Wann genau die KP gegründet worden ist, kann nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden. Der 23. Juli hat sich in der Geschichtsschreibung festgesetzt. Zehn Jahre nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches wurde China durch verschiedene Kriegsherren beherrscht. Gegründet wurde die KP damals durch die Professoren Li Dazhao und Chen Duxiu als konspirative, zentralistische Organisation. Am Gründungstag in Shanghai waren nur wenige Delegierte dabei, unter anderen auch der Bibliothekar Mao Dsedong aus Changsha. Die vom sowjetischen Moskau dirigierte Kommunistische Internationale verpflichtete die KP Chinas zu einer engen Zusammenarbeit mit der nationalistischen Kuomintang. Doch bereits 1927 entledigte sich Kuomintang-Führer Chiang Kai-shek in Shanghai seiner kommunistischen Verbündeten mit blutiger Unterdrückung.
Lokale Sowjets
Hunderte flohen ins Umland und in die Berge und gründeten dort lokale Sowjets, stets bedrängt von Kuomintang-Truppen. Zu den bekannten und für die Geschichte der KP wichtigen Anführern gehörten etwa der später beliebte Premierminister Zhou Enlai, Deng Xiaoping, der Gründer der Roten Armee Zhu De oder Xi Zhongcun, der Vater des jetzigen Staats- und Parteichefs Xi Jinping. In den Jahren bis zum Beginn des Langen Marsches 1934 bekämpften sich ideologisch die Moskautreuen und die eher China-Orientierten. Zu letzteren gehörte Mao Dsedong, der ein Jahrzehnt später die Theorie des Sino-Marxismus formulierte. Nicht Arbeiter wie bei Marx, Engels, Lenin und Stalin waren bei Mao das Proletariat, sondern die Bauern waren das revolutionäre Subjekt.
Ya’nan
Beim Aufbruch zum Langen Marsch im Oktober 1934 war Mao jedoch noch lange nicht der unbestrittene Führer. Erst im nordwestlichen Ya’nan (Provinz Shaanxi), wo nach dem entbehrungsreichen Marsch von 80'000 sich noch 10'000 durchkämpften, wurde Mao 1943 zum unbestrittenen Parteichef. Alle für die Partei wichtigen Theorien entwarf Mao in Ya’nan.
Sowjetische Planwirtschaft
Nach dem Sieg im Bürgerkrieg 1949 gegen die nationalistische Kuomintang und der Flucht Chiang Kai-sheks mit zwei Millionen Chinesinnen und Chinesen auf die Insel-Provinz Taiwan wurde China vom Westen boykottiert, zumal weil wegen des Korea-Krieges (1950–53) eine Million freiwillige chinesische Soldaten den Amerikanern gegenüberstanden. Innenpolitisch musste die KP aufs sowjetische Planmodell zurückgreifen mit Fokus auf die Schwerindustrie. Diese Strategie war für die Schwerindustrie, nicht aber fürs Volk erfolgreich.
Kollektivierung der Landwirtschaft
In der Landwirtschaft setzte Mao auf schnelle Kollektivierung. 1957 liess Mao, des wachsenden Unmuts der Intellektuellen bewusst, eine Kritik-Kampagne zu. Doch der Widerspruch war unerwartet gross und laut. Mao liess darauf Hunderttausende als «Rechtsabweichler» brandmarken. Erst mehr als zwanzig Jahre später wurden sie rehabilitiert. Mao jedoch liess sich von der Partei nur ein Jahr später sein utopisches Lieblingsprojekt absegnen. Mit dem «Grossen Sprung nach vorn» (1958–61) wollte er in einer kollektiven Kraftanstrengung die Industrieländer ein- und überholen. Das Resultat war ein Desaster. Die gebildeten landwirtschaftlichen Grosskommunen waren ineffizient, sowohl in dem in Dorf-Öfen produzierten Stahl als auch in der Getreide-Ernte. Dörfer, Präfekturen und Provinzen meldeten nicht vorhandene Rekordernten nach oben. Der Staat sammelte die gemeldeten Ernten ein. Millionen von Tonnen Getreide wurden – vor allem in die Sowjetunion und Osteuropa – exportiert. Das Volk hungerte. Je nach Schätzungen kamen damals 35 bis 45 Millionen Chinesinnen und Chinesen ums Leben. Chinas Kinder freilich lernen noch heute in der Schule, dass die Hungersnot durch Naturkatastrophen – Ueberschwemmungen und Trockenheit – entstanden sei.
