Da liegen zwölf Tote herum. Leute, die sich für die Demokratie, für die Menschenrechte, für westliche Werte, für die Meinungsfreiheit einsetzen. Und was fällt unserer Bundesrätin als erstes ein: "Satire ist kein Freipass". Bereits wird dieser Faux-pas erster Güte im trauernden Paris mit Abscheu zur Kenntnis genommen.
Natürlich folgt nach dem verunglückten Satz noch eine Relativierung. „Aber keine Darstellung, keine Publikation legitimiert Gewalt. Das ist aufs Schärfste zu verurteilen.“
Kennt Frau Leuthard Charlie Hebdo überhaupt? Weiss sie, welch tapfere Journalisten das sind, die mit Todesdrohungen leben? Der Chefredaktor wurde im vorletzten Jahr auf eine Todesliste von Al-Qaida gesetzt, weil er sich gegen die Politik der Djihadisten stark machte, weil er sich für die universalen Menschenrechte einsetze.. Seither lebte er mit Polizeischutz. Jetzt ist er tot. Und Frau Leuthard sagt dazu: „Satire ist kein Freipass“.
Leuthards Reaktion löste einen Shitstorm aus. Kleinlaut und wenig überzeugend musste dann ihre Mediensprecherin antreten. Es handle sich um ein Missverständnis. Die Bundesrätin bedaure, dass es zu diesem Missverständnis gekommen sei. Nichts würde die Gewalt, das Attentat rechtfertigen. Hätte sie auch bedauert, wenn es nicht zu einem Shitstorm gekommen wäre?
Was war denn mit dem Satz „Satire ist kein Freipass“ gemeint? Die Pressesprecherin japste nur und konnte keine Antwort geben.
Zehntausende demonstrieren im Moment in Frankreich für Meinungsfreiheit und demokratische Werte. Die Zwölf sind gestorben für die Freiheit der Medien und liessen sich nicht von radikalen Jihadisten einschüchtern. Vor diesem Hintergrund ist Leuthards Aussage nur ein Hohn.
Frau Leuthard, wenn Sie Twitter nicht beherrschen, lassen Sie es doch.
Zusatz, mitgeteilt von Roland Jeanneret:
Neben Solidaritätskundgebungen mit den Opfern des abscheulichen Attentats von Paris in Lausanne und Genf haben auch rund 200 Journalistinnen und Journalisten am Mittwochabend auf dem Berner Bundesplatz schweigend gegen den Mordanschlag auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" protestiert.
Zur Kundgebung hatten Berufsorganisationen der Medienschaffenden kurzfristig aufgerufen. Das Attentat sei „ein Anschlag gegen Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, gegen Freiheit allgemein und gegen Demokratie“.
Der Protest richtete sich aber auch gegen eine „unglückliche Formulierung“ auf einem Tweet von Bundesrätin Doris Leuthard. Der Präsident der Berner Journalisten (impressum-bern), Markus Dütschler, schrieb der Medienministerin in einer offenen Stellungnahme wörtlich: „Ihr Tweet zum schrecklichen Ereignis enthält unter anderem den Satz: ‚Satire ist kein Freipass’.
Frau Bundesrätin, bei allem Respekt: Das war das Unpassendste, was man zu diesem Zeitpunkt sagen konnte. Jede Relativierung, die auch nur verhalten antönt, dass die Opfer möglicherweise an ihrem Schicksal durch ein wie immer geartetes Fehlverhalten eine Mitschuld tragen könnten, ist völlig deplatziert und inakzeptabel. Von Ihnen als Kommunikationsministerin der Schweiz hätte ich eine Verurteilung dieser feigen Mordserie erwartet – ohne Wenn und Aber“.