„Es werden zwei spannende Monate werden“, sagte Donald Trump am Dienstag nach dem Triumph in der Vorwahl in Nevada: „Vielleicht, Leute, brauchen wir nicht einmal diese zwei Monate“. Mit seiner Prognose spielt der Neo-Politiker auf die Zahl der 1‘273 Delegiertenstimmen an, die ein Republikaner im Juni am Parteikongress in Cleveland (Ohio) erreichen muss, um als Präsidentschaftskandidat der Grand Old Party (GOP) für die Entscheidung am 8. November nominiert zu werden.
„Super Tuesday“
Zwar sind bisher erst relativ wenige Stimmen verteilt worden. Doch das wird sich am 1. März ändern, wenn in zwölf US-Bundesstaaten und im Territorium Samoa weitere Vorwahlen der Republikaner stattfinden. Am „Super Tuesday“ sind insgesamt 641 Delegiertenstimmen zu holen, davon allein 155 in Texas.
Wer unter den Kandidaten danach deutlich in Rückstand gerät, dürfte dieses Manko später kaum noch wettmachen können. Vorläufig werden die Delegiertenstimmen noch proportional vergeben. Ab Mitte März, unter anderem in Florida, heisst es dann aber: „Winner-take-all“.
Ted Cruz und Marco Rubio
Auch wird unter Umständen klar werden, ob sich Ted Cruz (Texas) oder Marco Rubio (Florida) als erster Herausforderer Donald Trumps etablieren kann. Die beiden konservativen Senatoren, der eine der Liebling des Partei-Establishments (Rubio), der andere innerparteilich äusserst verhasst (Cruz), liegen derzeit bei den Delegiertenstimmen fast gleichauf.
Und beide müssen sich überlegen, wie sie sich gegenüber ihrem engsten Konkurrenten und nach einer Entscheidung zwischen ihnen gegenüber dem führenden Trump profilieren wollen. Rubio geniesst die Sympathien eher traditioneller Republikaner, während Cruz auf evangelikale Wähler setzt. Marco Rubio hofft zudem, jenes Wählersegment und jene Geldgeber von sich überzeugen zu können, die bisher hinter seinem Mentor Jeb Bush gestanden sind.
Steigende Kosten
Ted Cruz hat bisher für seinen Wahlkampf 104,2 Millionen Dollar sammeln können, wovon noch 26 Millionen in seiner Kriegskasse schlummern. Marco Rubio ist es gelungen, 84,6 Millionen Dollar anzuhäufen, von denen er noch 21,8 Millionen ausgeben kann. Nach den Entscheidungen in einzelnen Staaten wird das Rennen um den Einzug ins Weisse Haus noch teurer, da Vorwahlen künftig jeweils in mehreren Staaten gleichzeitig stattfinden und die „Detailpolitik“ der „Engrospolitik“ weicht, deren Auseinandersetzungen stärker via nationales Fernsehen ausgetragen werden, wo Werbung entsprechend teurer ist.
Noch sind bei den Republikanern allerdings auch Gouverneur John Kasich (Ohio) und der frühere Neurochirurg Ben Carson im Rennen. Sie haben bisher keine Anstalten gemacht, sich aus dem Wahlkampf zurückzuziehen, vor allem nicht Kasich, der auf die Vorwahl in seinem Heimatstaat zählt. Diese geht am 15. März über die Bühne; zu holen sind in Ohio 66 Delegiertenstimmen.
Mitleid und Häme
Indes trauern in Amerika nicht viele dem zumindest vorläufigen Ende der Bush-Dynastie nach. Noch ist der 40-jährige George P. Bush, Jebs ältester Sohn und ein Doktor der Rechte, politisch unterwegs – als Vorsteher jener Behörde, die in Texas das staatliche Land verwaltet und Schürfrechte vergibt.
Die Reaktionen auf den Niedergang des Hauses Bush schwanken zwischen Mitleid und Häme. Der Satiriker Andy Borowitz zum Beispiel persifliert in der Wochenzeitschrift „The New Yorker“ den Ausgang der Vorwahl in South Carolina unter dem Titel: „Iraker feiern das Ende der Bedrohung durch eine dritte Bush-Präsidentschaft“. Sowohl Jeb Bushs Vater (1991) als auch sein älterer Bruder George W. (2003) hatten US-Truppen im Irak einmarschieren lassen.