Xi im Schweinekoben
1962 übernahmen Pragmatiker unter Führung von Premier Zhou Enlai – die allerdings vier Jahre zuvor auch für den «Grossen Sprung» votiert hatten – das Szepter, um die Wirtschaft wieder aufzubauen. Das gelang Deng Xiaoping und Staatschef Liu Shaoqi sehr gut. Mao zog sich zurück und blickte in die Zukunft. Loyalität war für Mao alles. Er entliess 1962 den Stellvertretenden Ministerpräsidenten Xi Zhongcun wegen «mangelnder Loyalität». 1966 zu Beginn der «Grossen Proletarischen Kulturrevolution» (1966–76) traf es dann auch Staatspräsident Liu Shaoqi als «Kapitalist Nummer 1» und Deng Xiaoing als «Kapitalist Nummer 2». Liu starb 1969 im Gefängnis, Deng arbeitet in einer Fabrik im Süden und Xi stand unter Hausarrest. Ein Sohn Dengs stürzte an der Universität aus dem dritten Stock und blieb behindert. Xis Sohn musste wie Millionen von Jugendlichen «herunter aufs Land», um dort von den Bauern zu lernen. Im Dorf Liangjiahe lernte so der heutige Parteichef sozusagen aus dem Schweinekoben die Realitäten Chinas kennen.
Pragmatisch
Nach der Kulturrevolution übernahm Deng Xiaoping die Zügel und konnte das Zentralkomitee 1979 von umfassenden Reformen überzeugen. Pragmatisch wie es Dengs Art war. Die Kommunen wurden aufgelöst und durch das Familien-Verantwortungssystem ersetzt. Xi Zhongcun, der Vater von Xi Jinping, wurde Gouverneur der Südprovinz Guangdong. Dort hatte er mit Blick auf Hongkong die Idee von Sonderwirtschaftszonen. Dort gründete er in enger Absprache mit Deng mit Shenzhen die erste Sonderwirtschaftszone in China. Shenzhen war damals ein Dorf, heute eine hypermoderne 11-Millionen-Metropole.
Gesichtsverlust
Innerparteilich waren die ersten zehn Reformjahre geprägt von zwei Fraktionen, einem fortschrittlichen Reformflügel und einem konservativen. 1987 wurde der populäre Parteichef Hu Yaobang bei den ersten Studentenunruhen in Anhui im Winter 1986/87 abgesetzt, nicht aber aus der Partei ausgeschlossen. Xi Zhongcun liess sich nie das Wort verbieten und setzte sich für Hu ein. Der nachfolgende Parteichef Zhao Zyiang galt eher als Anhänger des fortschrittlichen Reformflügels. Beim Tod von Hu Yaobang im April 1989 versammelten sich spontan Arbeiter, Angestellte und Studenten auf dem Platz vor dem Tor des Himmlischen Friedens Tiananmen. Für die Partei war die Lage kritisch, weil nach 30 Jahren der Trennung der sowjetische Parteichef Gorbatschow in Peking den kommunistischen Frieden schliessen wollte. Die Partei verlor das Gesicht, als der sowjetische Gast durch die Hintertüre die Grosse Halle des Volkes betreten musste. Auf dem Platz sassen Hunderttausende. Sie forderten mehr Transparenz, Kampf gegen Korruption und bessere wirtschaftliche Bedingungen. Über die Proteste wurde in aller Welt berichtet, weil eben Gorbatschow in Peking war.
