Aus europäischer Perspektive durch Putins Aggressionskrieg in der Ukraine verdeckt, läuft der aktuelle Trend im Indo-Pazifik für die USA und ihre regionalen Verbündeten und gegen China. Dies ist einerseits auf geschicktes Vorgehen der Biden-Regierung sowie Regierungswechsel in Korea und Australien und andererseits auf chinesische Schwächen zurückzuführen.
Allein schon die nun geläufige Namensgebung Indo-Pazifik, welche die bislang gültige Bezeichnung als Grossraum Asien-Pazifik in Medien und vor allem der Fachliteratur verdrängt hat, spricht Bände. Das Bild einer Achse von der amerikanischen Pazifikküste über Australien im Süden sowie Japan und Korea im Norden bis in den Indischen Ozean zum Subkontinent als Barriere gegen den in den letzten Jahrzehnten unaufhaltsam scheinenden, regionalen Vormarsch von China, beginnt Gestalt anzunehmen.
AUKUS, Quad, und IPEF
Hinter diesen drei Abkürzungen steht geschicktes Vorgehen der Biden-Regierung, welche aus einer schwierigen Situation – grossräumiger Flurschaden durch den Nationalisten Trump, amerikanischer Wirtschaftsprotektionismus auch, und gerade in der Demokratischen Partei – das Beste gemacht hat.
AUKUS – Australien, Grossbritannien(UK), USA – ist das primär militärische Gegenstück zur ungezügelten Militarisierung des Ostchinesischen und des Südchinesischen Meeres durch den Autokraten Xi Jinping in Beijing. Verschiedene Länder in der Region, welche sich bislang nicht einer so offen anti-chinesischen Koalition anschliessen wollen, haben unter diesem Dach bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen dieser drei Länder getroffen. Dies gilt vor allem für Indien, welches seine Streitkräfte mit Australien und auch mit Japan, das sich AUKUS in der Zukunft anschliessen könnte, mehr und mehr verzahnt.
Quad
Die Quad – USA, Japan, Australien und Indien in einem Vierecks- also quadrilateralen Verhältnis – konzentriert sich im Moment auf andere als militärische Sicherheitspolitik, von Cyberwar bis zur Pandemiebekämpfung, ohne allerdings gemeinsame Marinemanöver wegzulassen. Dass mit AUKUS nun ein offen als militärisches Verbündnis deklariertes Vehikel zum Widerstand gegen China existiert, macht es verschiedenen Ländern leichter, sich in der einen oder anderen Form der weniger offenen anti-chinesischen Quad anzuschliessen. So haben Quad-Plus Gespräche mit Korea und Vietnam bereits stattgefunden.
IPEF
Das IPEF – Indo-Pacific Economic Framework, das Indo-Pazifische Wirtschaftliche Rahmenwerk – hat Washington vor kurzem aus dem Hut gezaubert, um drängenden Forderungen der asiatischen Länder nachzukommen. Sie fordern die USA auf, mehr wirtschaftlichen Beistand zu leisten, um mit China – Mitglied in einem, allenfalls bald in den zwei grossen, regionalen Wirtschaftsvereinbarungen, welchen beiden Washington nicht angehört – gleichzuziehen. Eine Knacknuss für Biden angesichts der protektionistischen Stimmung im eigenen Lande. Über den Inhalt von IPEF ist noch zu wenig bekannt für ein endgültiges Urteil, ob es sich um eine magere Ersatzlösung oder, wie von der amerikanischen Handelsministerin proklamiert, um einen Wirtschaftsvertrag der nächsten Generation handelt, welcher dem globalen «de-coupling» – der Abschottung in verschiedene Handelsblöcke – Rechnung trägt.
Dass sich Südostasien, also die Asean – mit der Ausnahme der drei kleinen Vasallen-Staaten Chinas, Laos, Kambodscha und Myanmar – bereits für das Mitmachen im IPEF entschieden hat, darf als Zeichen gewertet werden, dass Biden auch hier punktet.
Neue Regierungen in Korea und Australien
Dies wird verstärkt durch die neue konservative Regierung in Korea, welche auf mehr Härte gegenüber Nordkorea setzt, womit der Schatten eines drohenden Abzuges der US-Truppen auf Wunsch von Seoul – Trump hat dies bekanntlich von amerikanischer Seite angedroht, Biden denkt nicht daran – verschwunden ist. Korea hat überdies, wie Japan seit einiger Zeit, zu verstehen gegeben, dass es einem Ausgreifen Beijings gegenüber Taiwan nicht tatenlos zusehen würde; dies hat wohl auch Biden bestärkt, kürzlich klar amerikanischen Beistand für Taipeh im Falle chinesischer Aggression gegen den Inselstaat zu signalisieren. Diesmal kaum ein Versprecher des amerikanischen Präsidenten.
Die neue Labour-Regierung in Australien steht der demokratischen Administration in Washington näher als die vorherige unter dem oft ungehobelten Konservativen Scott Morrison. Ihn sieht Washington als Hauptverantwortlichen für die unerwartete brüske Kehrtwendung des pazifischen Inselstaates Solomon Islands – im Hinterhof von Australien liegender Schauplatz der strategischen Entscheidungsschlacht von Guadalcanal im zweiten Weltkrieg – von mit Taiwan liierter Beschaulichkeit zum drohenden Vorposten Chinas im Pazifik.
Labour ist auch in Neuseeland an der Macht, was dazu beitragen könnte, dass Wellington sich politisch klarer von China distanziert; das Land ist ein wichtiger Partner für die US-Australische Allianz im Unterfangen, den chinesischen Einfluss zurückzudrängen.
Chinesische Schwächen
Xi Jinpings zwei grosse Fehler der letzten Monate sind die praktisch bedingungslose Verbrüderung mit seinem ebenso autokratischen Partner Putin und das sture Festhalten an einer offensichtlich fehlgeschlagenen Null-Covid Strategie. Die Wirtschaft Chinas ist im Abschwung begriffen, das ausländische Kapital und seine Vertreter verlassen das Land, die innere Unzufriedenheit wächst. Noch wäre es verfrüht, über entsprechende Konsequenzen zu spekulieren. Verschiebungen in chinesischen Machtverhältnissen sind notorisch undurchsichtig. Immerhin sind in Fachzeitschriften erste Hinweise erschienen, wonach sich Premierminister Li Keqiang zum ernsthaften Widersacher von Xi entwickle.
Im Herbst muss sich Xi einer Wiederwahl als Partei- und Staatschef stellen. Falls es tatsächlich zu einem Machtwechsel in Beijing kommen sollte, darf vermutet werden, dass wiederum eine Zeit kollektiver Führung den Alleinvertretungsanspruch des Mao-Adepten Xi ersetzen könnte.
Auf dem indo-pazifischen Schachbrett, dem global wichtigsten im 21. Jahrhundert, ist noch keineswegs eine Entscheidung gefallen; Washington und seinen Verbündeten sind aber einige gute Züge gelungen.