An der Manipulation des Libor waren weltweit viele Banken beteiligt. Die London Interbank Offered Rate bestimmt den Zinssatz, zu dem sich Banken gegenseitig Geld leihen. Von diesem Leitzins hängt der Wert von Finanzprodukten im Volumen von über 300 Billionen Dollar ab. Festgelegt wird er täglich auf einer im modernen Banking völlig untauglichen Grundlage: auf Vertrauensbasis. Denn jedes Mitglied der den Libor bestimmenden British Bankers’ Associationen, dazu gehören auch UBS und CS, meldet einfach seinen Zinssatz, daraus wird ein Durchschnittswert errechnet. Das ist dann der Heilige Gral, der Urmeter im weltweiten Finanzhandel.
Lüge und Wahrheit
Durch die letzten Finanzkrisen hindurch behaupteten weltweit die Banker, dass es ihnen im Rahmen des modernen High-tech Financial Engineering gelungen sei, endlich den Zufall durch mathematische Gewissheit, die Unwägbarkeiten zukünftiger Entwicklungen durch algorithmisierte Berechenbarkeit zu ersetzen. Die banale Wahrheit ist: Es wurde und wird getrickst, betrogen, beschissen, manipuliert und geschwindelt wie noch nie zuvor. Das, und nicht etwa die Beherrschung der Finanzflüsse durch die Masters of the Universe, ist die Quelle für vergangene Gewinne und persönliche Bereicherung im Multimilliardenbereich. Aber die Party ist vorbei; geldhungrige Staaten räumen auf und nützen die Verjährungsfrist von durchschnittlich 10 Jahren aus, um bis 2002 zurück Untaten zu bestrafen.
Sonderfall Schweiz
Wo der neuste UBS-CEO Recht hat, hat er Recht. Sergio Ermotti wurde scharf kritisiert, als er im Frühling dieses Jahres konstatierte, dass die Schweiz «mitten drin im Wirtschaftskrieg» steckt. Die Ausgangslage ist einfach. Es gibt drei grosse, konkurrierende Finanzplätze auf der Welt, wenn wir Asien mal beiseite lassen. Die USA, England und die Schweiz. Die noch grösste Militärmacht USA, das immer noch die Reichtümer eines untergegangenen Empire verwaltende England und den Kleinstaat Schweiz. Zwei der drei Finanzplätze werden von Wirtschaftskrise und unerträglicher Staatsverschuldung geplagt, der dritte floriert als die Insel der Seligen in einem Meer von verlumpenden und geldhungrigen Staaten.
Teures Wegducken
Die Schweizer Regierung und unsere grossen Banken versuchen seit 2008, mit Unterwürfigkeit, Nachgiebigkeit und Kooperationsbereitschaft Angriffe auf den Finanzplatz Schweiz abzuwettern. Wobei die unsägliche Dummheiten der beiden Grossbanken, die in der US-Subprime-Krise, im Steuerhinterziehungsgeschäft, in irrwitzigen Derivatespekulationen (Stichwort Adoboli) geradezu verbrecherische Beihilfe dazu geleistet haben, dass in die Alpenfestung Schweiz grosse Breschen geschlagen wurden. Begleitet wird dieses Versagen von einem Bankrott der Regierungspolitik, deren Verhandlungsgeschick gegenüber den USA und europäischen Staaten nur eine Qualifikation verdient: Desaster.
Sonderfall UBS
Es fällt auf, dass eine Bank in der Schweiz ausnahmslos immer vorne dabei ist, wenn es darum geht, den grössten Stiefel aus einem Schlamassel herauszuziehen. Handel mit US-Hyporamschderivaten, Beihilfe zu Steuerhinterziehung, unkontrollierte und katastrophale Spekulationen, Libor-Manipulation. Die Ergebnisse sind immer schlimmer als bei allen anderen Banken, die Verluste und Bussen immer relativ gesehen höher. Das Karussell in der Chefetage dreht sich immer schneller, immer wieder treten neue Mannschaften an, die angeblich aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben, aufräumen wollen, die Bank in eine glorreiche Zukunft zu führen versprechen. Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen. Es handelt sich hier nicht um das Versagen von überbezahlten Managern und Verwaltungsräten. Sondern diese Bank ist strukturell krank. Todkrank.
Versagen aller Orten
In solchen Fällen, wenn ein Wirtschaftsorganismus todkrank ist und sich nicht aus eigenen Kräften heilen kann, müssten staatliche Aufsichtsbehörden eingreifen und statt lebenserhaltenden Massnahmen wie eine weitere Bankenrettung endlich den Patienten für hirntot erklären und, um im Bild zu bleiben, noch brauchbare Organe einer weiteren Verwendung zuführen. Die dafür zuständige Behörde FINMA, die die Kompetenz hätte, über den Entzug einer Banklizenz zu entscheiden, ist aber personell mit der UBS verflochten. Mark Branson, der oberste FINMA-Bankenaufseher, war zuvor UBS-Chef Securities Japan, also Aufseher über die UBS-Zweigstelle, deren Libor-Manipulationen zur aktuellen Milliardenbusse führten. Wie weiland das Ex-UBS-Kader Eugen Haltiner als FINMA-Präsident eine unselige Rolle bei der vom Bundesverwaltungsgericht als illegal beurteilten Offenlegung von UBS-Konten zuhanden des amerikanischen Fiskus spielte. Und der Oberaufseher über die FINMA, der Bundesrat, versagt an allen Verhandlungsfronten mit dem Ausland eins ums andere Mal kläglich.
Trübe Aussichten
Die 1,4 Milliarden sind nicht die letzte Busse, die einer Schweizer Bank die Bilanz verhagelt. Im Rahmen der Steuerstreitigkeiten mit der halben Welt drohen weitere Zahlungen in zweistelliger Milliardenhöhe. Noch schlimmer: Das wichtigste Asset des Finanzplatzes Schweiz, wie ein Banker sagen würde, ist Vertrauen. Bei allen legalen Bankgeschäften, und davon gibt es ja auch in der Schweiz genug, werden grosse Vermögenswerte dorthin allokiert, wo Stabilität, Vertrauen und Rechtssicherheit herrschen. Wo verantwortliche Regierungspolitik, wirtschaftliche Prosperität, funktionierende Strukturen und Kontrollen sowie Kompetenz und Know-how existieren. Welche dieser entscheidenden Kriterien treffen noch auf die Schweiz zu?