Es war ein Auftritt ganz nach dem Geschmack von Joe «Victory-Zeichen» Ackermann. Mit staatstragender Miene, die Bundeskanzlerin an seiner Seite, verkündete er, dass auch deutsche Banken «Hand bieten zu einer Lösung». Bevor allerdings bei Angela Merkel die Mundwinkel nach oben rutschen konnten, fügte er hinzu: «Aber nicht, weil wir es gerne tun.» Lösung, Hand bieten, ungern zwar, aber doch, wovon faselte Ackermann?
Kurz gesagt, geht es um Folgendes: Griechenland ist pleite. 350 Milliarden Euro Staatsschulden, das sind mehr als 150 Prozent des Bruttoinlandprodukts, unbezahlbar. Nichtsdestotrotz wollen die vom Wahnsinn umzingelten Eurokraten auf das bisherige Rettungspaket von 110 Milliarden Euro nochmals 120 Milliarden draufsatteln. Diesmal aber unter «Beteiligung der privaten Gläubiger» Griechenlands, sprich in erster Linie Banken und Fonds. Ach, wirklich? Natürlich nicht. Weder freiwillig noch sonstwie.
Gesund geschrumpft
Ursprünglich war in Deutschland einmal die Rede von einem Betrag von 30 Milliarden Euro, der von Banken und Co. beigesteuert werden sollte. Nach einigen Telefonaten, in denen Bundeskanzlerin Merkel wohl klar gemacht wurde, dass sie zwar an der Regierung, aber nicht an der Macht ist, schrumpfte diese Summe dann schnell auf 3,5 Milliarden Euro. Und auch diese Mogelpackung reduziert sich bei genauerer Betrachtung auf eine einzige Milliarde.
Nicht viel, aber doch eine Geste, nicht wahr? Nein, denn selbst diese Milliarde im Rahmen einer «freiwilligen» Laufzeitverlängerung von griechischen Staatsschuldpapieren müssten die deutschen Banken nicht ins Feuer stellen, sondern sie bekämen dafür eine Staatsgarantie der deutschen Regierung – und hübsche Zusatzzinsen von Griechenland. Also eigentlich ein Bombengeschäft, das dem Publikum als verantwortungsbewusster Beitrag der deutschen Finanzdienstleister präsentiert wird. In Wirklichkeit aber eine Luftnummer.
Es geht noch dümmer
Denn es wäre ja kein Akt aus dem Tollhaus «Politiker versenken den Euro», wenn diese Absurdität nicht noch gesteigert würde. Auftritt der Rating-Agenturen, also der US-Privatfirmen Moody’s, Standard & Poor’s oder Fitch, die mit ihren Bewertungen bestimmen, wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Schuldner seine Kredite zurückzahlen kann. S&P ist da etwas vorgeprescht und stellte bereits klar, dass jede Umschuldung, auch in Form einer Laufzeitverlängerung eines Griechen-Papiers, wahrscheinlich als «Default», also Zahlungsausfall, gewertet würde.
Das bedeutet, dass ein solches Papier kaum mehr handelbar ist, nicht als Sicherheit hinterlegt werden kann und sich sämtliche institutionellen Anleger, in erster Linie Pensionskassen, per sofort davon trennen müssen. Ups, sagen nun Politiker und Banker im Chor, und dann verwenden sie eine Lieblingsformulierung, bei der Pinocchio, wie bei jeder Lüge, die Nase um einige Meter anwachsen würde: «Das war aber unvorhersehbar.»
Eine einfache Frage
Stellen wir uns eine ganz banale und einfache Frage: Als diese «freiwillige» Beteiligung aufgegleist wurde, war es den daran beteiligten Finanzkoryphäen wirklich nicht von Anfang an klar, wie dieses Gebastel von den Rating-Agenturen bewertet würde? Sind deren Bewertungskriterien streng geheim, ereilt uns deren Urteil wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel? Natürlich nicht. D wie Default ist genauso definiert wie die Rahmenbedingungen für das komplizierte Finanzvehikel für die «freiwillige» Beteiligung der Banken am neuen Rettungspaket: Die Gläubiger verzichten auf die vereinbarte Rückzahlung der Schulden und der zugesagten Zinsen im vorher festgelegten Zeitrahmen.
Sämtliche Informationen, wie genau ein Schuldpapier von Triple-A, bombensicher, bis D, Schrott, bewertet wird, sind öffentlich erhältlich, seit langem bekannt, für jeden Laien verständlich. Aber nicht für Politiker oder Banker? Da kann man wirklich nur mit Kurt Tucholsky die Frage stellen: «O hochverehrtes Publikum, sage mal, bist du wirklich so dumm?» Diesmal kann man das Verhalten der Politiker, die nun stirnrunzelnd über die angebliche Verantwortungslosigkeit der Rating-Agenturen herziehen, nicht als pure Dummheit abtun. Diesmal ist es reine Arglist.
Es ist offenkundig
Sowohl die französische wie auch die deutsche Regierung, und selbstverständlich auch die beteiligten Banker, wussten von Anfang an: ein «freiwilliges» Engagement privater Gläubiger, dazu alles, was in welche Formulierung auch immer verkleidet, auf eine Umschuldung hinausläuft, führt in der Bewertung zum Untergang griechischer Staatsschuldpapiere. Schlussfolgerung: Es war allen von Anfang an klar, dass von einer freiwilligen Beteiligung privater Gläubiger an den Kosten und Risiken einer Griechenland-Rettung keine Rede sein kann. Und warum wird diese Groteske dann aufgeführt? Ganz einfach: um dem Publikum eine lange Nase zu drehen. Um Bankern wie Ackermann die Gelegenheit zu geben, sich staatstragend und verantwortungsbewusst in Szene zu setzen. Sein einziges Problem bei diesem Auftritt war sicherlich, dass er es vermeiden musste, breit zu grinsen und wieder das Victory-Zeichen zu machen. Aber er ist ja, im Gegensatz zu Politikern, lernfähig.