Gut einen Monat nach der Terrornacht vom 13. November mit weltweit negativen Schockwellen, findet sich Paris mit der Verabschiedung einer internationalen Klimakonvention und einer Wahlniederlage für die extreme Rechte im Brennpunkt positiven internationalen Geschehens.
Die Auswirkungen der Klimakonvention werden von Experten zwar unterschiedlich bewertet, aber dass sie zustande kam, ist ein eindeutiger Sieg internationaler Diplomatie. Damit auch ein grosser Stachel im Fleisch jener, welche ihren Wählern vorgaukeln, Rückzug in nationale Schutz- und Trutzburgen sei die einzige Lösung, um den gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Krisen beizukommen.
Rückenwind für die Nationalisten, vorerst
In Frankreich schienen diese Rückzugsabsichten mit dem 13. November noch um ein gutes Stück zu wachsen. Zur Verunsicherung über den schleppenden Gang der Wirtschaft, zur Angst vor Arbeitslosigkeit, zu Abwehrreflexen angesichts einer Welle von aussereuropäischen Migranten, zur Beunruhigung über zunehmende Luftverschmutzung kam nun noch die Terrorgefahr.
Kein Wunder also, dass in Frankreich, wie anderswo, die mit Krisenangst operierenden Nationalisten Rückenwind verspüren. So die Nationale Front (FN) von Marine Le Pen und ihrer Nichte Marion Le Pen, welche sich beide trotz ihrem Geschlecht würdig in die Front der Trump, Putin, Erdogan, Orban, Kaczynski und anderer ’starker Männer’ einreihen. In Europas Südosten und Osten, ausgeprägt in Ungarn und Polen, dominieren solch schwarze Popanzen bereits. Dies in einem Masse, dass kürzlich in der New York Times, einem internationalen Medienschwergewicht, sich ein amerikanischer Beobachter über die zwei ersten Seiten hinweg zu fragen scheint (‘Has Europe reached the breaking point?’), ob dort längst vergangene Schatten der Vergangenheit wieder auferstehen.
Der FN, von den Machthebeln ferngehalten
In Frankreich haben die ersten Wahlen seit dem 13.11. solche Tendenzen zunächst bestätigt, dann aber im entscheidenden zweiten Wahlgang der Regionalwahlen widerlegt. Mit einer republikanischen Front, dem Zusammengehen von Sozialisten und Mitte-Rechts, wurde die Nationale Front mit deutlichem Abstand von den Machthebeln ferngehalten.
Ein gutes Zeichen, darauf hindeutend, dass eine Mehrheit trotz allem den traditionellen Parteien mehr vertraut als ungeprüften Populisten, wie laut diese auch immer nach einer ‘starken Hand’ im Staat schreien mögen. Dies ist aber erst die Hälfte eines wirklichen Erfolgs. Die ungelösten wirtschaftlichen und sozialen Probleme müssen durch die so bestätigten Politiker zumindest energischer angepackt werden. Dies wiederum in Frankreich und anderswo, da sonst weitere Terraingewinne der extremrechten Nationalisten lediglich vertagt werden.
Zu Hause bleiben
In Frankreich bleibt die Rückkehr zur Normalität in der Folge der Terrornacht an der Oberfläche. Eine Mitarbeiterin in der Verwaltung des ‘Centre des Monuments Nationaux’ erwähnt im Gespräch einen Rückgang der Besucherzahlen der französischen Geschichtsikonen nach dem 13.11. um fast 40%. Die ‘chinesische‘ Etage des legendären Kaufhauses ‘Galleries de Lafayette’, wo normalerweise Scharen von Touristen ihre Einkäufe und den Mehrwertsteuerabzug ausschliesslich in Mandarin tätigen, erscheint verlassen. Alte französische Bekannte, normalerweise vernünftig, wollen nicht einmal mehr zum Essen ausgehen. Höchstens noch für einen Kirchengang, aber dort ‘werden sie das nächste Mal auf uns schiessen’, sagen sie.
Dies sind momentane Stimmungsbilder, gewiss. Die generelle Gefühlslage in Frankreich ist indes gespannt und nicht gerade optimistisch. Umso erfreulicher die eingangs erwähnten guten Nachrichten.
Gesunder Patriotismus vs. zerstörerischer Nationalismus
Jedes europäische Land wählt selbst den politischen Weg, um der Radikalisierung seines Politklimas zuvorzukommen, je nach Geschichte und Ausbildung seiner Demokratie. Frankreich tut dies durch den Ausschluss des FN vom politischen Staatsgeschäft. Andere Länder versuchen, die einschlägigen Parteien der ‘starken Männer’ mit der Einbindung in gemässigtere Koalitionen zu zähmen.
Kein Land, gerade im von seiner jüngeren Geschichte gezeichneten Europa, wird aber darum herumkommen, bei der Lösung seiner Probleme eine klare und scharfe Abgrenzung zu ziehen. Jene Grenze, welche verläuft zwischen gesundem Patriotismus und zerstörerischem Nationalismus, zwischen lokaler Eigenständigkeit und dem absurden Anspruch, die grossen, definitionsgemäss grenzüberschreitenden Probleme der Gegenwart ausschliesslich nationalstaatlich angehen zu wollen.