Ein engagierter Anhänger Mitt Romneys drückte am Wahltag in Florida aus, was der Kandidat über seinen Rivalen Newt Gingrich höchstens zu denken wagte: „Schiesst ihn auf den Mond!“. Die unverblümte Aufforderung war eine Anspielung auf Gingrichs im Wahlkampf geäusserte Vision, die amerikanische Raumfahrt zu fördern und bis zum Ende seiner zweiten Amtszeit im Weissen Haus den Mond zu besiedeln. „Die Vorstellung vom Mond als 51. US-Staat hat in meinem Denken nicht zuvorderst Platz“, witzelte Romney immerhin.
Nach seinem klaren Sieg im „Sunshine State“ dürfte Mitt Romney eher an den Fortgang des Wahlkampfs als an die Zukunft der NASA denken. Und da hat der frühere Gouverneur von Massachusetts einigen Grund, optimistisch zu sein. Mit Florida hat er einen Staat gewonnen, der im Gegensatz zu den drei bisherigen Wahlschauplätzen – Iowa, New Hamsphire und South Carolina – mit seinen 19 Millionen Einwohnern und seiner multikulturellen Gesellschaft als Mikrokosmos Amerikas gilt. Zudem wird Florida im August in Tampa den Parteikonvent der Republikaner beherbergen. Und neuerdings geniesst Romney als einziger Kandidat den Schutz des Secret Service, was einer Art offiziellen Salbung gleichkommt.
Mit den volleren Kassen Florida gewonnen
Im „Sunshine State“ hat sich erneut positiv ausgewirkt, dass Mitt Romney über die grösste Kriegskasse aller Kandidaten verfügt und aus dem Vollen schöpfen kann, wenn es darum geht, unliebsame Konkurrenten mittels negativer Werbung zu diskreditieren. So haben Romney und sein unabhängiges politisches Super- Aktionskomittee „Restore Our Future“ in Florida 15,4 Millionen Dollar für Radio- und Fernwerbung ausgegeben, während sich Newt Gingrich und dessen Alliierte mit 3,7 Millionen Dollar begnügen mussten. 92 Prozent aller Werbespots in der Woche vor der Wahl waren negativ und 68 Prozent aller Spots attackierten Gingrich. Es war wohl ein weiterer Beweis dafür, dass negative Werbung den gewünschten Effekt erzielt, auch wenn Wählerinnen und Wähler angeben, sie nicht zu mögen oder sich nicht von ihr beeinflussen zu lassen.
Doch Mitt Romneys aggressive Taktik hat auch ihre Schattenseiten. Jüngste Umfragen in den USA zeigen, dass seine Beliebtheit im Sinken begriffen ist, vor allem unter unabhängigen Wählerinnen und Wählern, welche die Präsidentschaftswahl am 6. November entscheiden dürften. Laut einer Befragung von „Washington Post“ und ABC News stufen inzwischen 49 Prozent der Antwortenden den 64-Jährigen als unsympathisch ein, während ihn lediglich 31 Prozent positiv sehen. Noch im vergangenen September hatte eine Mehrheit der Befragten Romney vorteilhaft beurteilt.
Fragezeichen hinter Romneys Popularität
Mitt Romneys sinkende Popularität dürfte eine Folge der Attacken sein, die seine Konkurrenten vor allem in den Fernsehdebatten gegen ihn lanciert haben. Newt Gingrich, Rick Santorum und Ron Paul zeichneten ihn wiederholt als herzlosen Kapitalisten, der während seiner Zeit als Mitarbeiter der Firma Bain Capital Arbeitsplätze vernichtete, sich auf Kosten ruinierter Firmen bereicherte, ein Bankkonto in der Schweiz besass, zu wenig Steuern zahlte und illegalen Einwanderern gegenüber knallhart vorgehen wollte.
Auch Präsident Barack Obamas Wahlkampfberatern sind die Schwachstellen des republikanischen Spitzenkandidaten nicht unverborgen geblieben. “Während Mitt Romney die republikanischen Vorwahlen absolviert, sinkt seine Unterstützung in jeder Wählerkategorie, die für einen Republikaner wichtig ist, wenn er die Präsidentenwahl gewinnen will“, hat Obamas Wahlkampfmanager Jim Messina die Medien in einem Memorandum wissen lassen: „Unter dem Strich heisst das: Je besser die Wähler Romney kennen lernen, desto unvorteilhafter werden sie ihn einstufen.“
Nach dem Parteikongress: das grosse Vergessen?
