Gastkommentar von Wolfgang Rehfus *)
Fast könnte man meinen, wir haben nichts aus der Geschichte des vergangenen Jahrhunderts gelernt. Wollen wir tatsächlich den Frieden in Europa gefährden? In einer Zeit, in der es schon genug Konflikte gibt, ist dies brandgefährlich! Die Schweizerische Volkspartei SVP hat sich selbst zum Vorbild und Vorreiter dieser Kräfte gemacht und ist sogar noch stolz darauf.
In der «The Sun», der auflagenstärksten Tageszeitung Grossbritanniens, erklärt die Junge SVP den Briten den EU-Austritt. Die SVP verletzt damit die Neutralität und gefährdet die Sicherheit der Schweiz.
Und nun kommt Ecopop mit einer noch radikaleren Abschottungspolitik gleichsam als Turbolader der SVP. Der Verein Ecopop beteuert unabhängig zu sein, versuchte aber taktisch mit der rechts-aussen Organisation «Auns» zu kooperieren und hat sich auch von der radikalen Politik der SVP nicht distanziert, was ja inhaltlich glaubhaft kaum möglich wäre. Selbst der soziale Mantel zur Familienplanung wird ohne zusätzliches Budget beantragt und würde bestehende Entwicklungshilfebudgets kürzen. Auch dies zeigt eine taktische Zusammenarbeit mit der SVP, ohne deren Unterstützung Ecopop keine Chance hat.
Frieden in Europa ist kein Pokerspiel
Der Verein Ecopop sollte folgende Fragen im Kontext der Situation in Europa beantworten:
- Wollen Sie, dass das Friedensprojekt Europa erhalten bleibt?
- Wollen Sie, dass rechtsradikale Tendenzen in Europa unterstützt werden?
Dabei müsste man ein klares Ja zum Friedensprojekt Europa und ein ebenso eindeutiges und klares Nein zu rechtsradikalen Tendenzen erwarten - ohne wenn und aber! Da dies mit der Ecopop-Abschottung nicht zu vereinbaren ist, müsste es zu einem Bewusstseinswandel führen.
Zum glaubwürdigen Schutz der Lebensgrundlagen und im Gesamtzusammenhang zur Erhaltung des Friedens, der Voraussetzung zur Bewahrung der Lebensgrundlagen, sollte Ecopop offiziell abgesagt und durch konkrete Lösungen für die «Masslosigkeiten unserer Zeit» ersetzt werden. Ecopop verletzt die Bundesverfassung (z.B. Art. 24 Niederlassungsfreiheit) und ist in einer seit Jahren von der SVP aufgeheizten fremdenfeindlichen Stimmung masslos schädlich.
Friedensprojekt Europa gestalten und verbessern
Der Frieden in Europa ist kein Pokerspiel. Die SVP sagt offiziell Nein zu Ecopop, aber intern wird offen das Ja ausgesprochen und die SVP Parteispitze hat «Verständnis» dafür. Die SVP hat die Turbolader-Funktion von Ecopop erkannt und hält sich temporär zurück. Danach wird sie unabhängig vom Abstimmungsergebnis weiterhin das Ziel einer masslosen neo-liberalen Wirtschaftspolitik und das Ziel einer egoistischen Abschottung einschliesslich Saisonier-Statut und Zunahme der Grenzgänger, sowie der daraus resultierenden zusätzlichen Umweltbelastung verfolgen.
Die Situation ist so aufgewühlt, dass es inzwischen sogar in Friedens- und Umweltkreisen sehr aktive Leute gibt, die den von Christoph Blocher geschürten «irrationalen Hass auf Europa» quasi übernommen haben und alles unterstützen was gegen die EU gerichtet ist. Dahinter steht verständliche Kritik an der neo-liberalen Wirtschafts- und Kriegspolitik der USA. Aber gerade dies sind gute Gründe, um sich für das Friedensprojekt Europa zu engagieren und zu dem zu machen was wir alle wollen und brauchen: ein friedliches, umweltfreundliches, soziales und stabiles Zusammenleben in Europa.
Hauptzuwanderung von uns selbst gesteuert
Um den Migrationsdruck zu reduzieren, können wir realistischerweise nur versuchen die Unterschiede zwischen den Ländern zu verringern (z.B. Sozialstandards und subjektive Lebensqualität), was eine erhöhte Entwicklungshilfe mit viel Bildung bedingt (oder reduziertes Konsumverhalten und verringerter Luxus bei uns). Folglich ist auch die Ecopop-Familienplanung zur Reduktion des Wirtschaftswachstums sehr fragwürdig.
Mit Gesetzen könnte man die von manchen Leuten beschriebene dramatische Migrationswelle auch gar nicht aufhalten. Zur Ecopop-Umsetzung müsste man dann letztendlich nach dem Vorbild der Grenze USA-Mexiko eine Betonwand mit Stacheldraht um die ganze Schweiz errichten, aber auch das würde die Probleme nicht lösen und wir würden uns in einem solchen Gefängnis auch nicht mehr wohl fühlen.
Ich glaube auch gar nicht, dass die Schweiz bei Migranten so sehr beliebt ist, wie manche es meinen (oder dass sogar Millionen Chinesen kommen wollen). Das Bundesamt für Statistik informiert: «Mit über 40’000 Asylgesuchen in den Jahren 1991, 1998 und 1999 wurde in der Schweiz ein Höchstniveau erreicht. Im 2013 sind die Asylgesuchen 21'500.» (BFS, 2014). Die Hauptzuwanderung erfolgt bekanntlich nicht wegen Migrationsdruck von aussen, sondern wegen dem Arbeitskräftebedarf unserer Wirtschaft von innen, ist somit vollständig von uns selbst gesteuert und kommt aus Europa.
Der Reduit-Gedanke funktioniert nicht mehr
Auch für die Schweiz wäre es fatal, wenn Europa in die Kleinstaaterei und den Egoismus des Mittelalters bez. des Nationalismus des vergangenen Jahrhunderts zurückfällt. Der Schweizer Reduit-Gedanke des letzten Jahrhunderts funktioniert heute im Atomzeitalter nicht mehr. Daher sollte die Schweiz die derzeitigen rechtsradikalen Tendenzen in der Schweiz und in Europa auch nicht ansatzweise unterstützen, aber leider macht Ecopop genau dies - vielleicht ungewollt, aber das ändert nichts.
Zum glaubwürdigen Schutz der Lebensgrundlagen und im Gesamtzusammenhang zur Erhaltung des Friedens, der Voraussetzung zur Bewahrung der Lebensgrundlagen, sollte Ecopop offiziell abgesagt und durch konkrete Lösungen für die «Masslosigkeiten unserer Zeit» ersetzt werden (z.B. rasche Energiewende, wirksame ökologische Steuerreform, Ende von Steuerdumping).
*) Wolfgang Rehfus, Kilchberg, Wirtschaftsinformatiker Uni Zürich, ist Herausgeber von SolarPeace.ch