Propaganda-Gesülz
Die Fallschirm-Journalisten hatten natürlich keine Ahnung von China und sprachen immer von einer Demokratiebewegung. Deng Xiaoping entschied sich schliesslich, das Militär eingreifen zu lassen. Es kam zu Hunderten von Toten, darunter auch Soldaten. Deng sah sich an die Kulturrevolution erinnert. Ohne Stabilität kein wirtschaftlicher Aufschwung, rechtfertigte Deng seinen Entscheid, womit er wohl richtig lag. Das Verdikt der Partei hingegen, die Demonstrationen seien ein «konterrevolutionärer Aufstand» gewesen, ist Propaganda-Gesülz vom Schlimmsten. Auch beim Thema Tiananmen liess sich Xi Zhongcun, mittlerweile im Ruhestand, das Wort nicht verbieten und war mit Dengs Entscheid nicht einverstanden.
Konvergenztheorie
In den 1980er Jahren der Reform waren westliche Politiker, Journalisten und Experten optimistisch von der Konvergenztheorie ausgegangen, dass automatisch mit wirtschaftlichem Fortschritt auch Demokratie – westliche natürlich – sich durchsetzen werde. Der gleiche Fehler wiederholte sich in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts. Im Westen – rund fünfhundert Jahre das Mass aller Dinge – konnte man sich (noch) nicht vorstellen, dass auch andere Szenarien, Denkweisen und Möglichkeiten in der Praxis Bestand haben könnten.
Neue Aera
Mit Staats-, Partei- und Militärchef Xi Jinping ist seit 2012 eine neue Aera für Partei und China angebrochen. Das Reich der Mitte will ein gewichtigeres Wort in der internationalen Gemeinschaft mitreden und sein Licht nicht mehr unter den Scheffel stellen. Unter Xi öffnete sich China noch weiter nach aussen. Im Innern jedoch ist wieder mehr Disziplin und Einheit angesagt. Öffentlicher Widerspruch wird in den meisten Fällen rigoros unterbunden. Dennoch, die Leistungen von Partei und Regierung sind bei der grossen Mehrheit der Bevölkerung respektiert und beliebt.
Rote Brille
Mao wurde anfang der 1980er Jahre von der Partei mit 70 Prozent gut und 30 Prozent schlecht benotet, ein fürwahr glanzvolles Resultat durch die rote Brille der Partei. Der weise Deng Xiaoping allerdings verwies – obwohl er das 70/30-Verdikt unterstützt hat – auf die Geschichte; erst in hundert oder mehr Jahren könnten die Tatsachen wirklich beurteilt werden.
50 zu 50
Würde die KP Chinas benotet, käme man auf ein Verhältnis 50 zu 50. Das ist ein gutes Resultat und wäre es selbst für eine westliche demokratische Partei. Mao war gewiss der Staatengründer, doch der grösste Politiker der Partei ist nach Ansicht Ihres Korrespondenten Deng Xiaoping. Denn er ist es, der erstmals in der dreieinhalbtausendjährigen Geschichte China nach aussen geöffnet hat. Eine fürwahr historische Tat.
Offen und innovativ
In entscheidenden Momenten war die KP Chinas immer offen und innovativ. Das war zum Beispiel 1972 so, als sich das Reich der Mitte den USA öffnete, und ist es etwa auch heute inmitten eines immer komplexer werdenden internationalen Umfelds. Westliche Politiker, Journalisten, Experten und Anhänger der Konvergenztheorie sehen das natürlich anders. Man nehme nur die Themen Tibet, Xinjiang, Hongkong und Taiwan. Doch auch hier gilt, nicht alles was die westliche Propaganda aus den USA sagt, ist richtig und nicht alles, was China erwidert ist falsch. Westliche Politiker, Journalisten und Experten sollten sich, vor allem wenn es sich um diffizile Themen handelt, an das Diktum Deng Xiaopings halten: «Die Wahrheit in den Tatsachen suchen».