Das wichtigste Projekt der SPD ist das Bürgergeld. Es löste Hartz IV, die von Gerhard Schröder durchgeboxte Reform des Arbeitslosengeldes, ab. Das Bürgergeld soll die bisherigen vermeintlichen Härten überwinden und sich als staatliche Leistung erweisen, «für die sich niemand schämen muss», wie Arbeitsminister Hubertus Heil sagt.
Die Hauptkritikpunkte an Hartz IV bestanden darin, dass die Bezieher im Prinzip die Arbeitsstellen antreten mussten, die ihnen von den Jobcentern vermittelt wurden. Ausserdem wurden in die Berechnungen der Leistungen die privaten Vermögen einbezogen. Und wenn eine Wohnung im Verhältnis zu der neuen Situation des Arbeitslosen als zu gross oder kostspielig angesehen wurde, konnte das Jobcenter einen Wohnungswechsel verlangen.
Lasche Sanktionen
Das waren Härten, mit denen die meisten Genossen von Anbeginn an haderten. Entsprechend wurde im Jahr 2022 das «Bürgergeld» durchgesetzt, das schon im Namen den Gedanken mit sich führt, dass es sich hier um eine Leistung handelt, die jeder Bezieher erhobenen Hauptes als «Bürger» entgegennehmen kann. Aber so recht will ausser den Genossen niemand jubeln. Eine Erhebung von «Statistika» ergab im November 2022, dass zwei Drittel der Befragten diese Wohltaten für keine gute Idee halten.
Auch die Mitarbeiter der Jobcenter äussern sich überwiegend ablehnend. Zum einen finden sie den jetzigen Regelsatz von 563 Euro für einen Alleinstehenden zu hoch, zum anderen beobachten sie, dass mit dem weitgehenden Wegfall von Sanktionen für das Nichterscheinen nach «Einladungen» Termine ungenutzt verstreichen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat im April 2024 eine Umfrage unter Mitarbeitern von Jobcentern veröffentlicht. Demnach wollen 55 Prozent auf keinen Fall die laschen Sanktionen beibehalten.
Empathischer Staat
Die Ausgaben für das Bürgergeld sind ein nicht unbeachtlicher Posten im Bundeshaushalt. Im Jahr 2023 gab es 5,5 Millionen Bürgergeld-Empfänger. Die Kosten für die Grundsicherung lagen bei 42,6 Milliarden Euro. Allerdings will die Bundesregierung unter dem enormen Spardruck die Zügel wieder etwas anziehen. Arbeitslose sollen bald wieder etwas längere Fahrtzeiten in Kauf nehmen müssen, ihr Privatvermögen soll wieder in die Berechnungen einbezogen werden, und man überlegt auch, Sanktionen mit dem Entzug von 30 Prozent der Grundsicherung beginnen zu lassen.
Der Grundgedanke der SPD aber bleibt. Im neuen «Sozialstaatskonzept» heisst es: «Das Bürgergeld steht für ein neues Verständnis eines empathischen, unterstützenden und bürgernahen Sozialstaats.» Und weiter: «Wir stärken die Rechte der Arbeitslosen und die Pflichten der Jobcenter.» Entsprechend sollen die Mitarbeiter alles unterlassen, das, wie etwa die Drohung mit Sanktionen, «den Menschen ihre Abhängigkeit vor Augen führt» und damit die «Würde des Einzelnen» missachtet.
Härten des Wirtschaftslebens
Insbesondere Arbeitgeberverbände machen darauf aufmerksam, dass die Höhe des Bürgergeldes den Anreiz, eine bezahlte Tätigkeit anzunehmen, zu sehr mindert. Die meisten Mitarbeiter der Jobcenter sehen das ebenso. Und der ehemalige Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, sagte kürzlich im Spiegel: «Es gibt in Deutschland 260’000 junge Menschen zwischen 25 und 45, die seit längerer Zeit nicht arbeiten, obwohl sie alle Kriterien für Erwerbstätigkeit erfüllen.»
Das ist aber nicht der Hauptfehler des Bürgergeldes. Der Holzweg der SPD besteht darin, dass sie im Bürgergeld eine soziale Utopie jenseits der Härten des Wirtschaftslebens sieht. Kein Bezieher soll sich unter Druck oder abhängig fühlen oder sich gar in seiner «Würde» angetastet fühlen. Dabei zeigt die Erfahrung jedes abhängig Beschäftigten, dass es Arbeit ohne diese negativen Begleiterscheinungen nicht gibt. Dass diese zu minimieren sind, versteht sich von selbst, aber wer auf die Dauer erfolgreich sein und mit Stolz auf seine Arbeit blicken will, muss diese Härten durchstehen. Diese beginnen schon mit der Kritik von Kollegen.
Das dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass die SPD mit ihrem Bürgergeld nicht so recht punkten kann und aus den Tälern der bedenklich tiefen Wahlergebnisse nicht herauskommt. In der Gesellschaft gibt es ein Gespür dafür, dass sich nicht alle Härten des Lebens vom Staat abfedern lassen.