thespiskarren anstelle der Brauerei
Denn was da aus dem riesigen Bauloch der ehemaligen Brasserie seit 2017 vor den Toren der historischen Altstadt emporgewachsen war, bestand als Projekt aus weit mehr als einem Theater: Ein grosser Wohn- und Geschäftskomplex begrenzt den Theaterplatz gegen Osten hin und bildet eine auch finanzielle Stütze für den Theaterbetrieb. Der Eingang zum unaufgeregten, lichten und flachen Theaterbau selber führt ebenerdig von der Strasse ins Foyer und zur Billeterie. Zu den insgesamt drei verschieden grossen Sälen steigt man in die Tiefe über drei Foyers hinunter, wobei der Hauptsaal mit 20 auf 32 Metern 436 Zuschauerplätze fasst.
Mit den übrigen Spielorten zusammen kann das Haus rund 800 Zuschauer aufnehmen. Die Architekten Alexandra Gübeli und Yves Milani vom Zürcher Architekturbüro GMX zeichnen für den wohltuend funktionell, aber trotzdem auch irgendwie vertraut wirkenden, in keiner Hinsicht überdimensionierten Bau verantwortlich.
Zentrum der darstellenden Künste
Nur einen Steinwurf weit über die Strasse hinüber liegt das bereits seit Jahren etablierte „Forum St-Georges“, ein Kulturzentrum, welches ebenfalls über einen hübschen, vor allem für Tanz, Kammermusik, Lesungen oder Kabarett geeigneten Saal verfügt. Zusammen mit dem neuen grossen Haus besitzt Delémont somit ein Zentrum für darstellende Künste, das vor allem für die gesamte Theaterszene der Romandie wichtig werden soll und heute schon ausstrahlt.
Aber auch bekannte Ensembles und Solisten aus der deutschsprachigen Schweiz sowie aus dem Ausland haben sich bereits gemeldet und sind in dieser ersten Spielsaison prominent vertreten. Sogar eine Welturaufführung mit dem Orchester Musique des Lumières mit „The Brodsky Album“ nach Texten von Joseph Brodsky ist in Vorbereitung (30.01.2022).
Einen vielbeachteten Programmpunkt wird der Auftritt der „afrikanischen Diva“ Angélique Kidjo bieten, welche nach ihrem grossen Auftritt in Montreux auch dem intimen Jura-Theater die Ehre geben wird (18.12.2021) – um nur zwei Beispiele aus der grossen Vielfalt von Musik, Schauspiel, Tanz, Kabarett, sogar Zirkus und auch Jazz zu nennen. Das Haus wird zudem schon Ende Oktober die Ehre haben, Ort der Preisverleihung des Grossen Schweizer Theaterpreises zu sein.
Keine „gepuderte Elite“
Dem demokratischen Selbstbewusstsein des Kantons entsprechend wird in diesem Haus auch betont viel für die kulturelle Bewusstseinsbildung von Jugendlichen und Kindern getan. Denn hier ist nun mal (fast) alles jung: der Kanton, das Theater, der Direktor, das rund 25-köpfige Team, die KünstlerInnen. Das Theater will ein offener Ort für alle Jurassierinnen und Jurassier sein, „kein Ort für eine gepuderte Elite, welche sich in ihren Elfenbeinturm zurückzieht“, wie „Le Quotidien Jurassien“ schrieb. Der Zusammenarbeit mit grenzen-überschreitenden kulturellen Vereinigungen wird deshalb viel Platz eingeräumt, insbesondere auch mit dem nahen französischen Belfort, der Zwillingsstadt von Delémont.
Wie sehr dieses neue Theater auch im Geist des jurassischen Selbstbewusstseins wirken soll, macht der Vorschlag des Chefredaktors von Le Quotidien Jurassien deutlich: Rémy Chételat schlägt vor, auf den Zeitpunkt des fünfzigsten Geburtstages des jungen Kantons, der am 23. Juni 1974 begründet wurde, ein grosses Spektakel zu schaffen, welches alle Künste einbeziehen soll, unter einem einzigen, alle und alles vereinenden und bewegenden Thema: Liberté, Freiheit. Das wäre schon 2024. Wir dürfen gespannt sein. Merde, on y est!
Fotos: © Laura Weidacher