Dagegen argumentieren Berater Romneys, die Schwächen ihres Kandidaten schon jetzt publik zu machen helfe mit, ihn später im Hauptwahlkampf gegen ähnliche Vorwürfe zu immunisieren. Sie verweisen darauf, dass Mitt Romney einzelnen Umfragen zufolge Barack Obama schlagen würde, falls die Nation zum jetzigen Zeitpunkt wählte. Und der republikanischer Polit-Stratege Alex Castellanos sagt voraus, Romneys Beliebtheit werde dramatisch wachsen, falls ihn seine Partei im August in Tampa als offiziellen Herausforderer nominiert: „Ein Sieg wäscht normalerweise allen Schlamm und Schmutz weg. Wenn die Wähler einen Kandidaten brauchen, dann erfinden sie ihn neu und lassen seine Warzen verschwinden.“
Noch ist es aber nicht soweit und sind landesweit erst fünf Prozent der 1144 Delegiertenstimmen verteilt, die für eine Nomination nötig sind. Als der Wahlausgang in Florida bekannt wurde, hielten in Orlando Anhänger Newt Gingrichs Plakate hoch, auf denen zu lesen war: „Noch bleiben 46 Staaten“. Gingrich, der dem Sieger nicht gratulieren mochte, gelobte im Pluralis majestatis, unverdrossen weiter zu kämpfen: „Wir werden um jeden Platz kämpfen, und wir werden gewinnen, und wir werden im August in Tampa als nominierter Kandidat auftreten.“
Eine Einheit aller Konservativen?
Der 68-Jährige hatte am Wahltag in Florida seine Taktik offen gelegt, die darin besteht, das konservative Lager, dessen Stimmen noch zersplittert sind, zu einen und sich so gegenüber Mitt Romney eine Mehrheit zu verschaffen. „Jetzt steht fest, dass dies ein Zweikampf zwischen dem konservativen Führer Newt Gingrich und dem Liberalen aus Massachusetts werden wird“, sagte Gingrich nach der Wahl. Und verkündete pathetisch: „In den kommenden sechs Monaten wird unsere Macht der Menschen die Macht des Geldes besiegen.“
Dumm nur, dass Rick Santorum, der tiefgläubige Ex-Senator aus Pennsylvania, Newt Gingrichs Taktik nicht beherzigt und sich trotz dreier Niederlagen in Folge standhaft weigert, aus dem Wahlkampf auszusteigen. Santorum, der einer kranken Tochter wegen in Florida kaum präsent war, sieht sich als der einzig wahre Konservative unter den republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Er setzt drauf, den längeren Atem zu haben als Newt Gingrich und Mitt Romney noch vor dem Zielstrich abfangen zu können. Derweil zeigt auch der Texaner Ron Paul, der sich vor auf viele junge, engagierte Anhänger verlassen kann, keine Anstalten, aus dem Rennen auszuscheiden. Seine Botschaft, den Staat schrumpfen zu lassen und die Hände von fremden Händeln zu lassen, findet anscheinend nach wie vor offene Ohren.
Vorläufig aber stehen im Februar noch sieben Entscheidungen an: Am Samstag, „first in the West“, die Parteiversammlungen („caucuses“) in Nevada und Maine und am kommenden Dienstag die Caucuses in Colorado und Minnesota sowie die Vorwahlen in Missouri, Arizona und Michigan. Während in Nevada, wo viele Mormonen wohnen, Mitt Romney der Sieg kaum zu nehmen sein dürfte, hofft Rick Santorum auf Missouri, wo ihm Unfragen ein gutes Abschneiden prognostizieren.
Entscheidung in den Südstaaten?
Newt Gingrich, der aus Georgia stammt und bereits in South Carolina gewonnen hat, setzt in erster Linie auf die Vorwahlen in den übrigen Staaten des amerikanischen Südens. Diese beginnen mit dem „Super Tuesday“ am 6. März, wenn zehn Staaten (unter ihnen Alabama und Virginia) auf einmal wählen, und gipfeln am 3. April in der Entscheidung in Texas. Wobei Gingrich im Süden in erster Linie auf die Stimmen der Evangelikalen und der Anhänger der Tea Party hofft.
Indes findet die nächste Fernsehdebatte unter den vier republikanischen Kandidaten erst am 22. Februar in Mesa (Arizona) statt – zum Leidwesen etlicher Amerikaner, die solche Wortgefechte mit ihren Pannen und Pleiten als erstklassige Unterhaltung konsumieren und sich zahlreicher zuschalten als bei den sonst populären „reality shows“. Vor allem Newt Gingrich, der sich bisher mit Ausnahme der zwei Debatten in Florida am Bildschirm glänzend geschlagen hat, dürfte diese Form der Gratiswerbung für seine Kandidatur schmerzlich vermissen. Obwohl sein Unterhaltungswert auch ohne Fernsehen relativ hoch ist: In Florida, das viele Exil-Kubaner beherbergt, war unweigerlich auch Fidel Castro ein Wahlkampfthema. Für Fidel sei bereits ein Platz in der Hölle reserviert, drohte Gingrich vollmundig.
Quellen: „New York Times“, „Washington Post“, „Los Angeles Times“, „The Daily Beast“