Zwei französische Milliardäre haben sich in den letzten Jahren in Paris Kunst-Tempel errichten lassen. Bei beiden spielt das Museumsgebäude, und damit der Geldgeber, eine ebenso grosse Rolle wie dort gezeigte Kunst. Wohl absichtlich.
Bernard Arnault ist der Mann hinter dem französischen Luxusgüterkonzern LVMH (Louis Vuitton, Moët, Hennessy). Seine «Fondation Louis Vuitton» ist eine futuristisches Schachtelung von Beton und Glas des amerikanischen Architekten Frank Gehry und steht in der «Bois de Boulogne», dem ausgedehnten Park am westlichen Rand von Paris.
François Pinault ist sein grosser Konkurrent als Mann hinter dem Luxusgüterkonzern Kering (Yves St. Laurent, Gucci etc.); seinen Kunst-Tempel «Collection Pinault» hat er sich vom japanischen Architekten Tadao Audo mitten in Paris im ehrwürdigen Gebäude der ehemaligen «Bourse de Commerce» errichten lassen. Beide Gebäude wollen mehr sein als «klassische Museen» indem sie «in einen Dialog treten mit der gezeigten Kunst». Und damit soll Form, also das Museum und Gegenstand, also die Kunst, zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen.
Die Collection Pinault
In der «Bourse de Commerce» ist dies wörtlich zu verstehen. Die grosse Eröffnungsausstellung 2020/21 bot als «pièce de résistance» abbrennbare Wachsskulpturen des Schweizers Urs Fischer. Genaue, aber übergrosse Kopien berühmter Renaissance-Skulpturen in Wachs, welche, einer gigantischen Kerze gleich, zu Beginn der Ausstellung angezündet wurden und bis zu ihrem Ende zu einem harten Klumpen Wachs geronnen waren.
Dies in der Rotunda des Gebäudes, wo vor Jahrzehnten noch Getreide und andere Naturalien «à la criée» gehandelt worden waren. Wie für viele andere Besucher offensichtlich auch konzentrierte sich mein Interesse nach dem anfänglichen Aha-Erlebnis angesichts des Kerzen-Spektakels auf die von Audo aufwändig restaurierten Fresken der Rotunda mit wunderschönen Abbildungen landwirtschaftlicher Produktion aus dem 19.Jahrhundert.
Die Fondation Louis Vuitton
Diese besteht seit rund acht Jahren und zeigte zu Beginn primär «grosse Kunst», so bekannte Sammlungen von Impressionisten, was jeweils grosse Warteschlangen vor dem Eingang nach sich zog. Nicht so im Moment. Bei einem kürzlichen Besuch war der schnelle Zugang zur Ausstellung «Simon Hantaï, l’exposition du centenaire» kein Problem. Ob wohl der Name dieses deutsch-ungarischen Künstlers, 1922 geboren und vor ein paar Jahren in Paris verstorben, dem ja sehr grossen Pariser Kunstpublikum ebenso unbekannt ist, wie das auf mich zutraf? Über zeitgenössische Kunst lässt sich trefflich streiten, aber auch hier fiel die «Abstimmung mit den Füssen» angesichts von Hantaï’s Riesen-Bilder immer derselben Faltungen in verschiedenen Farben eindeutig aus. Am meisten Besucher fanden sich auf den verschiedenen verwinkelten Dachterrassen von Gehrys Bau mit wunderschönen Ausblicken auf Stadt und «Bois de Boulogne».
Immerhin: Im Rahmen der zweiten im Moment in der Fondation gezeigten Gruppen-Ausstellung, «La Couleur en Fugue», frappiert eine der gezeigten Künstler und Künstlerinnen. Die Deutsche Katharina Grosse hat den auch hier geltenden Anspruch eines «Dialoges zwischen Raum und Werk» wörtlich genommen, indem sie eine monumentale Farbenkonstruktion so mit dem Ausstellungsraum verband, dass man bei dessen Betreten vermeint, einen dreidimensionalen Regenbogen zu besteigen. Frappant und einzigartig, wenn auch kaum transportierbar. Ratlos zurückgelassen haben mich andererseits die monotonen Farbtupfer-Gemälde der seit langem in Paris tätigen Tessinerin Niele Toroni.
Was soll das?
Bei beiden Gebäuden und einigen Exponaten wird man den Eindruck nicht los, dass sie primär dem Nachruhm ihrer Stifter dienen. Natürlich ist moderne, ganz zu schweigen von zeitgenössischer Kunst kompliziert in ihrer Präsentation. Aber soviel letztlich öffentlichen Raum für ihre persönliche Geschmacksrichtung zu beanspruchen, wie dies Arnault und Pinault tun, erscheint irgendwo stossend, zumal die Eintrittspreise in ihre zwei Tempel eher substantiell ausfallen.
Angesichts dieser beiden Museen fragt man sich, ob Gebäude, welche der Staat erbaut, um darin der Öffentlichkeit Kunst zu zeigen, nicht mehr möglich sind? Ein weiterer Museumsbesuch, der fest zum Programm in Paris gehört, versöhnt: Im schon fast ehrwürdigen «Centre Pompidou» frappiert natürlich auch zunächst die eigenwillige Konstruktion des Gebäudes; im Innern einmal angekommen, dem «Musée National d’Art Moderne», dominiert aber eindeutig die Kunst und nicht der Rahmen.