Freudentänze im Irak
Nur Augenblicke, nachdem sich Bushs miserables Abschneiden abzuzeichnen begann, kam es laut Borowitz in seiner satirischen Übertreibung unter Irakern zu lautstarken Freudenausbrüchen, und es begannen überall im Land spontane Feiern: „Beobachter waren fassungslos, als sie sahen, wie Sunniten, Schiiten und Kurden zusammen auf den Strassen tanzten und ihre Feindschaften beiseitelegten, um einen Wahlausgang zu feiern, den sie in ihren schönsten Träumen nicht für möglich gehalten hätten.“
Maureen Dowd, eine Kolumnistin der „New York Times“, tadelt die Familie Bush für ihren Machtanspruch. Die Bushes hätten sich als Königsfamilie der republikanischen Politik gesehen, sich gleichzeitig aber immer als volksnahe Self-made-Männer ausgegeben, die es draussen in der Welt ohne Beziehungen schafften. Zu gewinnen sei für die Familie stets wichtiger gewesen, als fair zu spielen.
Unaufhaltsamer Aufstieg Trumps?
Trotzdem hat die Familie Bush laut Maureen Dowd ihren Widersacher Donald Trump, der für sie unliebsame Wahrheiten wie jene über den Ausbruch des Krieges im Irak aussprach, sträflich unterschätzt: „Nun ist das Land in Ärger und Ekel über jene Politiker und Banker entflammt, die leichtgläubige Amerikaner betrogen haben und dafür nie zur Rechenschaft gezogen worden sind. Der Zorn hat in beiden Parteien zum Aufstieg extrem unwahrscheinlicher Kandidaten geführt. Während die Bush-Dynastie stürzt, muss sie mit Schrecken zusehen im Wissen, dass sie für den Aufstieg Donald Trumps verantwortlich ist.“
Nach wie vor rätseln in den USA Polit-Strategen und Medienvertreter, ob dieser Aufstieg unaufhaltsam ist. Derzeit scheint das der Fall zu sein, denn Nachwahlbefragungen haben ergeben, dass Trump inzwischen alle Wählersegmente anspricht. In Nevada zum Beispiel hat er auch unter Evangelikalen und Latinos gewonnen. Ted Cruz und Marco Rubio haben sich bisher lieber gegenseitig zerfleischt, als ihren Konkurrenten aus New York frontal anzugreifen, wie das Jeb Bush zumindest im Ansatz versucht hat.
"Lächerliche Figur"
Das republikanische Parteiestablishment weiss ebenfalls nicht, wie es Donald Trump aufhalten soll. Auf jeden Fall hat sich die Annahme als falsch erwiesen, der reiche Geschäftsmann mit der luftigen Frisur werde sich mit protzigen Auftritten und bigotten Bemerkungen selbst zerstören.
Stuart Stevens, vor vier Jahren Mitt Romneys engster Wahlberater, glaubt inzwischen, um Trump zu besiegen, müsse ein Konkurrent dessen Wesen attackieren: „Donald Trump ist eine lächerliche Figur. Er ist kein besonders guter Geschäftsmann. Vier Konkurse! Er hat nicht einmal das Verständnis eines jüngeren Mittelschülers, was die Mechanismen der Politik betrifft – er weiss nicht, was die atomare Triade ist.“
Kein besonderes Geheimnis
Stevens zufolge haben sich Trumps Konkurrenten im Wahlkampf zu stark darauf konzentriert, bestimmte Wählersegmente für sich zu gewinnen. Der Anführer des republikanischen Kandidatenfelds dagegen habe sich stets um alle Wählerinnen und Wähler gekümmert, und nicht nur darum, „in immer engeren Bahnen“, das heisst in immer kleiner werdenden Segmenten der Wählerschaft zu dominieren. Donald Trump, folgert Stuart Stevens, habe kein besonderes Geheimnis entdeckt: „Er kämpft einfach gegen Konkurrenten, die nicht gegen ihn kämpfen. Wette auf jenen, der im Wahlkampf tatsächlich kämpft!“
Das muss nicht so handgreiflich geschehen, wie Donald Trump es Anfang Woche an einer Wahlveranstaltung in Las Vegas (Nevada) propagiert hat. Als ein Besucher, der die Veranstaltung mit lauten Zwischenrufen gestört hatte, von Sicherheitskräften aus dem Saal eskortiert wurde, rief der Kandidat empört in die Menge: „Am liebsten würde ich ihm die Faust ins Gesicht schlagen.“ In der guten, alten Zeit, so Trump, seien Demonstranten jeweils noch auf der Bahre hinausgetragen worden. Noch ist „The Donald“ selbst nicht handgreiflich geworden. Wozu auch, solange Amerika ihn mit Samthandschuhen anfasst.